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Ipsach

Leonie Moser erkämpft sich ihren Platz - trotz Behinderung

Die 18-jährige Leonie Moser arbeitet an zwei Vormittagen pro Woche im Kindergarten Ipsach. Nach anfänglicher Scheu haben sich die Kinder schnell an die Lehrerin im Rollstuhl gewöhnt. Hürden auf dem Weg in die Berufswelt gab es aber trotzdem.

Andrea Bürgy Moser (links) war von 2007 bis 2009 die Kindergärtnerin von Leonie Moser. Jetzt arbeiten sie zusammen. Bild: Peter Samuel Jaggi

Carmen Stalder

Auf dem Tresen liegen Melonen, Würste und Tomaten. Leonie Moser betrachtet die Ware. Sie würde gerne eine Brezel nehmen, sagt sie der Verkäuferin, und streckt ihr eine 1000er-Note entgegen. Sie erhält das Gebäck – und dieselbe Note als Rückgeld. Die junge Frau lacht und rollt davon. Hinter dem Tresen steht Jenila, Kindergärtelerin in Ipsach und heute als Marktverkäuferin im Einsatz. «Zuerst fand ich es komisch», sagt sie über die Kindergärtnerin im Rollstuhl. «Aber jetzt nicht mehr.»

Leonie Moser ist 18 Jahre alt und in Ipsach aufgewachsen. Nach dem Kindergarten trat sie in die Blindenschule in Zollikofen ein, wo sie ihre gesamte Schulzeit absolvierte. Aufgrund einer Hirnblutung hat sie seit der Geburt körperliche und kognitive Einschränkungen: eine Sehbehinderung mit eingeschränktem Sichtfeld sowie Weit- und Kurzsichtigkeit, eine Lernbehinderung und eine halbseitige Lähmung. Das hindert sie aber nicht daran, im Kindergarten mitzuhelfen. Ab August 2016 absolvierte sie im Rahmen der Berufsfindung ein dreijähriges Praktikum bei ihrer ehemaligen Kindergärtnerin Andrea Bürgy Moser, währenddem sie an einem Morgen pro Woche die Kinder mitbetreute.

Auf eigene Faust initiiert

Im Juli dieses Jahres endete die obligatorische Schulzeit von Leonie Moser. Es stellte sich die Frage, wie es für die 18-Jährige weitergehen sollte. Durch eine Lehre direkt in den Arbeitsmarkt einzusteigen, war für sie aufgrund ihres Handicaps nicht möglich. Die Invalidenversicherung (IV) wollte ihr deshalb keine Ausbildung finanzieren. Naheliegende Lösung wäre gewesen, dass sie einen geschützten Arbeitsplatz in einer Institution gesucht hätte.

Davon waren ihre Eltern nicht begeistert. «Das wäre für Leonie zu wenig interessant gewesen», sagt ihre Mutter Esther Moser. Sie und ihr Mann haben sich in dieser Situation alleine gelassen gefühlt. Auf eigene Faust hätten sie schliesslich das Gespräch mit dem Kindergarten Ipsach gesucht – mit der Idee, das befristete Praktikum auf einen fixen Einsatz auszuweiten. Mit diesem Anliegen stiessen die Eltern sowohl bei der Schule als auch bei der Gemeinde auf offene Ohren.

Etwa ein Jahr nahmen die Gespräche mit allen Beteiligten, das Ausfüllen von Formularen und Anträgen, das Diskutieren über die genaue Arbeit und alle weiteren Schritte in Anspruch. Am Ende des Prozesses hat der Gemeinderat Ipsach zugestimmt, einen sogenannten Inklusionsarbeitsplatz für Leonie Moser zu schaffen. Damit nehme die Schule Ipsach eine Vorreiterrolle ein, sagt die Schulleiterin Ursula von Niederhäusern. «Von einem durch die Gemeinde finanzierten Inklusionsarbeitsplatz an einer Schule habe ich zuvor noch nie gehört.»

Lob gibt es auch von den Eltern von Leonie Moser: «Wir sind sehr froh über diese Lösung», sagt
Esther Moser. An zwei Morgen arbeitet ihre Tochter nun im Kindergarten, an zwei weiteren Tagen in der Stiftung Dammweg und am letzten Arbeitstag der Woche im Büro des Vaters.

