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Design

«Es gibt Luft nach oben»

Die Etikette eines Weins ist sein Gesicht – sie animiert die Kunden zum Kauf. Werbefachmann Gabriel Peisker hat die Etiketten der Bielerseewinzer unter die Lupe genommen. Er sieht noch Potenzial.

Designer mit kritischem Auge: Längst nicht alle Etiketten in der Twanner Vinothek überzeugen Gabriel Peisker.c:Patrick Weyeneth/Bieler Tagblatt

Fabian Maienfisch

Wie den richtigen Wein kaufen, wenn Mann oder Frau nicht viel vom gegorenen Traubensaft versteht? Klar, der Preis ist ein Argument, die Herkunft vielleicht. Ins Auge sticht indes sofort die Etikette – sie ist das Gesicht des Weins, die Visitenkarte des Winzers. Sie gibt dem Kunden einen ersten Hinweis auf das, was ihn in der Flasche erwarten könnte. Kurz: Etiketten helfen verkaufen. Also sollte sich eine Etikette unverkennbar von den anderen abheben. Umso wichtiger ist ein professionelles Produkt- und Markendesign.
Am Bielersee gibt es rund 80 Winzer, die um Kunden buhlen. Alle haben sie für ihre Produkte individuelle Etiketten kreiert. Oder kreieren lassen. Vieles ist schon ganz gut, nur sehr weniges sehr gut. Und einiges ziemlich schlecht. Das zumindest sagt der Fachmann. Das BT hat zusammen mit Gabriel Peisker, Mitbegründer und Creative Director der Werbeagentur Erdmannpeisker in Biel, in der Twanner Vinothek einen Augenschein genommen. Im Pfropfhüsli präsentieren aktuell 71 Bielerseewinzer knapp 300 verschiedene Weine.

Über den Tellerrand vergleichen
Wein nach der Etikette kaufen, das kenne er aus eigener Erfahrung, sagt Gabriel Peisker. «Ich freue mich immer, wenn mir ein Wein schmeckt und dazu noch gut aussieht.» Dabei hält er fest, dass man für jeden Geschmack ein gutes Design machen könne. Das sei wichtig, weil «der erste Eindruck zählt». Grundsätzlich hält Peisker fest: Der Winzer gebe sich bei der Weinherstellung viel Mühe, arbeite professionell, aber lasse die Etikette von einem Laien herstellen. «Das ist inkonsequent.» Wer beim Produkt professionell arbeite, sollte dies auch im Marketing tun, glaubt er. Wer dies nicht tue, verkaufe seinen Wein unter Wert.
Massgebend ist für Peisker der internationale Designermarkt. «Um Erfolg zu haben, muss man sich über die Landesgrenzen hinaus orientieren. Auch wenn man nicht international tätig ist», so der Designer, der Werbung für Marken wie Smart, Mammut oder Rivella macht. Mutige Etiketten sichtet er etwa in der neuen Welt, wie in den USA, Australien oder Argentinien. Aber auch in Österreich und Italien passiere viel. «Man darf den Vergleich nicht scheuen», ist der Bieler überzeugt.

Das Einmaleins des Werbers
Und was sagt der Fachmann zu den Etiketten in der Region? «Vieles ist nicht schlecht. Aber nur wenige versuchen auszubrechen. Zuviel am See gleicht sich.» Interessant findet Peisker das Design von Olivier und Alexandra Perrot aus Twann (siehe Zweittexte) oder von Winzer Jean-Daniel Giauque aus Neuenstadt: klares, schlichtes und zurückhaltendes Design.
Weniger gut sei der Versuch, zu stark zu reduzieren, wie über ganz kleine Etiketten oder versteckte Schrift. «Das ist zu simpel.» Überholt seien weiter Etiketten, bei denen mit Goldprägung auf edel gemacht werde. Mit goldenen Schriften oder Zierelementen hochwertig erscheinen zu wollen, wirke in den meisten Fällen nur altbacken oder kitschig, urteilt Peisker. Auch Fotos oder Bilder wirkten auf Flaschen selten gut und irgendwie deplatziert. «Schlechte Kopien von berühmten Künstlern wie Toulouse-Lautrec – oder wenn es moderner sein soll, Warhol – sehen dann ganz einfach billig aus.» Besser suche man sich das Original: einen jungen, bezahlbaren Künstler, der zur Haltung und der Vision des Winzers passe und dies mutig und differenziert zum Ausdruck bringe.
Peiskers Fazit: «Es gibt Luft nach oben.» Viele Etiketten entsprächen den gängigen Vorstellungen, wie ein sauber und professionell gestalteter Auftritt auszusehen habe. Aber genau dadurch würden Ecken und Kanten abgefeilt. «Die Etiketten überraschen nicht und stechen nicht mehr aus der Masse heraus.» Etwas mehr Leidenschaft in der Gestaltung der Etiketten sei wünschenswert und durchaus möglich.

