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Liberalisierung

Kamine sind ein Auslaufmodell

Seit Anfang Jahr haben Hauseigentümer die freie Wahl, welche Kaminfegerin ihren Schornstein reinigt. Damit soll die Arbeit fairer verteilt werden. Doch funktioniert das?

Symbolbild: Keystone

Beat Kuhn

 

Heizungen müssen in bestimmten Intervallen durch eine Kaminfegerin oder einen Kaminfeger gereinigt und kontrolliert werden. Dies einerseits aus Sicherheitsgründen, andererseits für einen umweltschonenden und sparsamen Betrieb. Kommt es zu einem Brand und bei den Abklärungen wird festgestellt, dass der Brand aufgrund fehlender Reinigung ausgelöst beziehungsweise begünstigt wurde, behält sich die Gebäudeversicherung vor, die Versicherungsleistungen zu kürzen.

 

Bis Ende letzten Jahres war im Kanton Bern der für das betreffende Gebiet zuständige Kaminfegermeister verantwortlich dafür, dass Heizungen im gesetzlich vorgeschriebenen Turnus gereinigt wurden. Anfang dieses Jahres ist diese Verantwortung auf den Hauseigentümer übergegangen. Wer die Reinigung übernimmt, bleibt ihm überlassen. Einzige Voraussetzung ist, dass der beauftragte Betrieb konzessioniert ist (siehe Zweittext unten). 

 

Immer mehr alternative Energien

Den Systemwechsel beschlossen hat der Grosse Rat auf Wunsch des Bernischen Kaminfegermeister-Verbandes (BKV). «Ja, der Weg in den freien Markt war ein Entscheid der BKV-Mitglieder», bestätigt dessen neuer Präsident Charly Feuz, Kaminfegermeister in Stechelberg am Fusse des Schilthorns. 

 

Hauptgrund für diesen Entscheid ist der Wandel bei der Art der verwendeten Heizsysteme: Solange praktisch überall mit Öl, Gas oder Holz geheizt wurde, hatten die Kaminfeger mit dem Monopol und dem damit verbundenen fixen Tarif und Stundenansatz ein kalkulierbares Arbeitsvolumen und Einkommen.

 

Das bisherige Modell war allerdings nicht flexibel, es funktionierte nur, solange alles beim Alten blieb. «Die Betriebe waren an das ihnen zugeteilte Gebiet gebunden», so Feuz. «Wir hatten keinen Einfluss auf das Arbeitsvolumen.» 

Beim Ersetzen von Heizungen kommen aber mehr und mehr alternative Energieträger ohne Feuerung zum Zug. So werden Wärmepumpen und Solaranlagen installiert, oder es werden Wärmeverbundanlagen erstellt, an die ganze Quartiere angeschlossen werden. Das wirkte sich negativ auf das Arbeitsvolumen der Kaminfegerbetriebe aus. 

 

Neu haben diese im Bernbiet einen unternehmerischen Handlungsspielraum. «Sie dürfen beispielsweise auch weitere Dienstleistungen im Bereich der Haustechnik anbieten», so Linda Zampieri von der Medienstelle der Gebäudeversicherung Kanton Bern (GVB). Feuz verweist in diesem Zusammenhang auf die Website der im Kanton tätigen Kaminfegerbetriebe und des nationalen Verbandes (www.kaminfeger.ch). Dort würden «die umfangreichen Dienstleistungen und Ausbildungsmöglichkeiten» aufgezeigt, die der Beruf heutzutage biete, sagt er. 

 

Kein Preiskampf befürchtet 

Nach einem halben Jahr mit der neuen Regelung zieht die GVB eine positive Bilanz: «Bis anhin haben wir noch keine negativen Rückmeldungen erhalten, weder von den Hauseigentümern noch von den Kaminfegermeistern», so Zampieri. Feuz findet, dass der Start gelungen ist und dass die Betriebe mit der neuen Situation gut zurechtkommen. Aber könnten diese durch den freien Markt finanziell nicht vom Regen in die Traufe kommen? Schliesslich ist nun auch der langjährige Stundenansatz nicht mehr garantiert. Feuz: «Dass die Liberalisierung zu einem grossen Konkurrenz- und Preiskampf werden wird, glaube ich eher nicht.»

