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Büren

«Gitarren bauen ist mein neues Leben»

Schon als Kind hat er Gitarre gespielt. Seine Fender Stratocaster verdiente er sich mit Arbeiten auf dem Bau. So wurde aus Peter Jaberg ein Zimmermann - und 40 Jahre später, krankheitsbedingt, ein Gitarrenbauer.

Peter Jaberg: «Seit jeher ist Musik mein Lebenselixier. Und ein ‹Hölziger› war ich auch schon immer». copyright: matthias käser/bieler tagblatt

von Denise Gaudy

Im Graben 19 in Büren riecht es immer noch nach frisch gehobeltem Holz und wie eh und je klingt Gitarrensound aus den Lautsprechern. In der Werkstatt stapeln sich jedoch anstelle der groben Eichenbalken und schweren tannigen Latten dünne Blätter und Leisten aus Edelhölzern. Wo der gelernte Zimmermann Peter Jaberg - von allen Jabi genannt - während fast 40 Jahren Holz für Dachkonstruktionen, Wände und Böden gezimmert hat, baut der Handwerker heute Gitarren, eigenhändig, von A bis Z. «Seit jeher ist Musik mein Lebenselixier. Und ein ‹Hölziger› war ich auch schon immer», sagt der bärtige Mann in der Latzhose mit bedächtiger Stimme.

Diagnose: Arthrose

Seit Jabi denken kann, ist er ein glühender Verehrer von Jimi Hendrix. Als Schulbub machte er lieber Musik als Sport und spielte in diversen Bands elektrische Gitarre. Das Geld für eine eigene Fender Stratocaster verdiente der gebürtige Bieler in der Zimmerei neben dem Schulhaus, wo er zur Schule ging. «Als ich aus der Schule kam, war für meinen Chef klar, dass ich die Lehre bei ihm machen sollte. So wurde aus mir ein Zimmermann.» Kaum hatte der heute 58-Jährige die Lehre abgeschlossen, machte er sich selbständig. In seiner Freizeit spielte er Gitarre; gleich in mehreren Bands. Besonders angetan hatten es ihm der Blues und Rock. Und neben Jimi Hedrix die Gitarristen Eric Clapton und Jeff Beck. 1978 kam Jabi nach Büren und eröffnete in seinem Altstadthaus im Graben eine eigene Zimmerwerkstatt. Als Selbständigerwerbender habe er fast 40 Jahre lang zehn bis zwölf Stunden am Tag gearbeitet. Mit seinen Händen zeigt er auf die Hobelbank, die Fräs- und Schleifmaschine, die Leimstation, nimmt hier ein Brett aus dem Regal und stellt da einen Klotz an den richtigen Ort. Seine Hände sind aufgedunsen, die Finger knotig. Rückenbeschwerden habe er schon lange. Seit rund acht Jahren machten ihm jedoch auch Schmerzen in den Händen zu schaffen, so stark, dass er nicht mehr als Zimmermann arbeiten konnte. Auch Gitarre spielen ging nicht mehr, so dick und kraftlos waren seine Finger geworden. Vor vier Jahren erhielt Peter Jaberg die Diagnose Arthrose, wurde vom Arzt zu 100 Prozent arbeitsunfähig geschrieben und, da die Krankheit nicht heilbar ist, bei der IV angemeldet.

Komplexer Gitarrenaufbau

«Das sind sogenannte Zargen», erklärt Peter Jaberg und fächert lange, rund zehn Zentimeter breite und nur wenige Millimeter dünne Streifen aus dunkelrotem Palisander-, braunem Walnuss-, fast weissem Bergahorn- und gelblichem Zypressen-Holz auseinander: «Daraus werden die Seitenteile des Korpus von klassischen und Western-Gitarren geformt. Die feinen Holzblätter werden in Wasser eingelegt und anschliessend in nassem Zustand um diesen auf 400 Grad erhitzten Metallzylinder gebogen. Dann kommen zwei symmetrische Zargenhälften für zwölf Stunden in diese Presse in Gitarrenform. Dieser Vorgang wiederholt sich immer wieder während etwa einer Woche, bis sich das Holz nicht mehr wehrt und in der gewünschten Biegung bleibt.» Die Herstellung der seitlichen Umrandung des Gitarrenkörpers ist der erste Arbeitsgang beim Bau des Saiteninstruments. Darauf folgt der Zuschnitt von Boden und Decke, die mit dem Schallloch versehen wird. Wie der Zargenkranz wird auch der Boden meist aus Hartholz gefertigt, die Decke dagegen aus weicherem Holz wie zum Beispiel Fichte.

