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Vereine im Seeland

«Jeder trägt seinen Rucksack»

22 Kinder sterben im Wallis, zwei Mädchen bei einem Brand im Kanton Schwyz, drei Kinder in Südfrankreich: Für Eltern ist der Verlust kaum zu ertragen. Ein Verein mit Wurzeln im Seeland hilft in solchen Fällen.

Wenn der Frühling erwacht, ist es für Eltern, die ein Kind verloren haben, besonders schwer. Bild: mr

Martin Rindlisbacher
Im Verein Regenbogen holen sich Betroffene Hilfe und Betreuung, Unterstützung, Mitgefühl und Verständnis. Der Schweizer Verein hat seinen Sitz im Seeland, ist jedoch im ganzen Land tätig, wie die Präsidentin, Murielle Egli aus Täuffelen, erklärt. Der Verein Regenbogen befasst sich mit «Leben mit dem Tod eines Kindes», ist konfessionell neutral und will vermittelnd helfen. Vor allem in Selbsthilfegruppen, die auf das ganze Land verteilt sind.

Verbunden mit Betroffenen
Die angehäuften Todesfälle von Kindern im letzten Monat, mit dem Car-Unglück im Wallis, dem Brandfall im Kanton Schwyz und dem Terroranschlag in Toulouse «erinnern an die eigene Geschichte», erklärt Murielle Egli. Da fühle man sich zurückversetzt, wie es damals war, finde Parallelen, erlebe das Damals nochmals. Und letztlich empfinde man tiefe Verbundenheit mit den Betroffenen, den Eltern, den Geschwistern. Und man wisse aus eigener Erfahrung, dass man im ersten, vielleicht auch im zweiten Jahr nach dem Ereignis «einfach nur funktioniert». Die Trauer um den Verlust des eigenen Kindes setze erst später ein.

Das sei die eigentliche Arbeit, die Trauerarbeit, erklärt die  46-jährige Mutter von zwei Kindern, dem 13-jährigen Mike und der 10-jährigen Michelle. «So trägt jeder seinen eigenen Rucksack durchs Leben.» Und sie verheimlicht nicht, dass diese Trauerarbeit eine Zerreissprobe für die ganze Familie sei, insbesondere auch für die Partnerschaft.

Konzentration im Seeland
Eigentlich per Zufall seien nun das Sekretariat und das Präsidium des Vereins Regenbogen im Seeland, erklärt Murielle Egli. Dieser ist nach losen Anfängen im Jahr 1982, also vor 30 Jahren, erst 1989 als Verein entstanden. Die Idee und das Bedürfnis, Eltern und Geschwistern nach dem Verlust eines Kindes zu helfen, ist in England 1969 als Selbsthilfegruppe entstanden unter dem Titel «The Compassionate Friends». Murielle Egli ist seit zwei Jahren Präsidentin der Schweizer Organisation, die mittlerweile 301 Mitglieder aufweist. Das Sekretariat sei oft die erste Anlaufstelle, präzisiert Egli. Und da sei es wichtig, dass die Person im Sekretariat mitfühlend und verständnisvoll die Anliegen der betroffenen Menschen ernstnehme. Die Mitglieder im Vorstand wie auch die Vereinsmitglieder seien allesamt Betroffene, trauerten um ein verlorenes Kind. Und da seien die Begegnungen in den Selbsthilfegruppen oft sehr emotional.

Unterschiedliche Bedürfnisse
Es sei ein grosser Unterschied, ob Eltern ihr Kind durch Suizid, Unfall, Krankheit oder kurz nach der Geburt verlören, präzisiert Murielle Egli. Entsprechend bietet der Verein auch Gruppenarbeiten an in den verschiedensten Bereichen.

Bei Eltern, die ihr Kind durch Unfall, Krankheit oder Verbrechen verloren haben, sind die Bedürfnisse anders als bei jenen Eltern, die ihr Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verloren haben. So treffen sich die Eltern, und teilweise auch die Geschwister, regelmässig in einzelnen Selbsthilfegruppen mit etwa acht bis zwölf Personen. Sie diskutieren, hören zu, teilen sich mit. «Jeder hat seine Geschichte, jeder Teilnehmer respektiert den anderen. Dies ist ein Grundsatz der Gruppenarbeit», so Egli. Und: «Es gibt kein Werten in der Gruppe,  kein Schicksal ist schlimmer als jenes des Nachbarn», präzisiert sie.

Selber sei sie erst nach Jahren in der Lage gewesen, anderen Betroffenen zu helfen, sagt Egli, die zusätzlich zum Präsidium eine Selbsthilfegruppe in Biel leitet. Im nächsten August jährt sich der Tod von Marc zum zwölften Mal. Als damals 5-Jähriger verstarb er innerhalb eines Tages an einer Krankheit. «Verliert man die Grosseltern, geht die Vergangenheit verloren – verliert man ein Kind, geht die Zukunft verloren.»

 

Kindstod – ein Tabu-Thema?
  • Die Selbsthilfevereinigung «Regenbogen – Arc-en-ciel» hilft Betroffenen, den Tod eines Kindes zu verarbeiten.
  • Noch nach Jahren leiden vor allem Mütter, weil sie ein Kind verloren haben. Oft kommt dies erst im hohen Alter, im Altersheim, beim Verarbeiten der Vergangenheit, zutage.
  • Präsidentin des Vereins ist Murielle Egli, Täuffelen (Tel. 032 396 33 41)
  • Das Sekretariat führt Heinz Frutiger, Leuzigen (Tel. 032 351 20 72)

Link: www.verein-regenbogen.ch

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