 

Die Hauseigentümerseite nach einem Fazit zu fragen, ist naturgemäss schwieriger. Am besten über die Freuden und Leiden der Einwohnerschaft im Bilde sind in der Regel die Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber. «Bei uns sind zur freien Kaminfegerwahl keine Reaktionen aus der Bevölkerung eingegangen», sagt Kristin Bayard, Sachbearbeiterin bei der Bauverwaltung von Brügg. Die Gemeinde beauftrage für die Kontrolle beziehungsweise den Unterhalt der Feuerungsanlagen in ihren Liegenschaften weiterhin den ehemaligen Kreiskaminfegermeister. 

 

Auch in Grossaffoltern hat es keine Rückmeldungen aus der Bevölkerung gegeben, wie die Verwaltungsangestellte Brigitte Rutsch sagt. Die Gemeinde arbeite weiterhin mit der Firma Messerli aus Schüpfen zusammen.

Und auch in Orpund hat es keine einzige Rückmeldung von Liegenschaftsbesitzern gegeben. «Ob sich diese tatsächlich damit auseinandergesetzt und zum Beispiel mehrere Offerten bei Kaminfegergeschäften eingeholt haben, oder ob man der Einfachheit halber beim bisherigen Anbieter bleibt, können wir nicht beurteilen», so Gemeindeschreiber Peter Schmutz. Unzufriedenheit bezüglich des neuen Systems würde wohl anders klingen.

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Nur Konzessionierte kommen in Frage

Konzessions- und Aufsichtsbehörde der Kaminfegerbetriebe im Bernbiet ist die Gebäudeversicherung des Kantons Bern (GVB). Um eine Konzession zu erhalten, müssen die Kaminfeger unter anderem das eidgenössische Meisterdiplom vorweisen und dürfen nicht in einem Kanton tätig sein, in dem das Monopol herrscht. Bis jetzt hat die GVB 25 Konzessionen ausgestellt: an 20 Kaminfegermeister aus dem Kanton Bern, drei aus dem Kanton Solothurn und zwei aus dem Kanton Luzern. Von den 20 Betrieben im Kanton haben drei eine Konzession erhalten, die bis anhin noch nicht als Kreisinhaber tätig waren. Bisherige Kreisinhaber dürfen ihre Tätigkeit noch bis Ende Jahr ohne Konzession weiterführen. Danach müssen sie sich ebenfalls um eine solche bewerben.

Führt ein konzessionierter Kaminfegermeister seine Arbeit nicht gewissenhaft aus, kann dies der Eigentümer der GVB melden. Diese schickt dann einen unabhängigen Experten vorbei, der sich die Arbeit vor Ort anschaut und beurteilt. Wird der GVB derselbe Kaminfegermeister wiederholt gemeldet, wird dieser verwarnt. Führt er seine Arbeit trotzdem weiterhin mangelhaft aus, hat dies Einfluss auf seine Konzession – von Einschränkungen bis zum Entzug. bk

 

Info: Konzessionierte Kaminfegerbetriebe findet man unterwww.kaminfeger-be.ch

 

Je nach Sprachregion anders organisiert

In der Deutschschweiz wird das traditionelle Kaminfegermonopol immer mehr abgeschafft und durch den freien Markt ersetzt. Nachdem Anfang Jahr auch die Kantone Bern und Thurgau diesen Systemwechsel vollzogen haben, sind nun mehr als die Hälfte der Kantone liberalisiert. 

 

In der Westschweiz präsentiert sich die Situation anders. Dort besteht noch in allen Kantonen das Monopol, und es macht nicht den Anschein, dass die Politik daran so bald etwas zu ändern gedenkt.

Wieder anders sieht es im Kanton Tessin aus: Bei den «Spazzacamini», den Kaminfegern, gab es noch nie ein Monopol. bk

 

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