Der Klassische
«Eine gut designte Etikette muss nicht zwingend modern daher kommen», sagt Gabriel Peisker. Aber sie müsse authentisch wirken und selbstverständlich mit dem Inhalt übereinstimmen. Was nicht gehe ist, wenn das Etikett einen traditionell hergestellten, klassisch vinifizierten Wein suggeriere, sich im Glas aber ein völlig atypischer Wein befinde. Geschätzt ein Viertel der Bielerseewinzer verwenden für ihre Produkte ein Design, das vom Stil her an vergangene Tage erinnert: Ritter, Burgen, patriotische Symbole wie Fahnen prägen das Bild. Dem Werber gefällt beispielsweise die klassische Etikette von Markus Hirt aus Ligerz: «Diese Etikette verspricht mir einen Wein mit sehr viel Tradition.» Zudem steche das Etikett aus der Masse heraus, wirke aber nicht überladen. «Es ist Charakter spürbar.»

Der Moderne
Grosses Etikett, schlichter, zurückhaltend verspielter Schriftzug, dominante Farbgebung: So sehen die Etiketten von Olivier und Alexandra Perrot aus Twann aus. «Diese Flaschen fallen sofort auf», betont Peisker. Auf den ersten Blick erkenne er hier eine professionelle Kommunikation und eine Botschaft: Unverwechselbarkeit, Individualität. Dieses Design habe das Potenzial, sich dem Kunden einzuprägen. «Das ist mutig», so der Bieler. Dieser Auftritt zeige Ecken und Kanten, sei nicht «abgefeilt und abgerundet» wie andere moderne Etiketten. Auch hier: Charakter sei spürbar. Zudem sei Herstellung und Druck sehr gut – professionelle Arbeit eben. «Die Perrots sind nicht auf halbem Weg stehen geblieben. Das Konzept ist durchdacht und von A bis Z professionell umgesetzt.»

Die klare Linie
Eine durchgehende Linie mit einem hohen Wiedererkennungswert fährt beispielsweise Winzer Fabian Teutsch aus Schafis bei seinen Weinen. Die Etiketten seiner Flaschen weisen dieselbe Gestaltung auf, einzig durch die Farbgebung lässt sich der Inhalt optisch unterscheiden. «Hier steckt ein professionelles Marketing dahinter. Das ist ein starker, sauberer Auftritt», sagt Peisker. Einzig: Das Sujet dürfte etwas mehr Ecken und Kanten haben, so der Werbefachmann. «Mir fehlt etwas der Mut zum Ausbrechen.» Eine einheitliche Linie darf laut Peisker aber auch unterbrochen werden. Tatsächlich gibt es Winzer, die mit dem Design spielen. Sie durchbrechen ihre moderne Linie mit einem Etikett im klassisch-traditionellen Stil. Meist handelt es sich dann um einen besonderen Wein.

Kommentare

beckustator

Finde ich aller sehr schön, aber letztendlich gilt nach wie vor: wenn der Wein schmeckt, ist das Etikett so was von egal. Und da kann jeder Graphiker noch schreien, es sieht nicht gut aus, das ist letztendlich quatsch! Was der Herr Preisker meint, eignet sich schon mal ganz und gar nicht mit der Bielerseeregion. Er hat Ansichten die für den Supermarkt und für grosse Distributoren absolut geeignet sind. Der Wiedererkennungswert liegt IN der Flasche, nicht DARAUF!


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