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Urteil

«Er hat nichts ahnende Menschen gefährdet»

Ein Anschlag auf «nichts ahnende Menschen». So nannte das Bundesstrafgericht den vereitelten Bombenanschlag auf die Reitschule. Es verurteilte den angeklagten Seeländer zu vier Jahren Gefängnis.

Nur knapp am Inferno vorbei:Vor neun Jahren platzierte der Täter einen Brandsatz in der Berner Reitschule. Keystone

Cedric Fröhlich

Der Reitschule-Bombenleger kommt für vier Jahre hinter Gitter. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona befand den Angeklagten gestern für schuldig, vor knapp neun Jahren einen Brandanschlag auf die Berner Reitschule durchgeführt zu haben. Das Gericht erachtet es als erwiesen, dass der heute 26-Jährige Seeländer den Brandsatz nicht nur hergestellt, sondern auch «im Alleingang» gelegt hat. Er habe dabei «zufällig ausgewählte, nichts ahnende Menschen» an Leib und Leben gefährdet. Mit seinem Verdikt folgte das Dreiergremium dem Antrag der Bundesstaatsanwaltschaft.

Das Beinaheinferno

Rückblende: Am 4. August 2007 findet in der Berner Reitschule das Antifaschistische Festival statt. In der Grossen Halle läuft das Konzert einer schottischen Punkband. Mehr als tausend Menschen befinden sich zu diesem Zeitpunkt in der Halle. Sie tanzen, feiern – und ahnen nichts von der unmittelbaren Gefahr, die in der Mitte des Raumes tickt: eine selbst gebastelte Brandbombe. Einem Besucher fällt der verdächtige Rucksack auf. Die alarmierten Sicherheitskräfte schaffen das Gepäckstück in buchstäblich letzter Minute ins Freie. Augenblicke später bringt ein Zeitzünder das Benzin-Sprengstoff-Gemisch im Innern des Rucksacks zur Detonation: Die gewaltige Stichflamme setzt einen Nebeneingang des Kulturzentrums in Brand. Brennende Benzinlachen verteilen sich über die nahe gelegene Schützenmattstrasse.

In den Jahren nach diesen Ereignissen schleppten sich die Ermittlungen dahin – Verdächtige gab es lange Zeit keine. Auf den Mann aus dem Seeland wurden die Ermittler schliesslich nur durch Zufall aufmerksam, bei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit einer anderen Straftat. Dabei stellte die Polizei Material für den Bombenbau sicher. Material, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Anschlag auf die Reitschule verwendet wurde. Ein daraufhin veranlasster DNA-Abgleich erhärtete den Verdacht gegen den 26-Jährigen – ebenso seine Einträge in rechtsextremen Foren: Als User «Eidgenosse 88» postete er beispielsweise zum Antifa-Festival in Winterthur: «Da sollte man mal eine Bombe reinwerfen.» Aus Sicht der Justiz genügten die Indizien dennoch nicht für eine Anklage.

«Fünfzig zu fünfzig»

Die Bundesstaatsanwaltschaft wollte das Verfahren gar einstellen, musste es aber, auf Anordnung des Bundesstrafgerichts, wieder aufnehmen. Harte Beweise ergaben sich jedoch auch nach Wiederaufnahme der Ermittlungen nicht. Resultat war ein schwieriger Indizienprozess. Die Gesamtheit dieser Indizien überzeugte das Gericht letztlich aber von der Schuld des 26-Jährigen. Es verurteilte den Mann wegen Gefährdung durch Sprengstoff und giftige Gase in verbrecherischer Absicht sowie versuchter Brandstiftung.

Der Vertreter der Bundesanwaltschaft Martin Stupf zeigte sich zufrieden: «Ein Indizienprozess ist stets eine schwierige Sache», so Stupf. Die Chancen stünden dabei immer fünfzig zu fünfzig: «Wir müssen anklagen, das Gericht im Zweifel für den Angeklagten entscheiden.» Auf die Frage, wieso das Verfahren zunächst eingestellt werden sollte, übte Stupf leise Kritik an den Voruntersuchungen der Berner Behörden: «Es wurde nicht sehr profund gearbeitet.» Man habe Nachermittlungen führen müssen. Erst dabei sei man auf den entscheidenden DNA-Hinweis gestossen.

Erwartet hartes Urteil

Matthias Zurbrügg, Rechtsvertreter des Vereins Musik und Kultur, der im Prozess als Privatklägerin auftrat, gab nach der Urteilsverkündung zu Protokoll, «ein Urteil dieser Art» erwartet zu haben. Die Privatklage des Vereins, welcher das Festival organisiert hatte, wurde vom Gericht zwar abgewiesen (siehe Kasten). Strafrechtlich sei das Gericht allerdings «nicht um eine Verurteilung herumgekommen».

«Mühe» mit dem Urteil hatte der Anwalt des Verurteilten, Beat Luginbühl. Den Schuldspruch könne er nachvollziehen, «die Höhe der Strafe aber nicht». Denn: Die Tat sei fast neun Jahre her, sein Klient damals erst 18 Jahre alt gewesen. Rechtsextremes Gedankengut vertrete dieser nicht mehr. Das sei nicht berücksichtigt worden. «Eine bedingte Strafe wäre angemessener gewesen», so Luginbühl weiter. Der Verurteilte nahm keine Stellung zum Urteil. Ob er das Verdikt an das Bundesgericht weiterzieht, liess sein Anwalt noch offen.

Kommentare

Georges

Was bringt die Berner Reitschule der Allgemeinheit? Kann mich bitte jemand aufklären?


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