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Büren

Eine neue Frisur für den Sommer auf der Alp

Es ist ein aufregender Moment für Nick Stotzers 45 Schafe und Lämmer: Sie werden geschoren. Zudem bekommen die Tiere ein Fussbad verordnet. Die Gründe für die beiden Prozeduren sind der Tierschutz und die Gesundheit der Schafe.

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Denise Gaudy

Schon von weitem hört man es blöken, eine Maschine brummt, Glöckchen bimmeln, es riecht nach Schaf. Hinter dem Bauernhaus an der Aarbergstrasse 54 in Büren herrscht emsiges Treiben. Der Schafscherer André Meister aus Biberist ist da, um den 45 Schafen und Lämmern von Nick Stotzer sowie den neun Tieren der Oberwilerin Sabine Wälchli auf den Pelz zu rücken. Zudem hat Rolf Gnägi, Präsident des Schafzuchtvereins Safnern-Orpund, seine vierbeinigen Wolllieferanten zum Scheren nach Büren gebracht; rechtzeitig bevor die 250-köpfige Herde Anfang Juni aus dem Seeland zur Sömmerung auf eine Alp im Kiental transportiert wird.

Pilotversuch Klauenpflege
In einem Gehege wartet eine Gruppe von Schafen darauf, von ihrem Winterfell befreit zu werden. Daneben stehen ein paar bereits geschorene Tiere in einer mit Brettern umrandeten Wanne, die fusshoch mit einer trüben weissen Flüssigkeit gefüllt ist: «Das ist ein selbst gebasteltes Fussbad zur Vorbeugung der sogenannten Moderhinke; ein Pilotversuch, dieser weitverbreiteten, ansteckenden Klauenkrankheit auf den Leib zu rücken», sagt der Bürener Hobby-Schafzüchter Nick Stotzer.

Nachdem er den Tieren die Klauen wie immer im Frühling geschnitten habe, bekämen sie neuerdings wöchentlich diese Behandlung – insgesamt sechs Mal. «Erweist sich dies als erfolgreich, kann ich vielleicht meine Züchterkollegen von der Anwendung des Klauenbads überzeugen, und wir könnten einen Beitrag leisten an die Bestrebungen, die Krankheit schweizweit zu sanieren.» Eine Helferin legt einer Aue – einem Mutterschaf – ein Seil um den Hals und führt es aus dem Gehege. «Das ist meine Lilly», sagt Stotzers Lebenspartnerin Cornelia Gassner. Mit geübtem Handgriff nimmt André Meister das weisse Schaf mit dem schwarzen Kopf in Empfang, dreht das etwa 65 Kilo schwere Tier rücklings gegen sich, und eh man sich versieht, sitzt Lilly vor den gegrätschten Beinen des Scherers, den rechten Vorderlauf hinter dessen rechtem Oberschenkel eingeklemmt.

Der Meister am Schurgerät
André Meister lässt das Handgerät der motorbetriebenen Schuranlage durch Lillys Haarpracht gleiten, ganz dicht auf der Haut, beginnend am Brustkorb, wo das Fell etwas weniger lang ist. Es dauert keine vier Minuten, und die Sommerfrisur ist fertig: «Die Braunköpfigen Fleischschafe sind am schwierigsten zu scheren», sagt Meister. «Sie sind quirlig und haben sehr viel Wolle.»

Der Scherer ist Landwirt und selber passionierter Schafzüchter – «als Hobby», wie er sagt. Das Schafscheren sei seine liebste Freizeitbeschäftigung. Dennoch beherrscht er sein Handwerk, das in der Schweiz nicht mehr viele verstehen, wie kaum ein anderer: Anfang Juli wird er an der Schafschur-Weltmeisterschaft in Frankreich in der Intermediate-Klasse für die Schweiz starten.