Peter Jaberg fachsimpelt weiter: «Bevor ich Boden und Decke mit dem Seitenteil verleime, muss ich an der Innenseite der Decke Verstrebungsstäbe anbringen - eine knifflige Sache, die oft mehr als einen Tag lang dauert.» Der Gitarrenbauer greift mit dem Zeigfinger der linken Hand ins Schallloch einer fertig zugeschnittenen und bereits verstrebten Decke und klopft mit dem rechten Zeigfinger an das dünne, gitarrenförmige Brettchen. «Erst wenn ich beim Klopfen ein «G» höre, haben die Verstrebungsstäbe die richtige Dicke. Meist ist der Ton zu tief. Dann muss ich alle Verstrebungen nachschleifen. Je mehr Holz ich wegschleife, desto höher wird der Ton.»

Dem Zusammenfügen von Zargenkranz, Boden und Decke zum Korpus folgt der Einbau von Klötzen zum Stabilisieren und Befestigen des Halses, der aus drei Längsteilen besteht; der mittlere meist aus schwarzem Ebenholz. Damit ist die Gitarre aber noch längst nicht fertig - noch fehlen Kopf, Steg, Sattel, Griffbrett, Kantenschutz und Rosette: «Der Bau einer klassischen Gitarre umfasst rund 240, teilweise sehr aufwändige Arbeitsgänge. Das Lackieren der fertig gebauten Gitarre etwa wird bis zu zehn Mal wiederholt - immer wieder mit Schleifen dazwischen, damit sich das Instrument auch richtig fein anfühlt.»

Im Selbststudium

In seinem Gitarrenbau-Atelier ist Peter Jaberg im Element. Als er nach der Diagnose Arthrose mit seinem IV-Zuständigen besprach, wie es mit seiner Berufstätigkeit weiter gehen sollte, war klar, dass er sich umschulen lassen musste: «Mein Ansprechpartner bei der IV war ebenfalls Gitarrist. So kamen wir rasch einmal auf die Möglichkeit des Gitarrenbauens; eine leichte Handarbeit mit Holz, die keine Kraft erfordert. Einzige Hürde: In der Schweiz gibt es dafür keine Ausbildung.» Jabi musste die Umschulung also im Selbststudium absolvieren. Er besuchte Kurse an der Schreinerschule Solothurn, kaufte Bücher und besann sich auf einen alten Kollegen, den Geigenbauer Franz Ledergerber in Bühl, den er fortan einmal pro Woche aufsuchte: «Ich konnte enorm viel von seiner Erfahrung und seinem Knowhow profitieren. Er vermittelte mir zum Beispiel die ganzen physikalischen Grundlagen für den Instrumentenbau. Leider ist er ein Jahr später gestorben.» Dennoch hat der Autodidakt seine Umschulung mit Feuereifer fortgeführt, unterstützt durch das Taggeld der Versicherung. Im Januar 2012 wurde seine erste selbst gebaute Gitarre fertig: «Drei Monate habe ich daran gearbeitet. Die Zargen sind aus Esche, der Boden aus Kirschbaum, die Decke aus Fichte, der Hals aus amerikanischer Eiche und das Griffbrett aus Walnussholz. Mittlerweile schaffe ich fünf Gitarren in drei Monaten. Gitarren bauen ist mein neues Leben», sagt Peter Jaberg, und seine stahlblauen Augen leuchten. 

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Angebot und Dienstleistungen

In vier Jahren hat Peter Jaberg 34 Gitarren gebaut; E-Gitarren, E-Bässe, klassische Gitarren und Westerngitarren, die alle im Ladenlokal im Graben 19 in Büren zu bewundern sind.

• Sein Aushängeschild ist eine E-Gitarre aus Ahorn in Form der Schweiz. Allein das Ausschleifen der Kontur des Korpus hat 30 Stunden gebraucht. Beeindruckend ist auch eine nachgebaute Wappengitarre aus dem 17. Jahrhundert: Die Umrandung des Schalllochs ist aus Ebenholz und für die Schallloch-Dekoration hat Jabi mit der Nagelfeile 156 kleine Löchlein ausgefeilt. 

• Eine komplett handgefertigte Gitarre kostet mindestens 5 000 Franken. Die Preisgrenze nach oben liegt bei mehr als 20 000 Franken. Neben dem Arbeitsaufwand machen insbesondere die hochwertigen Materialien die Instrumente teuer, wie extrem hartes Sumpfeschenholz, aus dem Jaberg zum Beispiel einen Jazzbass gebaut hat. Bislang hat der Bürener eine selbst gebaute Gitarre verkaufen können.

Wesentlich günstiger kommt Gitarrenfans eine im Bausatzsystem gefertigte Gitarre, die unter Peter Jabergs Anleitung selbst zusammengebaut wird. Für Team Solutions Projects in Biel, eine Organsation für berufliche Integration, bietet Peter Jaberg ebenfalls Gitarrenbaukurse an.

• Die Werkstatt nimmt auch Gitarren zur Reparatur entgegen.

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