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Feuerwehr im Einsatz, Hund gerettet

Hund Dozer stürzt im felsigen Gelände oberhab Pieterlen ab. Zwei Feuerwehren, darunter die Höhenrettung Biel, bringen «Dozer» nach einer aufwändigen Aktion unverletzt seinen Besitzern wieder.

Abenteuer überstanden: Dozer mit Hans Lüthi, Chef der Bieler Höhenretter.zvg
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Tierrettung Kirchenfluh

von Brigitte Jeckelmann
Ein Tier ist ein Tier, kein Mensch. Für Sabine Christen war immer klar: Da muss man unterscheiden. Das Getue um Haustiere lag der abgeklärten Frau überhaupt nicht. Bis zu jenem Tag, an dem sie und ihr Ehemann Roger beinahe ihren Hund verloren haben.
Es geschieht an einem Samstagvormittag. Das Ehepaar aus Büren spaziert wie schon so oft im Wald einen Wanderweg oberhalb von Pieterlen entlang. Mit dabei ist Dozer, ein stattlicher Schweizer Sennenhund, 50 Kilogramm schwer, dreijährig und furchtlos. Das Gelände neben den markierten Wegen ist unwegsam, steil und felsig. Schroffe, senkrechte Wände hat es dort. Gämsen fühlen sich hier pudelwohl. Dozer muss entweder ein solches Tier gewittert oder gesehen haben. Roger Christen bemerkt noch, wie sich der Hund spannt und losrennen will. Doch bevor er die Leine im Halsband einhaken kann, ist Dozer weg – und kommt nicht mehr zum Vorschein. Wie vom Erdboden verschluckt, wird sich Sabine Christen später erinnern. Keine Reaktion auf ihr verzweifeltes Rufen.
Sabine und Roger Christen sind sicher: Der Hund muss über eine Felswand abgestürzt und tot sein. «In diesem Moment war es für mich, als hätten wir ein Familienmitglied verloren», sagt Sabine Christen. Aber dann hören sie ihn winseln. Gottseidank. Dozer lebt, aber sie können ihn nicht sehen. Der Waldboden fällt steil ab. «Da hat mein Mann die Polizei gerufen», sagt Sabine Christen.
Szenenwechsel.
Christoph Scholl steht in seinem Haus in Pieterlen am Kochherd und rührt das Mittagessen in der Pfanne. Er ist Chef Planung und Einsatz bei der regionalen Feuerwehr Lengnau – Pieterlen – Meinisberg, kurz Lepime.
Da geht ein Polizeinotruf ein: «Hund abgestürzt bei der Chilchenfluh.» Christoph Scholl wirft sich in Montur und eilt los. Am Ort des Geschehens trifft er auf die aufgelöste Sabine Christen. In Sekundenschnelle ist für Christoph Scholl klar: Da braucht es die Höhenrettungstruppe der Bieler Feuerwehr. Er macht einen entsprechenden Anruf bei der Alarmzentrale der Kantonspolizei. Inzwischen treffen drei weitere Männer von der Feuerwehr Lepime ein.
Sabine Christen wird später sagen: «Einer von ihnen ist ein guter Freund unseres Sohnes. Als ich ihn sah, fiel mir schon ein Stein vom Herzen.» In einer solchen Situation jemanden an der Seite zu haben, den man kennt und der gute Worte für einen hat – «das ist so unendlich wertvoll», sagt sie. Zwei Mann warten derweil unten auf der Hauptstrasse auf die Höhenretter der Bieler Feuerwehr, damit sie ihnen den Weg weisen können. Die Bieler brausen heran, mit Blaulicht und Sirene.
Um genau 11.30 Uhr nimmt der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr Biel den Anruf der Alarmzentrale entgegen. Hans Lüthi, Chef der Höhenrettung, kann den Alarm auf seinem Pager mitlesen. Ein abgestürzter Hund ist für ihn und sein Team nichts Neues. Das komme mindestens einmal jährlich vor, sagt er. Hans Lüthi und zwei weitere Männer der Spezialeinheit Höhenrettung setzen sich in ein Fahrzeug mit Ausrüstung, wie man sie für Notsituationen am Berg braucht: verschiedene Seile, elektrische Seilwinden, Klettergurt, Haken, Karabiner, Steigeisen, Umlenkrollen. In Pieterlen empfangen sie die Leute vom Team der Feuerwehr Lepime.