Bevor das nächste Schaf an der Reihe ist, nimmt Nick Stotzer die auf dem Boden liegen gebliebene Wolle auf und stopft sie in einen grossen, luftdurchlässigen Sack. Drei solcher «BigBags» sind bereits vollgepackt. «Nach Ostern bringe ich sie nach Huttwil, wo die Wolle gewaschen und weiter verarbeitet wird», sagt der 62-Jährige.

Die Freude an den Schafen ist dem früh pensionierten Hochbaupolier sozusagen in die Wiege gelegt worden. Schon sein Vater habe mit Leib und Seele Braunköpfige Fleischschafe gezüchtet. Davon leben könnte er jedoch niemals. «Der Aufwand für Futter, Pflege, Stall und Weide sowie der Ertrag aus Fleisch und Wolle gehen unter dem Strich gerade auf – meine Arbeit nicht eingerechnet», so Stotzer. Die Faszination an der Schafhaltung liege ganz wo anders: «Ich mochte die Tiere schon immer und freue mich über gesunden Nachwuchs.» Er liebt es, zweimal täglich im Stall oder auf der Weide nach dem Wohlergehen seiner Schafe zu sehen und sie zu hegen und zu pflegen. «Zudem bin ich ein geselliger Mensch.»

Tatsächlich kommen Geselligkeit und Austausch unter den 26 Mitgliedern des Schafzuchtvereins Safnern-Orpund nicht zu kurz. Besonders im Sommer, wenn die Schafe auf dem Berg sind. Nick Stotzer hält nämlich die Alphütte im Kiental im Schuss, wo es im Massenlager für 25 Personen Platz zum Übernachten hat, und wo schon manch ein lustiges Wochenende unter Gleichgesinnten stattgefunden hat.

Früh übt sich
Inzwischen hält der 10-jährige Nathanael das Schurgerät in den Händen. Er ist André Meisters Sohn, will ebenfalls Landwirt werden und vor allem Schafscherer. «Früh übt sich, wer ein Meister werden will», sagen die Schafhalter. Der Bub darf einem Lamm auf den Pelz rücken, das deutlich weniger wiegt als die Tiere, die sein Vater geschoren hat. Dennoch hat Nathanael kein leichtes Spiel, denn das Lamm wird zum ersten Mal geschoren und zappelt. Zwar dauert es etwas länger bis der Junge mit dem Lamm fertig geworden ist, aber offensichtlich hat er schon viel von seinem Vater gelernt: Auch dieses Tier geht unbeschadet vom Platz ab ins wohltuende Fussbad.

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Tiergerechte Schafhaltung
Das Tierschutzgesetz schreibt vor, dass Schafe einmal jährlich geschoren werden müssen. Weil Nick Stotzers Schafe sehr viel Wolle produzieren, werden sie zwei Mal im Jahr geschoren. Im Frühling müssen sie von ihrem warmen Fell befreit werden, um die Sommerhitze zu überstehen. Ein weiterer Grund für das Scheren ist der Schmutz, der sich im Fell verfängt und zu Krankheiten führen kann. Nach dem Scheren dauert es nur ein paar Tage, bis die Haut wieder von einer isolierenden, wasserabstossenden Lanolinschicht bedeckt ist. Das sogenannte Wollfett schützt sie vor Sonne, Nässe und Kälte. gy

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Das geschieht mit Wolle und Fell
Im Frühling lässt ein Braunköpfiges Fleischschaf etwa 1,5 Kilogramm Wolle, im Herbst 1,8. Die Körperwolle von Nick Stotzers Schafen wird in der Spycher-Handwerk AG in Huttwil zu edlen Wollprodukten verarbeitet. Aus der Wolle von Kopf und Beinen des Schafes werden Isolationsmaterial oder Dünger hergestellt.

Nach dem Schlachten von Lämmern und Schafen gelangt der nicht als Fleisch verwendbare Anteil in die Firma Centravo in Lyss. Dort werden die Felle gereinigt, gegerbt, in verschiedenen Qualitätsklassen gelagert und schliesslich vermarktet. gy
 

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