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Lyss

Hier endete ein Feierabendbier in einer wüsten Schlägerei

Ein junger Mann soll sich 2018 in der Lysser Kreisel-Bar mit einem anderen Mann geprügelt und ihn mit aller Kraft auf den Kopf getreten haben. Gestern stand der mittlerweile 24-Jährige vor Gericht.

Der Vorfall hat sich im April 2018 in der 
Kreisel-Bar 
hinter dem 
«Hirschen» 
ereignet. Bild: 
Yann Staffelbach
Sarah Grandjean
 
Samstagnacht in der Kreisel-Bar in Lyss, es ist kurz vor 3 Uhr. Ein 21-Jähriger und ein 35-jähriger Mann, letzterer merklich betrunken, geraten aneinander. Es kommt zu einem Handgemenge, die beiden stürzen über einen Barhocker und landen auf dem Boden. Der jüngere Mann steht rasch wieder auf, der ältere bleibt reglos, möglicherweise bewusstlos, liegen. Nichtsdestotrotz tritt ihn der 21-Jährige zweimal heftig gegen den Kopf. Ein dritter Tritt verfehlt sein Opfer, weil ein anderer Barbesucher dieses wegzieht. Der Verletzte wird notfallmässig ins Spital Aarberg und später ins Inselspital Bern gefahren, wo er zwei Tage auf der Intensivstation bleiben muss. Er trägt unter anderem eine fünf Zentimeter lange Rissquetschwunde am Hinterkopf davon und erleidet ein Schädel-Hirntrauma mit Gehirnerschütterung.
 
So ähnlich hat sich der Vorfall Anfang April 2018 zugetragen. Gestern stand der heute 24-jährige mutmassliche Täter vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland. Ihm wird versuchte schwere Körperverletzung vorgeworfen, ausserdem Sachbeschädigung, da bei der Schlägerei die Brille des älteren Mannes zu Bruch gegangen ist. Er könne sich nur an wenig erinnern, gab der Beschuldigte zu Protokoll. Er sei an jenem Abend mit einem Kollegen im Ausgang gewesen. Dieser sei mit dem späteren Opfer in einen Streit geraten, woraufhin er selbst dazwischen gegangen sei. Der 35-Jährige habe ihn am Hals gepackt. Nachdem er ihn zum dritten Mal aufgefordert habe, loszulassen, sei er selbst handgreiflich geworden, woraufhin beide stürzten. Er habe «zweimal leicht» mit dem Fuss auf den am Boden Liegenden gestampft. Wohin genau, wisse er nicht mehr, er habe nicht gezielt. Auch könne er sich nicht erinnern, ob sich sein Opfer verteidigt habe. Er gehe aber davon aus, dass es mit den Armen sein Gesicht geschützt habe.
 
Opfer erinnert sich nicht
 
Laut dem DJ, der an jenem Abend in der Bar Musik auflegte, habe sich das Opfer nicht gerührt und folglich auch nicht schützen können, hielt der Staatsanwalt dagegen. Der mutmassliche Täter habe es auf den Kopf getreten. Dies belegen die Verletzungen im Gesicht des Opfers sowie Blutspuren auf dem rechten Schuh des Angeklagten. Ausserdem habe es sich um «ausserordentlich starke» Tritte gehandelt: Der DJ beurteilte diese auf einer Skala von eins bis zehn mit einer Zehn. Gestern zeigte sich der Beschuldigte reuig. «Die Tritte waren nicht überlegt», sagte er. Im Rausch des Adrenalins sei das einfach passiert. «Es war das Dümmste, was ich machen konnte.»
 
Das Opfer indes hat eine Amnesie erlitten und kann sich weder an die Schlägerei noch an den mutmasslichen Täter erinnern. Der heute 38-Jährige weiss noch, dass er alleine in die Kreisel-Bar ging. Er habe dort ziemlich viel getrunken. Vier oder fünf Bier, vielleicht mehr. Gegen Mitternacht setzt seine Gedächtnislücke ein. Seine nächste Erinnerung ist, dass er im Inselspital Bern aufwachte. «Das war ein Schock», sagte er. Er habe Kopfschmerzen gehabt und ihm sei übel gewesen. Er habe rund eine Woche im Spital bleiben müssen und dann eine Zeit lang bei seiner Mutter gewohnt. In der psychologischen Betreuung, zu der er schon vor dem Vorfall gegangen war, habe man in den nächsten Sitzungen über das Erlebte gesprochen. Heute gehe es ihm «wieder einigermassen gut». Von dem Schädel-Hirntrauma und der Gehirnerschütterung spüre er nichts mehr. 
 
Der Staatsanwalt sagte, nur dank der raschen ärztlichen Behandlung habe das Opfer zu keinem Zeitpunkt in Lebensgefahr geschwebt. Zwar halte er es für glaubhaft, dass der Beschuldigte sein Opfer nicht vorsätzlich verletzen wollte. Jedoch dürfe als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass Fusstritte gegen den Kopf zu schweren Verletzungen führen können.
 
Verworrene Schlägerei vor der Kufa
 
Dies ist aber nicht die einzige Straftat, für die sich der junge Mann vor Gericht verantworten muss. Im Februar desselben Jahres war er in eine Schlägerei vor der Lysser Kufa verwickelt, weswegen ihm Raufhandel und Tätlichkeiten vorgeworfen werden. Was damals passiert ist, lässt sich nicht genau rekonstruieren. Klar ist, dass es in der Kufa zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und einer anderen Person kam. Die beiden sind zusammengestossen, wobei der Beschuldigte etwas von seinem Getränk über den anderen verschüttet hat. Jemand hat die Raufbolde getrennt, und Security-Mitarbeiter haben mehrere Personen vor die Tür gestellt.

Dort kam es dann erneut zu einer Auseinandersetzung. Der Beschuldigte gab zu Protokoll, einige Leute seien auf einen Kumpel von ihm losgegangen. Einen davon, es handelt sich um einen damals 17-Jährigen, habe er zurückhalten wollen. Gemäss Anklageschrift soll der Beschuldigte den Jugendlichen mehrmals ins Gesicht geschlagen haben, wodurch dieser eine geschwollene, leicht verschobene Nase davontrug. Der Beschuldigte bestreitet dies: «Ich habe an dem Abend niemanden geschlagen.» Ferner wird ihm vorgeworfen, sich mit jenem Mann, mit dem er in der Kufa zusammengestossen war, eine Rauferei geliefert zu haben. Dabei soll dieser in den Schwitzkasten genommen und gewürgt worden sein, woraufhin er wegen Atemproblemen vom Personal der Kufa betreut werden musste. Der Beschuldigte sagte, davon habe er nichts mitbekommen.
 
Die Staatsanwaltschaft fordert für den mutmasslichen Täter eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die Verteidigung findet, 12 Monate wären genug. Ferner droht dem gebürtigen Spanier eine Landesverweisung von fünf Jahren. Das Urteil wird heute verkündet. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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