Hürdenlauf für den Rollstuhl

Am Fenster der Kindergartengruppe Ahorn kleben von den Kindern gebastelte Fuchsköpfe, in einem Regal auf Rädern stapeln sich Bilderbücher, in der Mitte des Zimmers steht ein Kreis aus kleinen Stühlen. Dazwischen wuseln 16 Kinder umher. Einige von ihnen spielen mit einem magnetischen Bausatz, Metallkügelchen rollen über den Boden und farbige Stäbchen liegen herum. Für Leonie Moser und ihren Rollstuhl ein Hürdenlauf. Doch sie nimmt es mit Humor und wischt mit der Hand das Spielzeug auf die Seite.

Zu ihren Aufgaben gehört, mit den Kindern zu basteln, ein Buch zu lesen oder ein Spiel zu spielen. Sie hilft beim Znüni vorbereiten, Geburtstagskarten schreiben, Ämtli verteilen, aufräumen und Kinder beaufsichtigen. «Mir war immer klar, dass ich mit Kindern arbeiten möchte», sagt sie. Und Andrea Bürgy Moser ergänzt: «Sie kann gut mit Kindern umgehen – und diese mit ihr.»

Die Gemeinde schreibt in einer Mitteilung, dass der Inklusionsarbeitsplatz nicht nur ein wichtiger Baustein für die Teilnahme von Menschen mit Handicap am gesellschaftlichen Leben sei. «Die Kindergartenkinder lernen im Unterricht auch den direkten Umgang mit Menschen mit einer Behinderung.» Heute scheint die anfängliche Scheu der Kinder gegenüber der neuen Lehrerin längst überwunden. «Zuerst habe ich gedacht, dass sie mit uns keine Spiele spielen kann», sagt Kian. Schnell hat er jedoch festgestellt, dass dem nicht so ist. «Es ist cool mit ihr», meint er und rennt davon.

Kinder sind direkt

Leonie Moser ist es sich gewohnt, dass ihr die Menschen auf der Strasse hinterherblicken. Auch im Kindergarten hat sie mit ihrem Rollstuhl zuerst für Aufsehen gesorgt. «Alle wollten wissen, warum ich im Rollstuhl sitze und warum ich nicht laufen kann», sagt sie. Diese Fragen stören sie nicht – im Gegenteil findet sie es gut, sind Kinder so ehrlich und direkt. Für die Kinder sei die Anwesenheit von Leonie Moser bereits zur Normalität geworden, sagt ihre frühere Kindergärtnerin. Vor dem Stellenantritt hat Leonie Moser den Eltern einen Brief geschrieben, in dem sie sich vorgestellt hat. Darin steht, dass sie gerne singt, reitet und schwimmt – aber auch, dass ihre Beine und ihr rechter Arm wegen einer Tetraparese teilweise gelähmt sind. Negative oder kritische Reaktionen habe sie darauf keine erhalten.

Kurz vor dem Mittag ist es an der Zeit, die Unordnung des Morgens zu beseitigen. Kleine Kinder zum Aufräumen zu bewegen, ist allerdings eine Herausforderung – auch für Leonie Moser, die gerade zwei besonders laute Jungs dazu ermahnt, doch bitte leiser zu sprechen. Der Einsatz im Kindergarten kann anstrengend sein, das bestätigt auch ihre Mutter. «Die Arbeit erfüllt sie, sie kommt immer zufrieden nach Hause. Gleichzeitig sind die Wochen aber auch sehr happig», sagt Esther Moser. Die verschiedenen Arbeitsplätze, dazu die regelmässigen Therapien – das könne schon einmal zu viel werden.

Für alle Beteiligten gilt es deshalb, die mögliche Belastungsgrenze zu erkennen. Für die Kindergärtnerinnen war das zu Beginn nicht einfach. «Ich kann zwar etwas von ihr verlangen, jedoch nicht zu viel», sagt Andrea Bürgy Moser. Ihre Kollegin Verena Ketema von der Gruppe Birke, bei der Leonie Moser den zweiten Arbeitstag verbringt, sieht das ähnlich. Je nach Tagesform könne Leonie Moser mehr oder weniger leisten. Ketema hat allerdings den Anspruch, dass die Schulabgängerin nicht einfach nur da ist, sondern dass sie auch etwas lernen kann. «Ich möchte ihr das Pädagogische mitgeben.»

