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Beatrice Simon

Favoritin landet abgeschlagen 
auf dem vierten Platz

Die Finanzdirektorin Beatrice Simon wollte den Sitz der BDP im Stöckli verteidigen und ging dabei mit sehr guten Chancen ins Rennen. Für die Seeländerin war gestern aber kein Glückstag.

Copyright: Anne-Camille Vaucher / Bieler Tagblatt
  • Dossier

Deborah Balmer

Die Seedorferin Beatrice Simon (BDP) ist im Vorfeld der Ständetratswahlen stets als jemand mit sehr guten Chancen gehandelt worden. Man traute der Finanzdirektorin des Kanton Bern zu, dass sie den BDP-Sitz von Bernhard Luginbühl im Stöckli relativ lockert verteidigt – auch, wenn es immer hiess, es werde höchstwahrscheinlich zu einem zweiten Wahlgang kommen.

Doch gestern war nicht der Tag von Beatrice Simon, die an allen Regierungsratswahlen stets Spitzenresultate erzielt hatte. Simon erreichte gestern mit 82 283 Wählerstimmen nur den vierten Platz, abgeschlagen hinter dem SVP-Kantonalpräsidenten Werner Salzmann, der überraschend 119 630 Stimmen erreichte. Auf Platz zwei und eins befand sich das rot-grüne Duo Regula Rytz (Grüne) und der Bisherige Hans Stöckli (SP).

Etwas überraschend war, als sich gestern Nachmittag zeigte, dass Beatrice Simon in ihrem eigenen Wohnort Seedorf stimmenmässig hinter dem Konkurrenten Werner Salzmann liegt: Salzmann kam in der Seeländer Gemeinde auf 598 Stimmen, Simon erzielte 506 – 2058 Wählerinnen und Wähler hatten einen gültigen Wahlzettel eingeworfen. Ist Beatrice Simon so beliebt als Finanzdirektorin, dass man ihr die Stimme für den Ständerat nicht gab? Hat die Politikerin plötzlich an Beliebtheit eingebüsst? Im Rathaus wurden erste Mutmassungen angestellt.

 

BDP-Sitzverlust zeichnete sich ab

Dies, auch aus folgendem Grund: Lange bevor gestern um 18.15 Uhr im Berner Rathaus die definitiven Ständeratsresultate verkündet wurden, zeigten erste Hochrechnungen, dass es für Beatrice Simons Partei, die BDP, im Nationalrat nicht gut aussieht: Sie dürfte im Kanton Bern einen von drei Sitzen verlieren, war zu lesen. Irgendwann tauchte der bisherige BDP-Nationalrat Heinz Siegenthaler aus Rüti im Rathaus auf und wirkte etwas verhalten: Nicht nur, dass er einmal mehr um seinen eigenen Sitz im Nationalrat zittern musste, er sagte auch voraus, dass die erste BDP-Präsidentin des Kantons Bern, Beatrice Simon, wohl nicht so glücklich sein werde über ihr Abschneiden.

Doch sagt das Verlieren der BDP tatsächlich etwas über Beatrice Simon aus, die immer wieder als Lokomotive für ihre Partei bezeichnet wurde? Die von sich sagte, dass sie mit einem guten Rucksack für den Ständerat ausgerüstet ist? Auch Bernhard Luginbühl sei bei den Ständeratswahlen mindestens einmal zu Beginn der Auszählungen hinten gelegen, am Ende habe es ihm aber doch noch gereicht. Das hörte man gestern von Seiten der BDP, man wollte sich wohl noch etwas Hoffnung machen. Doch nach neun ausgezählten Wahlkreisen lag Beatrice Simon noch immer nur auf dem vierten Platz. Jetzt fehlte noch der Wahlkreis Bern-Mittelland.

Plötzlich ist die Aufregung gross. Ein Pulk von Journalisten, Fotografen, Kameraleuten drängt zusammen, hält Mikrofone und Kameras hoch. In der Mitte steht Beatrice Simon, die nun, kurz vor der Resultatverkündung ins Rathaus gekommen ist. Beatrice Simon zieht den Mantel aus, grüsst und lacht freundlich wie immer. Doch ist es vielleicht etwas aufgesetzter als sonst? Wegbegleiter, Parteikollegen und Freunde umarmen sie. Man weiss nicht so recht, ob es vielleicht etwas damit zu tun hat, weil man ihr bereits Trost zusprechen möchte. Denn das mit dem Einzug ins Stöckli scheint nun doch nicht so einfach zu klappen.

Um 18.15 Uhr verkündet Staatsschreiber Christoph Auer das Schlussresultat: Beatrice Simon muss mit dem vierten Rang leben, sie hat deutlich weniger Stimmen geholt als bei ihren eigenen Regierungsratswahlen.

 

Je nach Sichtweise: Gutes Ergebnis

Wird sie sich nun zurückziehen? Oder rechnet sie sich Chancen aus, und sie tritt beim zweiten Wahlgang noch einmal an? Was sagt sie zu ihrem schlechten Resultat? Simon wird nun erst recht mit Fragen bombardiert. Ob sie noch einmal antritt, werde sie nach gründlicher Analyse mit der Partei am Dienstagmittag bekannt geben. Es seien halt unter den 15 Ständeratskandidatinnen und Kandidaten sehr viele gute Kandidierende gewesen. Und: «Ich bin nicht allzu stark enttäuscht», sagte sie, um dann Vermutungen anzustellen, was ihr vielleicht geschadet haben könnte: Als Favoritin gehandelt zu werden, könnte dazu geführt haben, dass einige dachten: «Sie ist doch sowieso gewählt und braucht meine Stimme nicht.»

Diese Einschätzung teilt auch der BDP-Kantonalpräsident Jan Gnägi. «Ständig Favoritin zu sein, ist nicht nur nützlich.» Gnägi relativiert das gestrige Ständeratsresultat aber gleichzeitig: Wenn man es mit dem Wähleranteil der BDP im Kanton Bern vergleiche, sei es doch sogar ein sehr gutes Ergebnis. Gnägi ging gestern bereits davon aus, dass Beatrice Simon wahrscheinlich noch einmal antreten wird.

Die einstige Favoritin, die den gestrigen Tag vor dem Besuch im Rathaus mit ihrer Familie verbracht hatte, konnte dann aber doch noch einen Erfolg erzielen: Den Einzug in den Nationalrat ist ihr nämlich gelungen. Mit dem besten Resultat der BDP – 52 612 Stimmen holte sie hier.

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