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Wahlen Lyss

Er darf nur noch bis Ende Jahr im Parlament mitreden

Die Grünen treten nicht zu den Wahlen an, weil sie zu wenig Kandidierende gefunden haben. Fraktionspräsident Lorenz Eugster schiebt dies auf eine gesellschaftliche Entwicklung.

Lorenz Eugster beim neuen Veloübergang auf der Kirchenfeldstrasse. Bild: Daniel Müller

Sarah Grandjean

Für Lorenz Eugster ist es bitter. Zwölf Jahre lang sass er im Grossen Gemeinderat (GGR) Lyss und kämpfte für grüne Anliegen. Nun muss er aufgrund der Amtszeitbeschränkung aufhören – und niemand will seinen Platz einnehmen. «Wir hatten zwar Leute, die als Listenfüller kandidiert hätten», sagt der Co-Fraktionspräsident. Aber ein starkes Team, das den Wahlkampf an die Hand nehmen wollte, habe gefehlt.

Die Gründe dafür sind nicht neu: Für viele Mitglieder war es der falsche Zeitpunkt, etwa, weil sie eine Familie mit kleinen Kindern haben oder weil es ihnen nebst anderen Engagements schlicht zu viel geworden wäre. Mit diesen Problemen haben auch andere Parteien zu kämpfen. Für Eugster eine bedenkliche Entwicklung: Man müsse sich grundsätzlich fragen, wie es mit der Gemeindepolitik weitergehen solle.

Eine Möglichkeit für die Grünen wäre gewesen, auf einer anderen Liste zu kandidieren. Die Mitglieder der unparteiischen Liste «Grüen hinger de Ohre – eine junge Alternative» hatten mit Eugster Kontakt aufgenommen, doch aus einer Zusammenarbeit ist nichts geworden. «Es ist nicht so, dass wir unsere Kandidierenden nicht hergeben wollten», sagt Eugster. Die Grünen hätten schlicht niemanden gehabt, der auch wirklich gewählt werden wollte. Sonst hätte man sicher auch mit der Fraktionspartnerin SP geschaut.

Ein undankbares Amt

Hätten die Grünen eine Liste zusammenbekommen, hätte sich Eugster vorstellen können, für die Gemeinderatswahlen anzutreten. Doch nun geben die Grünen ihren Sitz kampflos ab.

Wie kommt es, dass die Grünen, die national auf einer Erfolgswelle reiten, in Lyss keine Liste füllen konnten? «In der Bevölkerung haben wir schon Erfolg», relativiert Eugster. Aber eine Meinung zu haben sei das eine. Aktiv zu werden und mit dieser Meinung hinzustehen, auf die Gefahr hin, auch mal anzuecken, etwas ganz anderes.

Die fehlende Bereitschaft, sich einzubringen, ist für Eugster ein generelles Problem. Die Leute seien zwar bereit, sich für kurze Dauer irgendwo zu engagieren. Aber nicht für eine längere Zeit, noch dazu, wenn sie sich mit anderen Ideen und Meinungen auseinandersetzen müssen. Schliesslich hätten sogar Vereine mit Mitgliederschwund zu kämpfen. Dabei sei es dankbarer, sich in Sport- oder Kulturvereinen einzubringen, da komme von den Mitgliedern ein direktes Feedback zurück. Wer sich hingegen politisch engagiere, bekomme eher negative Rückmeldungen zu hören, sofern der Nutzen einer Sache nicht sofort absehbar sei. Ein undankbares Amt, findet er.

Kommt dazu: «Die grünen Anliegen sind im ersten Moment oft nicht solche, die glitzern.» Was glitzere, sei das Sparen. Grüne Anliegen hingegen kosteten häufig. Längerfristig werde man aber nicht daran vorbeikommen. Wird es beispielsweise in der Stadt immer heisser, weil alle Flächen versiegelt sind, sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Leute merken, wie wichtig Grünflächen sind. Auch wenn der Unterhalt von diesen teurer komme als bei einer zubetonierten Fläche.

Verständnis wecken

Und was haben die Lysser Grünen in den letzten zwölf Jahren erreicht? «Man erreicht nicht als einzelne Partei etwas», sagt Eugster. Vielmehr gehe es darum, bei anderen Parteien das Verständnis für die eigenen Anliegen zu wecken. Gelungen sei dies zum Beispiel beim Wasserspielplatz. 2014 haben die Grünen im Zuge der Planung der Hauptverkehrsachsen eine Eingabe gemacht und bemängelt, es fehle in Lyss ein Wasserspielplatz. Die Gemeinde hat geantwortet, es gebe mit der Treppe beim Weissen Kreuz bereits etwas Ähnliches. Dagegen haben sich die Grünen gewehrt, woraufhin die Idee eines Wasserspielplatzes geprüft wurde. Den Mitgliedern der Bauabteilung habe die Idee gefallen, der Gemeinde wegen der Kosten weniger. Trotzdem wurde das Projekt realisiert. «Inzwischen ist der Spielplatz das Highlight von Lyss. Niemand diskutiert mehr darüber, wie viel er gekostet hat.»

Ähnlich war es beim Fussgängerstreifen, der über die Kirchenfeldstrasse zum Schulhaus führt. Erst war dort kein Veloübergang eingeplant, obwohl die Grünen dies bei der Mitwirkung angemerkt hatten. Nachdem sie Einsprache erhoben haben, hat der Kanton die Pläne angepasst. Nun gibt es dort neu eine Velopassage neben dem Fussgängerstreifen, zudem sind die Abbiegespuren gekennzeichnet.

Eugster ist zuversichtlich, dass die Grünen in vier Jahren wieder zu den Wahlen antreten werden. Möglicherweise seien dann Personen zu einer Kandidatur bereit, die es heute noch nicht sind. Und: «Mit den grünen Themen werden sich alle beschäftigen müssen. Vielleicht schneller, als manchen lieb ist.» Eugster selbst hat noch nicht genug von der Politik. Er wird Anfang 2022 bei den Grossratswahlen kandidieren.

Schlecht für die SP

Die Grünen bilden mit der SP eine Fraktion im GGR. Co-Fraktionspräsidentin Katrin Meister schätzt an ihrem Kollegen die unkomplizierte Zusammenarbeit und Verlässlichkeit. «Lorenz Eugster denkt vielschichtig und sucht nach Lösungen. Er setzt sich insbesondere für ökologische Anliegen ein, zum Beispiel gegen die Versiegelung des Bodens.» Auch bei den Finanzen kenne er sich aus. Seine Voten seien pointiert und er sage, was er denke. Dass sie künftig nicht mehr im Parlament vertreten sein werden, sei für die SP bedauerlich, aber nicht matchentscheidend, sagt Meister. Dass sie nicht mal kandidieren, sei jedoch «ziemlich schlecht». Die Frage ist nun: «Wen wählen die grünen Wähler? SP oder GLP?» Die SP sei nach den Grünen die grünste Partei, findet sie. Bei wirtschaftlichen Themen sei die GLP eher liberal als grün. Bei ihnen «kann man nie ganz sicher sein». Ob das die Wählerinnen und Wähler auch so sehen, wird sich am 26. September zeigen.

Stichwörter: Lyss, Wahlen, Politik, Parlament

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