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Sportunterricht

Keine Kontaktsportarten, nicht zu sehr ausser Atem geraten: Turnen in Zeiten von Corona

Ab der Oberstufe gilt Maskenpflicht, auch im Turnunterricht. Damit die Jugendlichen ihren Bewegungsdrang ausleben können, ohne nach Luft zu japsen, haben die Lehrpersonen kreative Lösungen gefunden.

Geraten draussen ausser Puste: Aarbgerger Achtklässler im Sportunterricht. Copyright: Peter Samuel Jaggi

Mengia Spahr

In der zweiten Corona-Welle sollen die obligatorischen Schulen offen bleiben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Möglichst viel Normalität für die Jugendlichen, Entlastung für die Eltern und mehr Lerngerechtigkeit. Damit Schulen nicht zu Ansteckungsherden werden, wurde am 27. Oktober die Maskenpflicht in der Oberstufe eingeführt. Diese gilt laut dem Leitfaden für die Volksschule des Kantons Bern auf dem gesamten Schulgelände und während des Unterrichts. Also auch im Turnunterricht. In einem Dokument, mit dem die Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern häufig gestellte Fragen beantwortet, steht: «Auf Sportarten mit intensivem Körperkontakt wie Kampfsportarten oder Paartanzen sowie hochintensive Ausdauertests ist zu verzichten.» Auch die meisten Ballspiele dürfen nicht ausgeübt werden. Wie kommen die Schülerinnen und Schüler dennoch zu ausreichend Bewegung?
 
Badminton und Yoga
An den Schulen ist man sich bewusst: Sportunterricht mit Maske gestaltet sich schwierig. «Mit Maske wird möglichst nur Sport ausgeübt, bei dem man nicht ausser Atem gerät», sagt der Co-Schulleiter der Aarberger Schulen Martin Heiniger. Beat Eicher, Co-Schulleiter in Büren, nennt dies «maskengerechter Unterricht». Die Bürener Schülerinnen und Schüler führen zum Beispiel taktische Übungen im Unihockey aus. Auch in Ins gibt es Schusstraining beim Hockey. Ausserdem lernen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Tanzstile kennen – «wobei das nicht allen gefällt», wie der Inser Sportlehrer Alexandre Aeschlimann einräumt. Mit ungeduldigen Jugendlichen sieht sich auch Adrian Kurti, Sportlehrer am Oberstufenzentrum Rittermatte in Biel, konfrontiert. Technikübungen ohne anschliessendes Spiel seien zuweilen sehr trocken. «Mir tun die Jugendlichen leid – Sportunterricht mit Maske ist schon sehr gewöhnungsbedürftig», sagt Kurti. Er sieht aber auch eine gute Seite an der Situation: «Der Fernunterricht im Frühling war eine ganz neue Erfahrung. Wir Sportlehrpersonen müssen umdenken und kreative Lösungen finden. Das tut gut, denn so bildet man sich weiter.»
Nebst Techniktrainings oder Parcours ist an den Schulen der Sekundarstufe I Badminton hoch im Kurs, und auch Yoga wurde neuerdings vielerorts ausprobiert.
 
Schwindel verhindern
Büren verfügt über eine Dreifachturnhalle, die tagsüber nicht immer ausgelastet ist. «Deshalb können Klassen ab und zu eine Doppelhalle benutzen, und dort mit mehr Abstand turnen», so Co-Schulleiter Eicher. Die Maske werde aber auch dann getragen und der Sportunterricht gehe nicht über die von der Bildungsdirektion vorgeschriebene «niedrige bis mittlere Intensität» hinaus. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass die Jugendlichen in Atemnot geraten. «Wird jemandem trotz angepasstem Programm schwindlig, darf er oder sie natürlich den Unterricht unterbrechen», sagt Sportlehrer Kurti. Er selbst spürt das Tragen der Maske: «Ich muss viel lauter sprechen, was sich manchmal nach mehreren Lektionen in Form von leichten Kopfschmerzen oder Unwohlsein bemerkbar macht.»
In Büren hat man zudem ein neues Problem erkannt: Damit Sportlehrpersonen trotz Maske ein Spiel abpfeifen können, stellt ihnen die Schule sogenannte Handpfeifen zur Verfügung. Das sind eine Art Bälle, die auf Druck einen Pfeifton von sich geben.
Keine derartigen Zusatzutensilien benötigt die Schule Lengnau: Laut Simon Laederach, Abteilungsleiter Bildung, ist die Turnhalle für die Sekundarstufe I gesperrt. Die Bewegung fehle den Jugendlichen, doch das Risiko sei schlichtweg zu gross. Zu schnell sei eine Maske durchgeschwitzt und nütze nichts mehr. «Die Schülerinnen und Schüler ziehen die Sportkleidung gar nicht erst an. Sie gehen draussen auf Spaziergänge», so Laederach.
 
