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«Karotten nützen nichts»

Marc Ruch ist Optiker im Lyssbachpark. Er erzählt, warum manche Leute eine unkorrigierte Brille tragen und weshalb ein gewisser Spray gerade besonders gefragt ist.

Sorgt dafür, dass die Buchstaben scharf werden: Optiker Marc Ruch. Peter Samuel Jaggi
  • Dossier

Aufgezeichnet: Mengia Spahr

Auf dem Optikermarkt gibt es immer mehr Mitbewerber. Es ist aber interessant: Der Teil der Optiker, die eingehen, ist verschwindend klein. Die Nachfrage ist dermassen gewachsen, dass eigentlich alle Platz haben. In den letzten Jahren hörte ich an jeder Weiterbildung, dass die Kurzsichtigkeit zunimmt. Vor allem im asiatischen Raum, aber auch bei uns. Wir sind oft am Computer, strengen die Augen an. Kinder spielen nicht mehr draussen und wenn man auf Besuch ist, drückt man ihnen ein Handy in die Hand, damit sie ruhig sind. Natürlich spielt bei der Kurzsichtigkeit auch der erbliche Faktor eine Rolle, aber es ist eine Tatsache, dass man zu viel in die Nähe fokussiert.

Es gibt drei Hauptfehlsichtigkeiten: Kurzsichtigkeit, wenn man in die Ferne unscharf sieht, Weitsichtigkeit, wenn man Nahes nicht lesen kann und Hornhautverkrümmungen. Kommt hinzu, dass ab dem 40. Lebensjahr generell die Sehkraft in der Nähe nachlässt. Wir nennen das, schön gesagt, jahrgangsbedingte Weitsichtigkeit. Irgendwann wird also jeder beim Optiker vorstellig.

Heutzutage passiert es selten, dass die Leute erst zu uns kommen, wenn sie wirklich schlecht sehen. Jeder muss Dinge von Bildschirmen ablesen und so kommen kleine Sehfehler schneller zum Vorschein. Manchmal haben die Betroffenen auch Beschwerden, leiden unter Augenbrennen oder Kopfschmerzen. Ausserdem kommen die Leute natürlich für den Sehtest fürs Strassenverkehrsamt, wenn sie den Lernfahrausweis lösen wollen. Da kommt es vor, dass manche erstaunt feststellen müssen, dass es nicht reicht. Beim Autofahren ist gutes Sehen unerlässlich. Ich selbst fahre gerne Auto. Ich bin ein Fan amerikanischer Autos. Mein Pontiac Firebird mit Jahrgang 1971, der einen Veteraneneintrag hat, liegt mir sehr am Herzen.

Stellen wir eine Sehschwäche fest, machen wir eine sehr genaue Untersuchung, um das benötigte Brillenglas zu bestimmen. Aber wir machen ganz klar keine medizinische Kontrolle. Wenn wir medizinische Veränderungen feststellen, schicken wir die Kunden zum Augenarzt.

Gerade sind beschlagene Brillen ein grosses Thema – wegen der Maskenpflicht. Es gibt Sprays, die dagegen helfen. Diese waren im letzten Jahr teilweise gar nicht mehr lieferbar, so gross war die Nachfrage.

Nebst Brillen, Kontaktlinsen und Lupen verkaufen wir selbstverständlich Sonnenbrillen. Wir schützen unsere Haut mit Sonnencreme, aber oft geht vergessen, dass die schädliche UV-Strahlung auch für die Augen schlecht ist. Es ist wichtig, dass man eine Sonnenbrille mit UV-Schutz hat. Bei einer ohne gehen die Pupillen hinter dem dunklen Glas auf und lassen noch mehr schädliche Strahlung ins Auge. Also lieber keine als eine schlechte.

Die Sonnenbrille gehört heute zum Outfit. Auch dank ihr hat sich das Image der Brille in den letzten Jahren total verändert. Als ich noch zur Schule ging, wollte niemand eine Brille tragen. Heute bin ich erstaunt, dass es Kinder gibt, die sich auf die Brille freuen. Sie ist ein modisches Accessoire geworden. Wir haben sogar vereinzelt Kunden, die eine Brille tragen, obschon sie gar keine bräuchten. Sie denken, dass sie damit interessanter wirken oder wollen gewisse Makel kaschieren.

Die Auswahl an Fassungen ist riesig. Wir Optiker sind darauf geschult, zu schauen, ob die Brille zur Gesichtsform passt. In ein rundes Gesicht setzt man keine sehr runde Brille. Und der Rahmen muss mit den Augenbrauen harmonieren. Wenn jemand mit absteigenden Augenbrauen eine Brille mit aufsteigender Fassung anzieht, sieht in der Regel auch ein Laie, dass die Form nicht passt. Was nicht mehr so im Trend liegt, sind Farbberatungen. In den 80er-Jahren hängte man Tücher um schaute, was zu den Personen passt. Man unterschied in Sommer-, Herbst-, Winter- und Frühlingstypen. Bei mir floss das noch in die Ausbildung ein.

