Sie sind hier

Abo

Brügg

Es bleibt eine immense Trauer

Der Tod einer Drittklässlerin hat die Primarschule Brügg erschüttert. Schulleiter Michael Rosin spricht vom «Schlimmsten, das einer Schule passieren kann». Schwimmausflüge gibt es vorerst keine mehr, und auch der Schwimmunterricht wird angepasst.

Persönliche Nachrichten sind in einem Fenster der Primarschule am Kanal aufgehängt. Carmen Stalder
von Carmen Stalder
 
Plüschtiere, Kerzen, Zeichnungen und Briefe erinnern beim Primarschulhaus am Nidau-Büren-Kanal in Brügg an das achtjährige Mädchen, das vor zwei Wochen nach einem Badeunfall im Bieler Kongresshaus verstorben ist (das BT berichtete). «Ich werde dich als fröhliche und aufgeweckte Schülerin in lieber Erinnerung behalten», hat eine Lehrerin geschrieben. Daneben hat eine Klassenkameradin auf einem roten Papierherz notiert: «Liebe Daniella, ich wünsche dir viele Blumen auf dem Grab.»
 
Die Schule selbst ist verwaist, am letzten Wochenende haben die dreiwöchigen Herbstferien begonnen. Doch schon jetzt ist klar: Wenn die Kinder und Lehrpersonen am 18. Oktober in die Schule zurückkehren, wird nichts mehr sein wie vorher. Die Trauer und der Schock seien riesengross, sagt Schulleiter Michael Rosin. «Das ist das Schlimmste, was einer Schule passieren kann.» So etwas sei in Brügg noch nie passiert. «Ich muss pausenlos an die Familie denken», so Rosin. Gemeinsam mit dem Gemeindepräsidenten Marc Meichtry habe er der Beerdigung beigewohnt – ein Erlebnis, das er nicht so schnell werde abschütteln können.
 
Unklares Geschehen
 
Bislang ist unklar, wie es genau zum Unfall im Bieler Hallenbad gekommen ist. Vincent Donzé, Journalist bei «Le Matin», hat die Eltern des Mädchens in ihrem Zuhause besucht, einem Mehrfamilienhaus in Brügg. In seinem Artikel wiedergibt der Autor die Aussage des Vaters, wonach dieser zwei Tage vor dem Ausflug die Schule kontaktiert habe, um sie darüber zu informieren, dass Daniella nicht schwimmen könne. Gemäss «Le Matin» hat das Mädchen zudem im Schwimmbad die Hand gehoben, als die Lehrerin nach ihren Schwimmkenntnissen fragte.
 
Auch zwei Wochen nach der Tragödie wüssten die Eltern jedoch nichts über das weitere Geschehen, heisst es im Artikel. Rosin kann sich ebenfalls nicht zum konkreten Unfallhergang äussern. Die Kantonspolizei hat unter der Leitung der regionalen Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland Ermittlungen zur Ursache des Unfalls aufgenommen.
 
Klar ist, dass die Kantonspolizei Bern an jenem Donnerstag kurz vor 14.55 Uhr die Meldung erhielt, dass sich im Hallenbad des Kongresshauses in Biel ein Unfall ereignet hat. Der Polizei wurde gemeldet, dass ein Mädchen regungslos im Wasser gesichtet wurde. Anwesende Personen und der Bademeister haben das bewusstlose Kind laut Polizeimitteilung umgehend aus dem Wasser geborgen und versucht zu reanimieren. Gemäss «Le Matin» kam dabei auch ein Defibrillator zum Einsatz. Ein Ambulanzteam setzte die Sofortmassnahmen fort. Anschliessend wurde die Drittklässlerin von einem Helikopter der Rega ins Spital geflogen. Trotz der raschen Hilfeleistungen verstarb sie am nächsten Tag im Spital.
 
Einschneidender Vorfall
 
In der letzten Schulwoche vor den Herbstferien sind die Lehrkräfte an der Primarschule Brügg von Psychologinnen und Psychologen der Erziehungsberatung Biel-Seeland betreut worden. «Sie konnten uns vor Ort beraten, wie wir in dieser schwierigen Situation am besten vorgehen sollen», sagt der Schulleiter. Es habe sich herausgestellt, dass es für die Kinder am besten sei, einen möglichst normalen Unterricht durchzuführen. Dies vermittle eine gewisse Stabilität. Rosin geht davon aus, dass die Schülerinnen und Schüler das Geschehene auf eine andere Weise verarbeiten als die Erwachsenen. Für die Lehrkräfte – auch diejenigen, die nicht beim Unglück dabei waren – sei der Vorfall einschneidend. «Sie fragen sich: Hätte mir das auch passieren können?»
 
Die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) empfiehlt, dass eine Aufsichtsperson mit Pool-Brevet in einem beaufsichtigten Bad höchstens 16 Kinder betreut. Dies gelte jedoch nur unter optimalen Bedingungen. Laut Rosin gilt in Brügg die Regel, dass nur 12 Kinder pro Aufsichtsperson ins Wasser dürfen. Alle Lehrkräfte, die Schwimmunterricht erteilen und Badi-Ausflüge begleiten, verfügten über ein SLRG-Brevet und würden ihr Wissen in regelmässigen Wiederholungskursen auffrischen. Dort würden auch klare Regeln zu Verhaltensweisen während Schwimmkursen und Badi-Ausflügen vermittelt. So dürfe ein Kind beispielsweise nicht auf die Toilette gehen, ohne der Lehrperson vorher Bescheid zu geben.
 
Beim Ausflug ins Hallenbad wurde die Lehrerin von einer Mutter und einem angehenden Lehrer begleitet. Rosin kündet an, dass beim Schwimmunterricht künftig zusätzliche Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit getroffen werden. «Es ist klar, dass wir die Zahl der Begleitpersonen bei den wöchentlichen Schwimmkursen erhöhen», versichert der Schulleiter. Die Unsicherheit bei den Eltern sei derzeit verständlicherweise gross. Eine 100-prozentige Sicherheit könne man zwar nie garantieren. Aber: «Je weniger Kinder die Aufsichtsperson betreuen muss, desto besser kann sie den Überblick behalten.»
 
Keine Antworten
 
Doch wie lauten die Regeln für Schulklassen im Hallenbad im Kongresshaus, das von der Congrès, Tourisme et Sport SA (CTS) betrieben wird? Müssen Schulen während des Schwimmunterrichts selbst dafür sorgen, dass die Kinder beaufsichtigt werden? Oder erhalten sie dabei Unterstützung von den Bademeisterinnen? Werden die Aufsichtsmassnahmen nun verschärft? Auf all diese Fragen will Geschäftsführerin Annette Douillet keine Antworten geben. «Mit Blick auf die laufenden Untersuchungen sehen wir von einer Stellungnahme ab», schreibt sie.
 
Der Schwimmunterricht, den die Primarschule Brügg jeweils im Bad in Orpund durchführt, soll nach den Herbstferien wieder aufgenommen werden. Ausflüge in Badis oder Hallenbäder wie das Kongresshaus dagegen will Rosin vorerst stoppen. Zuerst müsse man die Situation gründlich untersuchen und die bisherigen Abläufe überdenken. «Auch wenn das die Katastrophe nicht wieder gut macht – wir müssen alles daran setzen, dass sich so etwas nie mehr wiederholt.»

Nachrichten zu Seeland »