Zusätzlicher Aufwand

Leonie Moser jedenfalls ist glücklich mit ihrer Anstellung im Kindergarten, bei der sie auch ihren ersten Lohn erhält. Sie findet es spannend, die Kinder immer besser kennenzulernen und zu erfahren, was sie gerne mögen. «Es läuft wirklich gut», sagt sie. Nervös habe sie im Voraus vor allem der Gedanke daran gemacht, alle Namen auswendig lernen zu müssen. Doch das habe sie jetzt im Griff. Ihre Mutter schätzt, dass die Stelle ihrer Tochter die Bestätigung gebe, gebraucht zu werden. «Das gibt ihr ein gutes Gefühl.»

Auch die beiden Kindergärtnerinnen sprechen positiv von ihrer neuen Mitarbeiterin. Sie gehöre dazu und leiste einen wertvollen Beitrag, sagt Verena Ketema. Trotzdem müsse man sich bewusst sein, dass zusätzliche Arbeit entstehe, etwa indem sich die Kindergärtnerinnen geeignete Aufgaben überlegen müssen. Die 70 Franken, welche die Gemeinde dem Kindergarten monatlich für die Inklusionsstelle überweist, sei nur ein symbolischer Betrag. «Diesen Mehraufwand würden wohl nicht alle Arbeitgeber auf sich nehmen», glaubt Ketema.

Anreiz für Arbeitgeber

Das Einstellen von Menschen mit Behinderung könne für einen Arbeitgeber Vorteile mit sich bringen, hält Olivia Perret dagegen. Sie ist Fachberaterin für Arbeitsintegration bei «Profil – Arbeit & Handicap». Die Stiftung fördert die Integration von Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung oder mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt. «Wenn jemand Fachkräften einfache administrative oder auch andere Arbeiten abnehmen kann, ist das für eine Firma durchaus ein Anreiz», sagt sie.

In Ipsach hilft Perret bei der Organisation, Einführung und Evaluation der neu geschaffenen Inklusionsstelle. Der Kontakt mit der Gemeinde und der Schulleitung sei sehr unkompliziert. Das sei nicht bei allen Arbeitgebern so. Die Stelle von Leonie Moser bezeichnet Perret als sehr positives Beispiel. «Sie ist jung und kommt direkt von der Schule, solche Fälle haben wir eher selten», sagt sie. Leonie Moser habe einen guten Zugang zu den Kindern, gehe aktiv auf sie zu und spreche offen über ihre Behinderung. Für die junge Frau habe die Stelle auch deshalb einen hohen Stellenwert, weil sie soziale Kontakte mit Menschen ohne Behinderung knüpfen könne. Im Gegensatz zu einer Anstellung in einer Institution geschehe so eine aktive gesellschaftliche Inklusion.

Kurz vor dem Mittag ist es an der Zeit, die Kinder zu verabschieden. Leonie Moser und Andrea Bürgy Moser sitzen mit ihnen im Kreis, um ein Weihnachtslied zu singen – das erste der Saison. Danach beugen sich die Kinder mit geschlossenen Augen nach vorne. Mit ihrem Rollstuhl fährt Leonie Moser im Kreis und berührt ein Kind nach dem anderen am Rücken. Es ist das Zeichen, dass sie nach Hause gehen dürfen. Und für Leonie Moser der Moment, in dem sie einen weiteren Arbeitstag im Kindergarten erfolgreich abgeschlossen hat.

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Inklusion – was bedeutet das?

Inklusion bedeutet, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Menschen mit Behinderungen sollen sich nicht integrieren und an die Umwelt anpassen müssen, sondern diese ist von vornherein so ausgestattet, dass alle Menschen gleichberechtigt leben können. cst

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«Sehbehinderte können fast jeden Beruf lernen»

Interview: Andrea Butorin

Martina Peter, ist Leonie Mosers Anstellung im Ipsacher Kindergarten und damit im ersten Arbeitsmarkt für Sie eine Erfolgsgeschichte?

