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Worben

Er wurde für einen Polizeihund gehalten

Karin Marti aus Worben hat mit ihrem Schäferhund Gerry die Ausbildung zum Sozial- und Therapiehund absolviert.
Sie will den Menschen zeigen, dass Hunde mit der richtigen Erziehung alles erreichen können.

Karin Marti trainierte sehr hart mit Gerry. Heute hat sie eine ganz neue Bindung zu ihm. Bild: Mattia Coda

Aufgezeichnet: 
Stephanie Matti

Für die Ausbildung entschied ich mich, als der Mann meiner Freundin an Magenkrebs erkrankte. Früher besass er einen Hund, der ihm sehr fehlte. Deshalb besuchte ich ihn oft mit meinem Gerry. Mir fiel auf, dass der Hund dem kranken Mann Freude bereitete. Auch meinem Schäfer schienen die Besuche zu gefallen und er ging sehr geduldig mit dem Mann um.

Da ich im Gesundheitswesen arbeite und gerne anderen Menschen helfe, entschied ich mit Gerry an die Aufnahmeprüfung zum Sozial- und Therapiehund zu gehen. Ein anderer Grund, wieso ich die Ausbildung absolvieren wollte, war, dass Deutsche Schäferhunde als potenziell gefährliche Rasse bekannt sind. Ich wollte den Menschen zeigen: Wenn mit einem Schäferhund gearbeitet wird, kann auch diese Rasse im Sozialwesen eingesetzt werden.

Wenn ich nicht gerade mit Gerry arbeite, gehe ich gerne mit meinen zwei Pferden ausreiten. Ich habe die beiden Tiere selber beritten und starte an Turnieren in der Kategorie Dressur. In meiner Freizeit halte ich mich gerne in der Natur auf und gehe gerne mit meinem Mann und meiner 19-jährigen Tochter auf Wanderungen. Einmal im Jahr fahre ich mit meinem Pferd in den Jura für einen kurzen Urlaub. Es tut gut, sich zwischendurch in einem anderen Umfeld aufzuhalten und Energie zu tanken.

Ich helfe gerne anderen Menschen, deshalb liebe ich auch meinen Beruf. Auf dem Hausarzt-Notfall gefällt mir, dass man nicht weiss, was als nächstes geschieht und man immer sehr achtsam und konzentriert sein muss.

Am Tag der Aufnahmeprüfung erschien ich an der Blindenhundeschule in Allschwil. Mein Schäferhund zog inmitten der typischen Hunderassen für eine soziale Ausbildung, beispielsweise Labradore oder Kleinhunde, alle Aufmerksamkeit auf sich. Ich wurde gefragt, ob ich nicht im falschen Kurs sei, ob ich nicht lieber zur Polizei wolle. Ich verneinte und wir absolvierten die Prüfung mit Erfolg. Dabei wurden die Hunde in verschiedenen Situationen herausgefordert. Sozial- und Therapiehunde müssen sehr gut gehorchen. Um mit Kindern, alten oder behinderten Menschen zu arbeiten, müssen sie ein ruhiges Wesen und einen guten Charakter haben.

Ich konnte Gerry erst mit 16 Wochen übernehmen, weil er für die Zucht und Schutzhundeausbildung vorgesehen war. Der kräftige kleine Kerl war am Anfang gar nicht einfach und zum Glück unterstützte mich Erika Howald von der Hundeschule Rüti tatkräftig und intensiv. Seit vier Jahren besuche ich wöchentlich die abwechslungsreichen Trainings. Wir üben mit den Hunden Gehorsam in Alltagssituationen. Ich habe Erika Howald sehr viel zu verdanken und Dank ihr hatten Gerry und ich eine gute Vorbereitung für die bevorstehende Ausbildung.

Während der Ausbildung lernte ich mit Gerry wie wir mit alten Personen, Behinderten aber auch mit Kindern umgehen müssen. Zu Beginn übten wir dies mit Rollenspielen. Jemand aus unserer Gruppe verkleidete sich beispielsweise als alter Mann, der halbseitige gelähmt ist. Wir lernten, wie wir mit dem Mann spazieren gehen können, wie wir uns verhalten und wie wir neben ihm stehen müssen. Der Hund darf dabei nicht an der Leine ziehen, er darf sich nicht ablenken lassen und muss sich auf die beeinträchtigte Person konzentrieren.

Die Rollenspiele wurden an jedem Kurstag schwieriger und forderten uns immer mehr. Als wir durch das Training schon eine gewisse Erfahrung hatten, begannen wir in Heime zu gehen und mussten das geübte Verhalten anwenden. Nach den Besuchen bekamen wir immer eine Rückmeldung, was wir das nächste Mal besser machen können.

Am Ende der neun Monate gab es eine Abschlussprüfung. Es gab einen theoretischen Test, den ich ausfüllen musste und einen praktischen Parcours. Gerry und ich mussten beispielsweise mit einer Person im Rollstuhl verschiedene Aufgaben absolvieren. Meine harte Arbeit mit dem Schäferhund zahlte sich aus und wir bestanden die Prüfung.

Ich kann diese Ausbildung anderen Hundebesitzern nur empfehlen. Seither habe ich eine völlig neue Bindung zu meinem Hund. Da ich schon lange im Gesundheitswesen arbeite und mit diesem Umfeld vertraut bin, habe ich nicht gedacht, dass mich die Ausbildung derart fordern würde.

Einmal im Monat besuche ich mit Gerry das Seelandheim Worben. Die Bewohnerinnen und Bewohner können mit dem Schäfer spielen, ihn streicheln und umarmen. Für mich ist es sehr schön, zu sehen, wie die Besuche d en Seniorinnen und Senioren Freude machen. Sie lachen und erzählen mir von ihren Erlebnissen mit Hunden. Die Pflegerinnen sagen, dass die alten Menschen oft von Gerry sprechen und sich auf seinen nächsten Besuch freuen.

Während der Zeit des Coronavirus darf ich das Seelandheim nicht besuchen. Viele der alten Menschen fragen, wann wir wiederkommen. Ich hoffe bald. Für Hunde sind solche Besuche sehr anstrengend. Sobald wir zuhause ankommen, schläft Gerry ein. Ich besuche auch Schulen, um den Kindern zu zeigen, wie mit Hunden umgegangen werden muss. Auch Familien mit einem autistischen Kind fragen mich manchmal an, ob ein Therapiehund ihrem Kind guttun würde. Bis ich wieder in das Seelandheim zu Besuch gehen kann, trainiere ich mit Gerry in meinem Garten. Wir üben das, was wir in der Ausbildung gelernt haben und halten uns so fit.

Mein Ziel ist es, mich mit Gerry weiterzubilden. Der Bereich der palliativen Medizin interessiert mich sehr, da manche Menschen in dieser Situation den Wunsch haben einen Hund zu sehen. Und natürlich will ich den Menschen zeigen: Wenn mit einem Hund intensiv gearbeitet wird, kann er sehr viel erreichen, egal welcher Rasse er angehört.

Stichwörter: Hunde, Therapie, Krankheit

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