Sie fahren den Berg hinauf und gehen dann zu Fuss bis zu der Stelle, an der Sabine Christen Dozer verschwinden sah. Er muss abgerutscht sein, das sieht Hans Lüthi an den Spuren von Dozers Pfoten. Dieser ist jetzt weit unten sichtbar. «Er lief hin und her», erinnert sich Hans Lüthi. Unter ihm Fels und oben auch. Der Hund, so mutmasst Hans Lüthi, «ist zwar problemlos hinuntergekommen, aber er findet den Weg hinauf nicht mehr». Für eine Gämse wäre es ein Leichtes gewesen, über die Felsen zu hüpfen. Dozer ist aber ein Schweizer Sennenhund, keine Gämse. Eigentlich ein harter Bursche, meint seine Besitzerin, «kein Schmusehund». Ein selbstbewusstes Tier, das schon mal ohne Frauchen und Herrchen seiner Wege geht. Doch jetzt ist er in tödlicher Gefahr.
Dann geht alles sehr schnell. Hans Lüthi steigt in den Klettergurt. Seine beiden Kollegen stellen die elektrische Winde auf. Hans Lüthi sichert sich. Dann seilt er sich zu Dozer ab. Rund 25 Meter Seil braucht er dazu. Auf seinen Zuruf reagiert der Hund sofort. «Ich glaube, er hat gleich gemerkt, dass ich ihm helfen will», sagt Hans Lüthi. Er streift ihm ein Gstältli über und einen Maulkorb, damit Dozer ihn nicht etwa in Panik beisst. Danach befestigt er das Seil am Hund und klemmt sich das Tier zwischen die Beine. «Hochziehen», teilt Hans Lüthi seinen Kollegen per Funk mit. Dann schiebt er Dozer vor sich her, die Feuerwehrleute oben betätigen vorsichtig die Winde. Schieben und ziehen. Nach knapp 20 Minuten sieht Sabine Christen den Kopf von Dozer aus dem Abgrund auftauchen. Den Moment wird sie nie vergessen. «Wie ich ihn sah, die Augen riesengross, die Ohren angelegt, da sah er aus wie damals als winziger Welpe.» Sabine Christens Herz «geht auf». Noch ein Ruck, dann steht der Hund oben. Ohne einen Kratzer, gänzlich unverletzt. Sie fällt ihm um den Hals, weint.
Christoph Scholl und sein Team von der Feuerwehr Lepime, Hans Lüthi, Chef der Höhenrettung Biel und seine beiden Männer stehen daneben und betrachten die Szene. Für Hans Lüthi wie auch Christoph Scholl sind es diese Momente, die ihnen ein gutes Gefühl geben. «Dankbare Momente», sagt Christoph Scholl. «Schöne Momente», kommentiert Hans Lüthi. Die ganze Aktion dauert insgesamt eine gute Stunde. Die Männer räumen ihr Material zusammen. Dann beginnt es zu schneien.
Eine Woche später. Sabine Christen und Ehemann Roger sitzen in ihrer Ferienwohnung im Berner Oberland. Dozer habe sich nach dem Ereignis zuhause auf sein Plätzchen gelegt und sich nicht mehr bewegt. «Er war emotional total kaputt», glaubt seine Besitzerin. Er habe zwar keinen Knacks davongetragen. Trotzdem habe sich ihr Hund verändert. Er suche seither mehr Körperkontakt und sobald Frauchen und Herrchen ausser Sichtweite sind, werde er unruhig.
Wenn Sabine Christen an die bange Stunde zurückdenkt, ist sie voller Dankbarkeit für die Männer von der Feuerwehr. Ihre Ruhe habe sie beeindruck. Eine Ruhe, die ihr in diesem Moment unendlich gutgetan habe.
 

Stichwörter: Hund, Feuerwehr, Polizei

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