Martina Peter: Ja, das war auf jeden Fall ein Pilotprojekt, das ich mit ihr angegangen bin. Denn es ist eher selten, dass Menschen, die eine IV-Rente zugesprochen bekommen, in einem Inklusionsarbeitsplatz Fuss fassen können. Die meisten finden Anschluss in Erwachseneninstitutionen wie etwa der Stiftung Dammweg, wo Leonie zusätzlich noch an zwei Wochentagen arbeitet.

Wer sich die Gemeinde Ipsach als Vorbild nehmen und Menschen mit Beeinträchtigung anstellen will, muss eine Menge administrativen Aufwand auf sich nehmen. Wie könnte man diesen Prozess vereinfachen?

Wir haben mit der Beratungsstelle Profil zusammengearbeitet, die viele administrative Arbeiten übernommen hat. Aber natürlich bleibt trotzdem noch einiges zu tun: Der Gemeinderat musste den Entscheid fällen, die Stelle zu schaffen und die finanziellen Mittel dafür sprechen. Und Schulleiterin Ursula von Niederhäusern hatte eine Menge Schreibarbeit zu machen, um den Verlauf zu schildern. Ich denke, den administrativen Mehraufwand muss man auf sich nehmen, wenn man vom Inklusionsprojekt überzeugt ist. Wenn der Inklusionsgedanke irgendwann noch besser in der Gesellschaft verankert ist, kann ich mir vorstellen, dass der administrative Aufwand vereinfacht werden kann.

Während der Schule wird das Thema Inklusion zwar gefördert, etwa mit dem Praxiseinsatz während der letzten drei Jahre an der Oberstufe. Doch wie ist es danach?

Leonie besuchte bei uns die Oberstufe im Bereich «Sehen». Die meisten Schülerinnen und Schüler aus diesem Bereich fangen danach eine Ausbildung an, ob im ersten oder auch im geschützten Arbeitsmarkt. Da ist der Inklusionsgedanke gross. Die wenigsten, die bei uns im Bereich «Sehen» aus der Schule kommen, erhalten direkt eine IV-Rente zugesprochen. Anders im Bereich «Sehen Plus»: Dort findet während der Schulzeit weniger Inklusion statt, es gibt keine Praxiseinsätze. Die Schüler gehen in Erwachseneninstitutionen über, weil die Beeinträchtigungen so gross sind, dass es schwierig wäre, einen geeigneten Platz zu finden. Leonie ist ein Grenzfall, wenn ich das so sagen darf. Ihre körperlichen und kognitiven Einschränkungen sind nicht so gross, dass sie die Bedingungen für einen Inklusionsarbeitsplatz nicht erfüllen könnte. Für manche Menschen mit Beeinträchtigung würde ein solcher Arbeitsplatz eine Überforderung darstellen, für andere wiederum eine Unterforderung, weil sie eine Ausbildung machen können.

Was sind Ihre Aufgaben als Berufswahlkoordinatorin?

Ich begleite die Schüler aus dem Bereich «Sehen» ab der
7. Klasse in eine Anschlusslösung. Wir machen ganz normalen Berufswahlunterricht wie an den öffentlichen Schulen. Dann koordiniere ich die Zusammenarbeit mit der IV und suche gezielt nach Anschlusslösungen. Das geht von Schülern, die ans Gymnasium übertreten, bis hin zu Fällen wie bei Leonie mit einer Rentenbasis.

Sie sagten, dass Schülerinnen und Schüler wie Leonie Moser, denen eine IV-Rente zugesprochen wird, meist in Erwachseneninstitutionen übergehen. Machen Sie Werbung bei Firmen, um Lösungen wie in Ipsach anzustreben?

Gezielt Werbung mache ich nicht. Die Möglichkeit eines Inklusionsarbeitsplatzes, wie Leonie ihn hat, ist eine von 50 Ideen für Anschlusslösungen. Wenn wir finden, dass so etwas passen könnte, macht man sich gezielt auf die Suche nach Betrieben, die infrage kommen könnten.

