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Gefragt ist alles, was blüht

Die grüne Branche boomt: Einem Blumenmarkt in Gampelen gehen Beerensträuche und Obstbäume aus und ein Gartenbauunternehmen in Ipsach kann nicht mehr alle Aufträge annehmen.

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von Carmen Stalder

Ein konzentrierter Blick in die Weite, ein eleganter Schwung – und der Ball rollt ins Loch. Was sonst nur auf dem Golfplatz möglich ist, kann eine Seeländer Familie seit Kurzem im eigenen Garten üben. Ein wenig habe er es schon bedauert, dass er den schönen grünen Rasen habe entfernen und an dessen Stelle einen Golfplatz mit drei Löchern bauen müssen, erzählt Gartenbauingenieur Alexander Brechbühler. Doch die Wünsche seiner Kunden gilt es zu erfüllen – und davon hat er momentan mehr als genug. «So viele neue Kunden wie im letzten Jahr habe ich zuvor noch nie dazugewonnen», sagt der Porter.

Im Garten werkeln, Blumen und Sträucher pflanzen, die Terrasse vergrössern, die Balkonmöbel ersetzen: Weil viele Menschen seit Monaten nicht in die Ferne reisen können, machen sie sich zumindest den Balkon oder den Garten schön. Der coronabedingte Rückzug in die eigenen vier Wände und das verstärkte Arbeiten von zuhause aus weckt oftmals das Bedürfnis nach mehr Grün. Davon profitieren Seeländer Pflanzenhändlerinnen, Gartencenter, Blumenverkäufer und Gartenbauunternehmen.

So etwa Peter Dietrich, der gemeinsam mit seiner Frau den Blumenmarkt Dietrich in Gampelen führt. Die beiden verkaufen nicht nur Pflanzen aller Art, sondern auch Gartenmöbel, Grills und Sonnenschirme. Um all das reissen sich die Kunden derzeit. Der Geschäftsinhaber spricht von einem absoluten Top-Jahr. «Hochbeete sind ein riesiger Trend.»


Ausverkaufte Beeren

Dietrich bemerkt eine Tendenz in Richtung Selbstversorgung. Kartoffelsetzlinge verkaufe er etwa vier- bis fünfmal so viele wie früher. «Fast wie während der Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg», meint er mit einem Schmunzeln. Gewisse Beerensträuche und Obstbäume sind bei ihm ausverkauft. Da sie eine mehrjährige Wachstumsphase benötigen, bis sie in den Verkauf gelangen, ist in absehbarer Zeit kein Nachschub zu erwarten.

Sowieso haben er und seine Branchenkolleginnen und -kollegen mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Auf einige Gartenmöbel und Grills muss man derzeit vier Monate warten – also so lange, bis der Sommer praktisch vorbei ist. Die Importschwierigkeiten hängen unter anderem mit verspäteten Frachtcontainern und Produktionsverzögerungen zusammen und lassen bereits die Preise von gewissen Produkten in die Höhe steigen.

Das hat auch Martin Herrmann festgestellt: Aufgrund der grossen Nachfrage bei seinen Pflanzenhändlern in Holland und Deutschland ist er mit höheren Einkaufspreisen konfrontiert. So koste eine Pflanze beispielsweise plötzlich 3.80 statt 3.60 Franken – was für Anfang Saison doch eher ungewöhnlich sei. Herrmann leitet in vierter Generation den Engroshandel Herrmann Pflanzen GmbH in Meinisberg. Zu seinen Kunden zählen Floristen, Gartenzentren, Gartenbauerinnen, Marktfahrer und Blumenfachgeschäfte aus der Region.

Sein Umsatz sei höher als in normalen Jahren, sagt er: «Wenn die Leute weniger reisen, läuft es für mich besser.» Wer sich für drei Wochen in die Ferien verabschiede, kaufe davor nicht unbedingt neue Pflanzen ein. Jetzt dagegen verbringe man viel Zeit im Garten und auf dem Balkon und wolle es sich da entsprechend schön einrichten.


Erweitertes Wohnzimmer

In der Gärtnerei Blumen Rossel in Aegerten ist seit Ausbruch der Pandemie insbesondere der Onlineverkauf deutlich gestiegen. «Die grüne Branche profitiert von der Situation, Corona gibt uns einen Aufschwung», sagt Geschäftsführer und Inhaber Martin Rossel. Viel Arbeit gibt es aktuell vonseiten der Restaurants: Weil deren Betreiberinnen und Betreiber die Terrassen haben wiedereröffnen durften, wollen sie nun möglichst rasch ihre Pflanzen, die in Aegerten überwintert haben, zurück. Lediglich die Bestellungen für Hochzeitsdekorationen würden bescheidener ausfallen, weil die Gästezahl kleiner sei, so Rossel.

Bettina Kuhn führt gemeinsam mit ihren beiden Brüdern Marc und Yves Schwab die Schwab Gartenbau AG in Ipsach. Das Team hat alle Hände voll zu tun, sodass die Geschäftsleitung sogar Aufträge ablehnen muss. Auch den oft gehörten Wunsch nach einer möglichst schnellen Ausführung des Wunschprojekts kann sie nicht immer erfüllen.

Kuhn stellt fest, dass viele Kundinnen aus ihrem Garten ein erweitertes Wohnzimmer machen wollen: «Sie sehnen sich nach einer Oase der Erholung.» Dazu würden Sitzplätze, Biotope und Bademöglichkeiten gehören – möglichst natürlich und als Lebensraum für Tiere geeignet. In diesem Bereich gebe es einen klaren Trend. «Besonders bei der jüngeren Generation findet ein Umdenken in Richtung naturnahe Gärten statt», so Kuhn.

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