Im Freien Dampf ablassen
«Möglichst viel Sport im Freien, sofern es das Wetter erlaubt» lautet denn auch die Empfehlung der Erziehungsdirektion. Draussen entfällt die Maskenpflicht. «Als es wärmer war, gingen wir oft joggen oder machten den Vitaparcours», sagt der Inser Sportlehrer Aeschlimann. Auch in Büren, wo die Schule über einen Rasen- und einen Hartplatz verfügt, gehen die Jugendlichen joggen oder spazieren. Ebenfalls seien Velotouren beliebt, sagt Alexander Lees, Abteilungsleiter Bildung und Kultur der Lysser Schulen. Im Oberstufenzentrum Rittermatte, das mitten in der Stadt Biel liegt, sind die Möglichkeiten für Sport im Freien jedoch beschränkt. Sportlehrer Kurti sagt überdies, er wolle nun, da es draussen nass und kalt ist, nicht dazu beitragen, dass die Jugendlichen krank werden.
In Aarberg hingegen wird der Sportunterricht auch an kalten Tagen meistens draussen durchgeführt. Laut Heiniger lädt der nahe Wald zum Wandern und Spielen ein. Die Schülerinnen und Schüler, die oft mit verschmutzten Schuhen ins Schulzimmer zurückkehrten, schätzten insbesondere Lagerspiele. «Alles, was man etwa in der Pfadi macht, eignet sich bestens», erzählt Heiniger. Man baue nicht gerade Hütten mit den Jugendlichen, aber «Versteckis», eine Schnitzeljagd oder Orientierungsläufe kämen gut an. Die Schulleitung habe viele positive Rückmeldungen von Eltern bekommen. «Da die Klassen nicht mehr gemischt werden dürfen, turnen Mädchen und Knaben nun zusammen, und das ist gut für die Klassenbindung», so Heiniger. (Normalerweise turnen die Mädchen und Knaben zweier Parallelklassen zusammen, getrennt nach Geschlecht, Anmerkung der Redaktion.)
Klassenlager, die ja gewöhnlich diesem Zweck dienen, wird es in absehbarer Zeit keine geben. «Wenn im Unterricht Maskenpflicht gilt, ist es unvorstellbar, dass die Schülerinnen und Schüler acht – oder wenigstens sechs – Stunden nebeneinander schlafen sollen», sagt Heiniger. Auch die Oberstufe Lyss hat die Skilager frühzeitig abgesagt. Ausserdem wurde die Planung der traditionellen Schulturniere, die normalerweise im Februar stattfinden und an denen jeweils alle Lysser Schulen beteiligt sind, auf Eis gelegt. Auf die Eisbahn könne man hingegen, so Lees – «es gibt also auch im Winter Möglichkeiten, die Kinder zu bewegen.»
Lees sagt, er habe Verständnis dafür, wenn sich Oberstufenschülerinnen und -schüler nicht dafür begeistern lassen, in jeder Lektion Yoga zu machen. Er stellt fest, dass die fehlenden Gelegenheiten, Dampf abzulassen, Auswirkungen haben: «Es gibt in Lyss momentan mehr Sachbeschädigungen an den Schulen als in anderen Jahren.» Er führt dies direkt auf die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten und Freizeitaktivitäten zurück. Es sei eine anspruchsvolle Phase für die Jugendlichen, aber auch für die Lehrpersonen.
 
Anpassungen und Ausfälle
Lehrpersonen müssen oft einspringen, wenn Kolleginnen und Kollegen ausfallen, weil sie sich in Quarantäne begeben müssen. Und sie müssen sich nach ständig wechselnden Regeln richten. Denn die Weisungen der Erziehungsdirektion werden laufend ergänzt und geändert. Lees zufolge melden die Lehrpersonen ihre Erfahrungen im Unterricht an die Schulleitung, welche diese an die Gemeinde weiterleitet, die ihrerseits die kantonale Stelle darüber in Kenntnis setzt.
Weil die Schule Eltern, Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler nicht mit wechselnden Regelungen verunsichern will, sagen die Verantwortlichen in Lengnau lieber einmal etwas zu früh ab, erklärt Laederach. Der Schwimmunterricht wurde aus diesem Grund bis zu den Weihnachtsferien ausgesetzt. Da Aarberg nur über ein Aussenschwimmbecken verfügt, stellte sich an der dortigen Schule eine solche Frage gar nicht erst. Denn bei jedem Wetter an die frische Luft, bedeutet noch lange nicht, bei jedem Wetter ins Wasser.
 

Musikunterricht – Auch die richtigen Töne sind nicht immer rein

Maskenpflicht gilt auch für den Musikunterricht. So singen die Jugendlichen auf der Sekundarstufe I mit Maske. Gemäss Alexander Lees, Abteilungsleiter Bildung und Kultur der Lysser Schulen, haben die Oberstufenschülerinnen und -schüler in Lyss deshalb mehr Theorieunterricht, behandeln die Musikgeschichte oder hören sich Musik an. Auch in Aarberg wird gemäss Co-Schulleiter Martin Heiniger derzeit wenig gesungen, dafür mehr Instrumentalmusik gespielt. Das Adventssingen musste abgesagt werden – die diesbezügliche Regelung ist klar: «Das Chorsingen (gemeinsames Singen von mehr als einer Klasse) wird auf Anweisung des Bundesrats auf allen Stufen bis auf weiteres verboten.»
Die Schule in Büren, die das öffentliche Weihnachtssingen ebenfalls annullierte, hat eine Lösung für den Flötenunterricht gefunden. Co-Schulleiter Beat Eicher erklärt: «Für die Flötengruppe gestaltete sich die Situation nicht gerade einfach – da kommt ja nicht immer nur Luft raus.» Aber mit Abstand und einer grossen Plexiglasscheibe könne der Unterricht fortgeführt werden.

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