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Hans Stöckli

Gezittert, aber nicht gefallen

Der Bieler Hans Stöckli ist seiner Favoritenrolle gerecht geworden und geht vom ersten Platz aus in den zweiten Ständerats-Wahlgang. Sein Vorsprung auf die überraschende Regula Rytz und Werner Salzmann ist aber hauchdünn.

Copyright: Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt
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Lino Schaeren

Hans Stöckli mag gestern Nachmittag nicht im Mittelpunkt stehen. Anders als noch vor vier Jahren, fiebert er nicht umgeben von Parteikollegen dem Resultat bei den Ständeratswahlen entgegen, sondern im Privaten mit seiner Familie. Es ist der letzte Wahlkampf, den der 67-Jährige bestreitet und weil Werner Luginbühl (BDP) nicht mehr antritt, gilt der Bieler als einziger Bisheriger durchwegs als grosser Favorit im Kanton Bern. Dass seine Wiederwahl von den allermeisten als gegeben angesehen wird, behagt Stöckli aber nicht nur: Er fürchte, dass eigentliche Sympathisanten aufgrund seiner klaren Favoritenrolle ihre Stimmen auf andere verteilen könnten, sinnierte er vor wenigen Tagen, als er in der Bahnhofshalle in Biel noch einmal um die Gunst der Wähler buhlte.

So also warten am gestrigen Nachmittag im Restaurant Schmiedstube in Bern die Sozialdemokraten ohne ihren Ständeratskandidaten auf die ersten Resultate. Um 16 Uhr ist bei fünf von zehn ausgezählten Wahlkreisen noch alles in der Reihe - dass sich SVP-Mann Werner Salzmann in den ländlichen Gebieten an die Spitze setzen würde, war abzusehen. Während Salzmann fast an die Werte von Parteipräsident Albert Rösti von vor vier Jahren herankommt, schneidet Stöckli leicht schlechter ab als 2015, auch im Wahlkreis Seeland. Das kann Mirjam Veglio, Co-Präsidentin der kantonalen SP, aber noch nicht beunruhigen. Denn sie weiss: Wenn am Schluss der einwohnerstärkste und linksdominierte Wahlkreis Bern-Mittelland hinzukommt, kann die Rangliste noch einmal auf den Kopf gestellt werden.

 

Stöckli punktet in der Heimat

Um 17 Uhr sind bereits acht Wahlkreise ausgezählt. Es zeigt sich: Stöckli hält sich auf dem zweiten Platz, überraschend ist ihm aber die Grüne Regula Rytz dicht auf den Fersen, sie kann sogar die favorisierte Seedorferin Beatrice Simon (BDP) hinter sich lassen (siehe auch Text auf Seite 3). Es zeichnet sich ein spannender Schlussspurt ab, in dem die Stadtbernerin Rytz den Bisherigen Stöckli sogar überholen könnte. Die Stimmen aus den Heimatstädten der beiden, Bern und Biel, entscheiden. Veglio sagt: «Wir haben nicht mit einer Wahl von Stöckli im ersten Umgang gerechnet, aber mit dem ersten Rang. Jetzt ist alles offen.» Kurze Zeit später betritt Ständerat Stöckli das Berner Rathaus - sagen mag er zu den Medien aber vor Bekanntgabe der Resultate nichts.

Es ist inzwischen 17.45 Uhr und jetzt liegen auch die Resultate aus dem Wahlkreis Biel vor. Stöckli holt in seiner Heimat erwartungsgemäss am meisten Stimmen – allerdings nur rund 600 mehr als Verfolgerin Rytz. «In der Heimat musst du am meisten Stimmen machen, sonst verlierst du deine Glaubwürdigkeit. Du wärst dann quasi König ohne Territorium», wird Stöckli später gegenüber dem BT sagen. Den Rückstand auf Salzmann kann Stöckli dank dem Sieg im Wahlkreis Biel auf unter 20 000 Stimmen reduzieren, es zeichnet sich ab, dass der SVP-Kandidat tatsächlich noch abgefangen wird – und das allenfalls sogar von beiden linken Kandidaturen.

 

Zweierticket nicht gestorben

Und so kommt es tatsächlich auch: Um 18.13 Uhr wird verkündet, dass sich das rot-grüne Zweierticket an die Spitze gesetzt hat, Stöckli belegt mit 122 263 Stimmen den ersten Platz, verfehlt das absolute Mehr aber deutlich. Hinter ihm folgt Rytz mit 119 960 Stimmen, sie schiebt sich damit mit einem hauchdünnen Vorsprung von gut 300 Stimmen vor Salzmann. Stöckli, der erstmals bei Ständeratswahlen das beste Ergebnis aller Kandidierenden erzielt, reagiert erleichtert, atmet umringt von TV-Kameras erst einmal tief durch. Dann sagt er mit einem breiten Lächeln: «Ich wurde nicht von der grünen Welle weggeputzt.»

Stöckli ist zufrieden mit seinem Resultat, vor allem auch, weil er bei den dominanten Themen im Wahlkampf - Klimaschutz und Gleichstellung von Mann und Frau - ganz im Gegensatz zu Mitstreiterin Rytz nicht zu polarisieren vermochte. «Mein Ziel, den ersten Rang zu erreichen, habe ich erreicht.» Dass sich Stöckli letztlich vor Rytz halten konnte, ist nicht unwesentlich: SP und Grüne, die mit einem Zweierticket angetreten sind, haben im Wahlkampf stets von einer Vereinbarung gesprochen, wonach sich die weniger aussichtsreiche Kandidatur im zweiten Wahlgang zurückzieht. Stöckli sagt deshalb: «Als Bisheriger bin ich motiviert, meinen Sitz zu verteidigen. Ich trete auf jeden Fall noch einmal an.»

Damit dürfte die Sache allerdings noch nicht gegessen sein. Das machte Veglio klar: Nach dem sensationellen Resultat von Regula Rytz ist auch für die SP nicht in Stein gemeisselt, dass sich die Grüne-Kandidatur zugunsten von Stöckli nun zurückziehen muss. Dass ein erneutes Antreten von Rytz denkbar ist, bestätigt Natalie Imboden, Co-Präsidentin der Grünen im Kanton Bern: «Dass wir mit Regula Rytz eine starke Kandidatur haben, war uns bewusst. Das nun Eingetroffene übertrifft aber alle Erwartungen massiv», sagt sie. Stöckli indes mag sich noch nicht dazu äussern, ob er sich allenfalls für ein neuerliches Zweierticket erwärmen könnte. Er werde, sagt der Bieler, nun erst einmal sein Resultat feiern. Die Diskussionen über den zweiten Wahlgang stehen erst heute an.

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