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Mein Montag

«Ich wünschte, die Menschen wären sorgfältiger»

Seit er vier Jahre alt ist, spielt Aaron Aebersold beim FC Ins. Und für ihn steht fest: Er will Profi-Fussballer werden. Doch manchmal geschehen auf dem Fussballfeld Dinge, die er sich nicht erklären kann – so wie vor einer Woche in Luzern.

Der 9-jährige Aaron Aebersold wird beim Fussballspielen oft von Familienkatze Elli gestört. Bild: Nico Kobel
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Aufgezeichnet: Hannah Frei

In meiner Klasse gibt es etwa gleich viele Mädchen wie Jungs. Eine ganz normale Klasse halt. Schade finde ich aber, dass im letzten Jahr zwei Buben ein Jahr wiederholen mussten und sie heute nicht mehr in meiner Klasse sind. Sie waren meine besten Freunde. Da war ich schon ein bisschen traurig. Und nun, ein Jahr später, sprechen wir kaum mehr miteinander. Zum Glück habe ich neue gute Freunde gefunden: Henry und Levy. Henry ist beim FC Ins. So wie ich. Fussballspielen ist mein grösstes Hobby. Ich habe damit angefangen, bevor ich überhaupt richtig laufen konnte. Mit vier Jahren bin ich zum FC gekommen. Und für mich steht fest: Ich will Fussballprofi werden. Am liebsten bei den Young Boys. Und meine Chancen stehen vielleicht nicht einmal so schlecht. Mein Vater Patrick hat auch bei YB gespielt. Heute trainiert er die Kleinsten des FC Ins. Bei YB hat er aber noch einen Freund, der die Junioren trainiert. Und mein Vater sagt immer, dass er ihn darum bitten wird, dass ich einmal mitspielen darf, wenn ich 13 oder 14 Jahre alt bin. Ich denke, das könnte ich schaffen. Und ich würde es mir wirklich wünschen.

Mein Lieblingsspieler ist Guillaume Hoarau. Er ist Stürmer, genau wie ich. Und wir haben sogar am selben Tag Geburtstag. Er hat mir einmal zum Geburtstag einen Fussball signiert. Da bin ich schier durchgedreht.

Fussballspielen ist bei uns eine Familientradition. Als ich sah, dass mein Vater ganz gut spielt, dachte ich mir: Das will ich auch können. Heute gehe ich zweimal pro Woche abends ins Training und Samstags haben wir immer einen Match. Und jedes Mal freue ich mich darauf. Ich spiele auch Ukulele und werde im Sommer mit dem Schlagzeugspielen beginnen. Aber am liebsten spiele ich Fussball.

Mit Henry und Levy «schutte» ich auch in der Schule, im Gang. Das findet der Lehrer Beat Probst nicht so toll. Er ist nicht mein Klassenlehrer, sondern der von der 4b. Manchmal landet der Ball, meistens unabsichtlich, an seinem Hinterkopf. Aber er steht halt auch immer dort und redet, während wir den Ball ziemlich hoch in die Luft kicken. So ist doch klar, dass wir ihn manchmal treffen. Aber er war noch nie richtig wütend auf uns. Herr Probst ist eben ein sehr, sehr netter Lehrer. Wir entschuldigen uns jedes Mal.

Meine Lieblingsfächer sind Sport und Mathematik. Deutsch und Französisch mag ich hingegen nicht so. Denn die beiden Sprachen kann ich schon ziemlich gut. So wird es manchmal langweilig im Unterricht. Mein Vater stammt aus Ruanda und spricht mit mir, meinem siebenjährigen Bruder Rémy und meiner zweijährigen Schwester Marla immer Französisch. Die eigentliche Sprache meiner Mutter ist hingegen Deutsch. Zuhause sprechen wir aber alle meistens Französisch. Mit meinem Bruder rede ich jedoch Deutsch – seitdem wir in die Schule gehen. Ausser wenn wir wollen, dass uns die anderen Kinder nicht verstehen. Dann ist Französisch unsere Geheimsprache.

Meine Mutter arbeitet beim Schweizerischen Roten Kreuz und mein Vater als Französischlehrer für Erwachsene. Ich finde es gut, dass sie etwas für diejenigen tun, denen es eben nicht so gut geht.

Wenn ich in der Schweiz bestimmen dürfte, wie die Menschen zusammenleben sollen, dann würde ich schauen, dass sie nicht immer Bierflaschen in die Natur werfen. Das macht die Welt kaputt. Und dass sie ein bisschen sorgfältiger miteinander umgehen. Nicht so wie am Sonntag vor einer Woche. Wir waren am Fussballmatch GC gegen Luzern. Dieser musste unterbrochen werden, weil GC-Fans auf das Spielfeld gerannt sind. Dann kamen die Securities, doch sie wollten trotzdem nicht weggehen. Dann kam die Polizei – sie blieben. Und dann kamen die Soldaten. Aber sie wollten einfach nicht verschwinden. Das Spiel musste abgebrochen werden. Ich verstehe nicht, was das mit Fussball zu tun haben soll.

Aber vor allem würde ich mir wünschen, dass es keine armen Leute mehr gibt. Denn das finde ich gar nicht gut. Ich habe das in den Ferien in Spanien gesehen. Am Strand kamen immer Menschen zu uns, haben gebettelt oder wollten ihre Waren verkaufen. Einer nach dem anderen. Ich fand das so schrecklich, weil ich gesehen habe, dass sie arm sind. Und dann wollte ich nie mehr an diesen Strand zurück. Meine Mutter fragte immer wieder, ob ich nicht doch noch einmal mit ihnen hingehen möchte. Aber ich wollte nicht. Wir verbrachten eine Woche lang am Hotelpool. Der war auch schön.

Ich würde liebend gerne einmal das Heimatland meines Vaters besuchen. Aber nur, wenn es dort keine armen Leute gäbe. Oder ich gehe einfach nicht in die Stadt, dort gibt es viele arme Leute, sagen meine Eltern. Oder wir nehmen noch Freunde mit, dann wäre es sicherlich weniger schlimm für mich. Ich habe schon oft Fotos aus Ruanda gesehen, auch vom Nil, der dort in den Bergen entspringt. Das sieht wunderschön aus. Ich denke, irgendwann werde ich bestimmt dorthin gehen.»

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