Auch bei den Gläsern gibt es eine grosse Auswahl. Phototrope-Gläser sind diejenigen, die sich dunkel verfärben. Der grosse Vorteil ist, dass man so die Sonnenbrille immer dabei hat. Aber: Wenn man in einen Tunnel hineinfährt, ist die Brille nicht schlagartig wieder hell. Heute geht es eher wieder dahin, dass man eine korrigierte Sonnenbrille trägt. Wellness-Gläser sind dafür sehr beliebt. Diese filtern das blaue Licht heraus. Das ist kurzwelliges, schädliches Licht. LED-Lampen strahlen es aus, Handys, Computer und Fernseher. Es ist erwiesen, dass es die Netzhaut schneller altern lässt.

Wir erhalten die beschichteten Brillengläser gross und rund und schleifen sie dann zu, zentrieren sie so, dass der optische Mittelpunkt genau vor der Pupille liegt und in die Fassung eingepasst.
Meine Familie hätte es eigentlich gern gesehen, wenn ich studiert hätte. Ich war jedoch etwas schulmüde, also machte ich eine vierjährige Lehre zum Augenoptiker. Ziemlich bald wusste ich, dass ich in dem Beruf Karriere machen will, absolvierte ein zweijähriges Praktikum, um anschliessend doch die Schulbank zu drücken und an der Fachschule ein Vollzeitstudium zu machen. Dieses schloss ich als eidgenössisch diplomierter Augenoptiker ab. Heute nennt man das Optometrist. Diese Ausbildung bevollmächtigt einen, Augenkontrollen durchzuführen und Kontaktlinsen anzupassen. Ich eröffnete zusammen mit einem Partner ein eigenes Geschäft bei der Zytglogge in Bern, wo wir zehn Jahre blieben. Leider starb mein Geschäftspartner an Krebs. Alleine wollte ich das Geschäft nicht weiterführen. Ich fand einen guten Job als Geschäftsführer im Shoppyland Schönbühl bei der Firma Heinzelmann und arbeitete dort, bis die Ocularis Optik AG aus Lyss mich fragte, ob ich Geschäftsführer werden wolle. Als ich die Pläne des Ladens am neuen Standort sah, war ich hell begeistert. Im Shoppyland war es im Winter dunkel, wenn ich kam, und dunkel, wenn ich ging. Nun arbeite ich bei Tageslicht.

Mehrmals jährlich mache ich Weiterbildungen. Ich habe mich auf Kontaktlinsen bei altersbedingter Weitsichtigkeit spezialisiert. Ausserdem beschäftige ich mich aktuell mit kurzsichtigkeit-hemmenden Gläsern und Linsen für Kinder. Ein kurzsichtiges Auge ist zu lange. Nun gibt es spezielle Kontaktlinsen-Typen und neu auch Brillengläser, die dem Auge weniger Anreiz geben, immer weiter in die Länge zu wachsen. Wenn man früh genug eingreift, bei einem Kind, das die erbliche Veranlagung hat, stark kurzsichtig zu werden, kann man noch etwas regeln. Dabei muss ich mit den Augenärztinnen zusammenarbeiten. Nur sie können Kindern diese speziellen Gläser und Linsen verordnen. Denn im Kanton Bern dürfen Augenuntersuchungen an unter 16-Jährigen nur von Augenärzten durchgeführt werden.

Ansonsten gibt es kein Wundermittel für gute Augen. Wichtig ist, dass man sich bei Computerarbeiten Pausen gönnt und den Blick regelmässig in die Ferne schweifen lässt. Karotten nützen hingegen nichts. Sie können täglich zehn Kilogramm davon essen, die Kurzsichtigkeit werden Sie nicht los. Klar, Vitamin A ist wichtig für die Sehleistung, aber wenn man sich gesund ernährt, mangelt es in der Regel nicht daran.

Ich selbst brauchte lange keine Brille. Erst mit 43 begann es mit der Altersweitsichtigkeit. Trotzdem trug ich aber schon zu meinen Zeiten als Geschäftsführer in Bern ab und zu eine. Einfach, weil ich Optiker bin. Man ist an der Quelle und mit der Brille konnte ich argumentieren, sagen: Sehen Sie, meine Gläser sind entspiegelt, da sieht man die Augen gut dahinter.

Stichwörter: Mein Montag, Optiker, Marc Ruch

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