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Vinelz

Ferien machen im Taunerhaus

Das 1850 erbaute Kleinbauernhaus in Vinelz bildet mit seinen Nachbarhäusern und der mittelalterlichen Kirche ein in sich geschlossenes Ortsbild. Seit dem Wochenende können im Baudenkmal bis zu sechs Feriengäste Berner Baukultur erleben.

Lob von allen Seiten: Der Umbau des Taunerhauses überzeugt. Bild: zvg

Nandita Boger

«Wer noch nie in Vinelz war, hat wahrscheinlich auch noch nie etwas von dem Dorf gehört», sagt der Stiftungsratspräsident der Stiftung Ferien im Baudenkmal, Beat Schwabe, bei der Eröffnungszeremonie des neuen Ferienhauses vor den geladenen Gästen in Vinelz.

Allerdings dürfte dieser Kreis der Menschen, die Vinelz kennen, grösser sein, als er vermutet. Das Dorf ist bereits heute so etwas wie eine Tourismusdestination am Bielersee, dank der drei Campingplätze und dem Hotel Strand. Nun wird es um eine bedeutende Attraktion reicher. Ab sofort können Gäste im Taunerhaus Ferien machen und dabei Baukultur erleben.

Kurz vor dem Abbruch

Der Name Taunerhaus leitet sich von den ehemaligen Bewohnern, den Taunern, ab. Der Name Tauner wiederum geht auf das mittelhochdeutsche Wort für Taglohn zurück. Bis ins 19. Jahrhundert waren Tauner Kleinbauern, deren Landwirtschaftsbetrieb nicht genug Fläche umfasste, um ihr Auskommen zu sichern. Obwohl sie gleichberechtigte Mitglieder der Dorfgemeinschaft waren, mussten sie zusätzlich bei Grossbauern oder dem Klerus im Taglohn arbeiten. Ihre Häuser waren kleiner als die normalen Bauernhäuser und sehr einfach gebaut, oft aus wiederverwerteten Materialien.

Das Taunerhaus in Vinelz bildet zusammen mit der Kirche aus dem 12. Jahrhundert und dem denkmalgeschützten Schulhaus samt Türmchen und Fachwerk ein harmonisches Ensemble im historischen Dorfkern. Bis vor Kurzem wirkte es jedoch eher als Störfaktor im Ortsbild denn als Anziehungspunkt für Besucher. Das Taunerhaus befand sich in einem schlechten Zustand, jahrelanger Leerstand hatte ihm zugesetzt.

Die Eigentümer vermachten das abbruchreife Haus schliesslich im Dezember 2015 der Stiftung Ferien im Baudenkmal. «Im Normalfall wird ein solches Haus abgebrochen», sagt Ivo Thalmann, Architekt und verantwortlich für den Umbau. Als Inhaber des Architekturbüros 0815 hat er zusammen mit dem Architekturbüro Sim den Architekturwettbewerb gewonnen und den Auftrag zur Instandstellung des Taunerhauses erhalten.

Der Vorteil eines Feriendomizils sei die grössere Freiheit, die man bei der Ausgestaltung habe, sagt er. In einer Ferienwohnung dürfe der Wind auch mal durch die Ritzen ziehen. Die Gäste nähmen das als Teil des Erlebnisses in Kauf.

Thalmann weist auf das Schulhaus nebenan. Die Westfassade des denkmalgeschützten Fachwerkhauses ist mit Schindeln eingekleidet worden, um sie vor der Witterung zu schützen.

Beim Bauernhaus hätten sie das Gegenteil gemacht, nämlich das Haus ausgepackt, alles abgestreift, was nicht dem ursprünglichen Bau von 1850 entsprochen habe. So ist die Eternitverkleidung auf der Nordseite verschwunden und das ursprüngliche Holzfachwerk ist zum Vorschein gekommen.

