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Suberg

Er wollte nie Politiker werden

Der zum Nationalrat gewählte Kilian Baumann ist überzeugt, dass die Grünen die Bauern besser vertreten als die SVP. Jetzt fordert der 38-jährige Biobauer aus Suberg, dass auch die Landwirtschaft den Kampf gegen den Klimawandel mitträgt.

«Als Grossrat musste ich bisher eher darum kämpfen, bei den Medien Gehör zu finden», sagt Kilian Baumann. Matthias Käser
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Interview: Carmen Stalder

Kilian Baumann, ab wann haben Sie sich am Sonntag gedacht: Doch, jetzt könnte es klappen mit der Wahl?
Kilian Baumann: Ich habe eigentlich erst daran geglaubt, als die Resultate um 20.30 Uhr heruntergelesen worden sind. Es war ständig eine gewisse Unsicherheit da, ich hätte auch nicht geglaubt, dass wir zwei zusätzliche Sitze machen. Darum habe ich bis am Schluss gebibbert.

Was war danach Ihr erster Gedanke?
Ich war überwältigt. Wir standen im Rathaus und von überall her waren die Kameras auf uns gerichtet. Ich hatte anschliessend eine ganze Reihe von Journalisten um mich, die ein Interview mit mir machen wollten. Das hat dann doch eine gewisse Anspannung ausgelöst. Als Grossrat musste ich bisher eher darum kämpfen, bei den Medien Gehör zu finden.

Was glauben Sie, hat Ihnen zumErfolg verholfen?
Profitieren konnte ich sicher von meinem Beruf als Biobauer. Ich hoffe aber auch, dass meine politische Arbeit der letzten Jahre dazu beigetragen hat. Hier im Seeland, wo man mich kennt, habe ich ja ein wahnsinnig gutes Resultat gemacht.

Auf dem Land wird grundsätzlich eher bürgerlich gewählt. Warum hat der grüne Kurs nun auch hier funktioniert?
Ich warte schon lange darauf, dass das endlich eintrifft! Wie Bäuerinnen und Bauern von Rechtspopulisten für Wahlkämpfe missbraucht worden sind, empört mich schon lange. Die Grünen vertreten eigentlich die Landwirtschaft und ländliche Regionen viel mehr, als das etwa die SVP macht, die sich in erster Linie für die Superreichen einsetzt. SVPler wie der Autoimporteur Walter Frey oder auch Blocher haben kein grosses Interesse daran, sich für einen abgelegenen Kleinbauern einzusetzen.

Und diese Erkenntnis ist nun auch auf dem Land angekommen?
Noch lange nicht bei allen. In ländlichen Regionen wie dem Seeland ist die SVP immer noch wahnsinnig stark. Aber einzelne haben gemerkt, dass die Partei nicht die Bauernvertretung Nummer eins ist. Ein deutliches Zeichen für diese Erkenntnis ist auch, dass im Kanton Bern, der ja ein Agrarkanton ist, zu den beiden Bisherigen aus der Stadt zwei neue Grüne gewählt worden sind, die beide Landwirtschaftsvertreter sind.

Welches ist Ihr derzeit wichtigstes Anliegen als Biobauer?
Hauptthema ist die Klimadiskussion. Auch in der Landwirtschaft müssen wir versuchen, den CO2-Ausstoss zu senken. Zudem setze ich mich für eine nachhaltigere und tiergerechtere Lebensmittelproduktion ein. Letztes Jahr habe ich etwa engagiert für die Fair-Food-Initiative gekämpft. Die schweizerische Landwirtschaft hätte sehr davon profitiert, wenn diese Initiative angenommen worden wäre.

Können Sie bei Ihren Anliegen auf die Unterstützung anderer Landwirte zählen oder herrscht Ihnen als Biobauer gegenüber eher Skepsis?
Es gibt beides, von der vollen Ablehnung bis zu Bauern, die den genau gleichen Kurs verfolgen. Leider haben diese in den Medien bisher zu wenig Gehör gefunden. Wenn man einen Bauern befragen wollte, hat man sich einfach die rechte Seite angehört.

Was fordern Sie konkret, um den Klimawandel zu stoppen?
Einen ganzen Strauss von Massnahmen. Von allen CO2-Verursachern ist der Verkehr der grösste Baustein. Wir müssen weg vom Verbrennungs- hin zumElektromotor. Wir müssen die Mobilität verändern, den Individualverkehr reduzieren und mehr auf öffentlichen Verkehr setzen. Wir müssen dichter bauen, damit man nicht mehr so weit pendeln muss. Im Gebäudebereich müssen wir vom Heizöl wegkommen und auf Sonnen- und Holzenergie umsteigen. Davon würde auch die Schweiz profitieren, denn wenn wir Öl einkaufen, schicken wir Millionen von Franken ins Ausland. Wir müssen Gebäude besser isolieren, dafür habe ich mich auf kantonaler Ebene engagiert. Populistische Politiker haben stets behauptet, die Grünen würden einfach das Benzin teurer machen. Es ist jedoch nicht so schwarz-weiss, sondern eine grosse Aufgabe, die wir gemeinsam mit den anderen Parteien angehen müssen.

Die Erwartungen an die Grünen sind sehr gross. Was löst dieser Druck bei Ihnen aus?
Wir werden unsere Politik einfach fortsetzen. Die Frage ist, ob die anderen Parteien ihre Versprechen halten, die sie im Wahlkampf gemacht haben. An jedem Podium haben mir alle – mit Ausnahme der SVP – gesagt, dass sie ebenfalls für Klimaschutzmassnahmen sind und man da etwas machen müsse. Ich hoffe, dass sie ihr Wort halten und sie bereit sind, Massnahmen zuzustimmen, sobald es konkret wird.

Sie treten in die Fussstapfen Ihrer Eltern Ruedi und Stephanie Baumann, die in den 90er-Jahren als erstes Ehepaar im Nationalrat bekannt geworden sind. Ist Ihnen das Politisieren in die Wiege gelegt worden?
Eigentlich hatte ich nie vor, Politiker zu werden (lacht). Aber ich war bereits als Jugendlicher ein Polit-Aktivist. Ich habe einen Umweltschutzverband gegründet und mich für Umwelt und Tiere eingesetzt. Lange Zeit war ich vor allem im Hintergrund aktiv.

Was hat Sie dann dazu bewogen, für ein politisches Amt zu kandidieren?
Ich bin ein politischer Mensch, das habe ich vielleicht schon von meinen Eltern geerbt. Ich empöre mich, wenn ich die Zeitung lese und Sachen sehe, bei denen ich das Gefühl habe, das läuft ganz in die falsche Richtung. Wenn mich etwas stört, mache ich es öffentlich kund und wehre mich dagegen. Dadurch bin ich wahrscheinlich 2014 in den Grossrat gewählt worden.

Wie haben Ihre Eltern auf Ihren Wahlsieg vom Sonntag reagiert?
Sie hatten grosse Freude, sie verfolgen das jeweils sehr stark mit. Da sie in Frankreich leben, stand ich bisher allerdings erst per Mail mit ihnen in Kontakt. Sie wissen natürlich auch, was jetzt alles auf mich zukommt. Ich habe drei kleine Kinder, meine Partnerin arbeitet auswärts als Lehrerin, dazu habe ich den Betrieb, den ich alleine führe. Eine grosse Herausforderung, die es zu meistern gilt.

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