Werden Sie mit Ängsten und Vorurteilen konfrontiert?

Wenn ich Praxiseinsätze für Schüler suche, sind auf jeden Fall Vorurteile und Ängste da. Aber die meisten lassen sich darauf ein. Vielleicht erst für ein halbes Jahr und letztlich dann doch für die ganzen drei Jahre. Das braucht ein vorsichtiges Herantasten und unsererseits das Verständnis für diese Ängste. Für die Betriebe ist es wichtig, zu wissen, dass die Praxiseinsätze jederzeit beendet werden können. Wenn es nicht klappt, kommen die Schüler einfach wieder zu uns in den Schulbetrieb. 90 Prozent der Betriebe, die ich kontaktiere, zeigen sich offen. Die restlichen 10 Prozent kann ich auch verstehen: Vielleicht läuft es in der Firma gerade nicht gut, oder es gab Personalwechsel. Dann bringt es nichts, denn für die Schaffung eines Inklusionsarbeitsplatzes muss im Betrieb eine stabile Situation herrschen. Da Leonie in Ipsach bereits ihren Praxiseinsatz geleistet hatte, war es für sie einfacher. Die Leute kannten sie und wussten, was sie leisten kann und worauf sie sich einlassen.

Somit sind die Praxiseinsätze sehr wichtig, sowohl für die Schüler, damit sie erstmals in die Arbeitswelt eintauchen können, als auch für die Betriebe, um Ängste abzubauen.

Ja. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Schülerinnen und Schüler, die einen Praxiseinsatz machen und sich dann für diesen Beruf bewerben, die besseren Chancen haben, weil sie beim Schnuppern schon überzeugen konnten.

Welche Berufe eignen sich für Menschen mit Sehbehinderung?

Berufe wie Ärztin oder Chauffeur, bei denen die Sehschärfe perfekt sein muss, fallen natürlich weg. Ansonsten kann man fast jeden Beruf lernen. Beispiele aus meiner Praxis: Fachmann Betriebsunterhalt, medizinischer Masseur, kaufmännische Ausbildung und sogar Koch und Floristin – Berufe, bei denen man eigentlich annimmt, dass die Lernenden die Farben erkennen sollten. Man muss halt davon ausgehen, dass man vielleicht fünf Prozent der visuell bedingten Anforderungen nicht erfüllen kann, und dann Anpassungen treffen.

Im Kanton Bern wird ab 2023 das neue Behindertenkonzept, das sogenannte Berner Modell, eingeführt. Es soll unter anderem behinderten Menschen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt vereinfachen. Wie genau?

Ich bin keine Fachfrau für das Berner Modell, weil die Menschen, die davon profitieren werden, eine Rentengutsprache der IV aufweisen sollen, ich aber Schülerinnen und Schüler begleite, die nach der Schule in der Regel ausbildungsfähig sind. Die Rente wird dann vielleicht nach der Ausbildung gesprochen, wenn man merkt, dass die Person nicht arbeitsfähig ist. Für die wenigen Fälle, die wie Leonie nach der Schule direkt eine Rente gesprochen kriegen, wird sich viel ändern. Sie und ihre Eltern werden mehr Möglichkeiten erhalten, um individuell angepasste Arbeitssituationen zu schaffen – vielleicht auch im ersten Arbeitsmarkt. Wir haben aber aufgehört, uns Gedanken über das Modell zu machen, weil es schon längst hätte eingeführt werden sollen und wir immer noch nicht wissen, ob es wirklich per 2023 kommt und wie es genau umgesetzt werden soll.

Grundsätzlich befürworten Sie aber den Aspekt, dass das Gesetz zu verstärkter Inklusion beitragen soll?

Ja. Das wird bestimmt eine riesige Umstellung und einen administrativen Mehraufwand verursachen, aber es ist vom Inklusionsgedanken her auf jeden Fall der richtige Weg, wenn die Menschen selbst das Geld bekommen und überlegen, welche Art von Unterstützung sie benötigen. Das ist die richtige Richtung.

 

Info: Martina Peter ist Berufswahlkoordinatorin am Kompetenz-zentrum für Sehförderung der Blindenschule Zollikofen.

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