Und man sieht, weshalb das ganze Haus schief steht: das Fachwerk ist nur ungenügend verstrebt. Für mehr Aussteifungen reichten damals die Mittel nicht. In alle Richtungen neigen sich die Wände, eine Tatsache, die den Umbau erschwerte, vor allem den Einbau der fast vier Meter hohen Verglasung hinter dem Tennentor. Die schiefen Balken sollten sichtbar bleiben, weshalb die Fensterscheiben ohne Rahmen zwischen die Konstruktion eingepasst wurden. «Um es so einfach aussehen zu lassen, ist oft sehr viel Aufwand notwendig», sagt der Architekt mit langjähriger Erfahrung im Umbau denkmalgeschützter Bauten. Als Präsident der Regionalgruppe Biel-Seeland des Heimatschutzes kann er auf einen reichen Fundus von historischen Formen zurückgreifen. In erster Linie sei der Erhalt des Vorhandenen anstrebt worden, sagt er, bei Bedarf habe man jedoch auch Neues erfunden. Der Baumeister Christian Rickli von Roth und Maurer aus Walperswil zum Beispiel habe in den Betonboden ein rautenförmiges Muster geprägt. Das sei historisch nicht so gewesen, sagt Thalmann, aber damit habe man das bestehende bauliche Erbe gestärkt.

Auch Rickli ist stolz auf seine Arbeit. Für die Verzierung des Betons habe er eigens einen Stempel aus Armierungseisen entworfen. Für ihn sei es das erste Mal gewesen, dass er an so einem alten Haus gearbeitet habe. Auch Malermeisterin Laura Keist, Inhaberin von malermeisterin.ch, erntet Lob für ihre anspruchsvollen Sanierungsarbeiten. Durch ihre Weiterbildung «Handwerk in der Denkmalpflege» verfügt sie über die notwendige Qualifikation.

Die für das Berner Bauernhaus typische Dreiteilung in Wohnteil, Tenne und Stall wurde beim Umbau erhalten. Die Kleinteiligkeit der Wohnräume steht in Kontrast zur räumlichen Grosszügigkeit der Tenne, die neu einen zweigeschossigen Raum umfasst. Dies sei ein exemplarisches Vorgehen beim Umbau von Bauernhäusern, sagt Thalmann. In der Tenne findet man einen freistehenden Küchenblock und, im oberen Stockwerk, ein modernes Badezimmer. Der Kleintierstall und die Scheune sind mit Gartenmöbeln eingerichtet und laden zum verweilen ein. Das schlichte und elegante Einrichtungskonzept der Zürcher Agentur selected interiors setzt die geschichtsträchtige Architektur gekonnt in den Vordergrund.

Ein Gewinn für die Gemeinde

Die Vinelzer Gemeindepräsidentin Rita Bloch freut sich über das renovierte Bauernhaus. Es sei ein Gewinn für die Gemeinde, sagt sie, ein weiteres schönes Haus zu den bestehenden, die es im Dorf gebe. Überrascht hätte sie vor allem der moderne Innenausbau. Doch der zentrale Standort direkt neben der Kirche und dem Schulhaus könnte zu Lärmbelästigungen führen.

Wer es dennoch wagen und die reizvolle Symbiose aus Alt und Neu mit eigenen Augen sehen will, kann sich auf der Webseite der Stiftung für einen Ferienaufenthalt in Vinelz anmelden. Zunächst seien die Gönner der Stiftung dran, deshalb sei noch nicht klar, ab wann das Haus für die Öffentlichkeit buchbar werde, sagt die Geschäftsleiterin Kerstin Camenisch. Doch in der Nebensaison wird der Preis auch günstiger sein, unter 1000 Franken koste dann die Woche für sechs Personen.

Und um sich in Vinelz so richtig heimisch zu fühlen, werden die Gäste von der Vinelzerin Sandra Grau empfangen und auf die Besonderheiten der Wohnung aufmerksam gemacht. Von der Stiftung speziell geschult, wird sie die Feriengäste in die Geschichte des Dorfes einweihen und erzählen, wo es die besten Sonntagszöpfe zu kaufen gibt. Mit der Umwandlung von Baudenkmälern zu Ferienwohnungen will die Stiftung die Menschen für historische Bauten sensibilisieren. Durch das aktive Erleben der Baukultur wird dies ganz selbstverständlich gelingen.

Link:
www.ferienimbaudenkmal.ch

Stichwörter: Vinelz, Bauernhaus, Ferien

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