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Leuzigen

«Letzthin war mir schwindlig»

Hans Brechbühl wird heute 100 Jahre alt. Er lässt es sich nicht nehmen, die Gäste vom BT schon vor dem Haus zu begrüssen. Im bequemen Sessel zu sitzen, ist nicht das Ding des früheren Hufschmieds.

«Nicht vergessen zu atmen, sich viel bewegen und zufrieden sein»: Hans Brechbühl arbeitet auch mit 100 regelmässig in seiner Werkstatt. Reto Probst
  • Dossier

Interview: Deborah Balmer

Hans Brechbühl, wie geht es Ihnen?

Hans Brechbühl: (Kurze Pause) Ein wenig angeschlagen bin ich natürlich schon. Ich habe ein bisschen Schwierigkeiten mit der Verdauung. Kürzlich war es mir am Morgen beim Aufstehen schwindlig, das ist eine Seltenheit, und ich wurde unsicher. Doch es hat sich nun wieder verbessert. Vor Kurzem stellte ich zudem fest, dass ich nicht mehr so gut rieche wie früher.

Wie fühlt man sich denn als 100-Jähriger?

Ich bin dankbar, dass ich noch alles mitmachen kann. Das ist wirklich nicht selbstverständlich. Es gibt auch bereits Junge, die im Kopf oder körperlich nicht mehr zwäg sind. Ich habe also Glück.

Wie sieht ein ganz normaler Tag aus bei Ihnen?

Ich stehe täglich um 6.15 Uhr auf, um 7.30 Uhr kommt dann gewöhnlich die Spitex. Um diese Zeit habe ich bereits gefrühstückt. Am Mittag esse ich immer bei meiner Tochter, die ein paar Häuser weiter lebt. Und jeden Tag mache ich ein Mittagsschläfchen. Ich habe als Hufschmied immer noch ein paar wenige Kunden. Die Arbeit für die Landwirte ging natürlich stark zurück. Aber ich mache noch immer ein wenig Kunstschlosserei, gärtnere ein wenig und halte zwei Kaninchen. So bin ich stets in Bewegung.

Haben Sie im Alter ein anderes Verhältnis zur Zeit erhalten?

Ja, schon. Früher arbeitete man länger und hatte trotzdem mehr Zeit als jetzt. Heute sind alle gestresst und keiner hat mehr einen freien Moment. Was mich angeht: Es stimmt, dass die Zeit schneller vergeht, wenn man älter wird.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit?

Bis letzten Frühling war ich ein aktiver Turner in der Männerriege. Ich bin der älteste Turner im Seeland und es sind immerhin 500 insgesamt. So wurde ich zum Ehrenmitglied. Nun turne ich nicht mehr aktiv, ich will keinen Unfall machen. Aber ich gehöre zu den Gründungsmitgliedern des Turnvereins im Dorf. Auch den Pistolenklub habe ich damals im Jahr 1937 mitgegründet. Mit Schiessen habe ich aber aufgehört, denn wenn die Augen nicht mehr mitspielen, wird es gefährlich.

Glauben Sie, dass es Ihnen besser geht als anderen Hundertjährigen?

Ich kann sicher zufrieden sein, wie es läuft. Auch wenn nicht mehr ganz alles funktioniert. Ein Vergleich ist schwierig: Ich kenne natürlich nicht viele Menschen, die 100-jährig sind (lacht). Eine Nachbarin ist ein Jahr älter, doch sie lebt im Heim und sie kennt Bekannte nicht mehr.

Haben Sie auf eine gesunde Lebensweise geachtet?

Sicher, ja. Wenn mich jemand nach meinem Rezept für das hohe Alter fragt, antworte ich immer gleich: Nicht vergessen zu atmen, sich viel bewegen und zufrieden sein.

Haben Sie geraucht?

In jungen Jahren rauchte ich vielleicht ein paar Mal eine Zigarette. Das war es. Auch mit Alkohol ging ich sparsam um.

Was essen Sie gerne?

Ich bin da gar nicht heikel. Sehr oft Gemüse, manchmal etwas Fleisch, aber nicht sehr häufig.

Haben Sie noch Ziele und Pläne?

(Überlegt lange) Ich hoffe, dass ich noch ein wenig dabei sein kann, dass mir das die Gesundheit erlaubt. Dazu gehört auch, dass man gut auskommt mit der Familie und der Nachbarschaft, das ist viel wert. Wie lange das noch möglich ist, weiss ich natürlich nicht.

Sind Sie im Alter gelassener geworden?

Ein wenig schon. Das bringt das Alter tatsächlich mit sich.

Spielt der Glaube für Sie eine Rolle?

Ja! Ich glaube an Gott; an ein Leben nach dem Tod aber weniger. Ich lese auch nicht in der Bibel, gehe aber sicher einmal im Monat in den Gottesdienst.

Sind sie zufrieden, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken?

Ja.

Was war die schönste Zeit in Ihrem Leben?

Nach dem Weltkrieg gab es sehr viel Arbeit und wir hatten ganz gute Jahre mit unserer Werkstatt, das heisst im Maschinenhandel und dem Beschlagen der «Rösser» lief es sehr gut. Das war befriedigend, ich war zuvor während des Krieges ja Hufschmied im Militär.

Was halten Sie für das Wichtigste im Leben?

Eigentlich schon die Gesundheit. Hinzu kommt die Familie, die zeigt, dass man etwas erreicht hat.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. (Pause) Nein.

Interessieren Sie sich für das politische Geschehen in der Schweiz?

Ja, ein wenig verfolge ich das noch. Auch, was die Parteien machen. Es gefällt mir nicht alles, was die SVP tut.

Interessiert es Sie, was auf der Welt passiert?

Auf jeden Fall. Mich beschäftigt zum Beispiel das Flüchtlingswesen. Ich lese regelmässig Zeitung.

Was bekommen Sie von der modernen Welt mit?

Ich habe Enkelkinder, die mir weiterhelfen, wenn ich technische Hilfe brauche. Der Ältere ist gelernter Elektriker, ein anderer ist Bauschlosser. Wenn es nötig ist, erledigen die beiden Dinge für mich. Generell ist die technische Entwicklung, die seit den 30er-Jahren bis heute passiert ist, riesig. Eigentlich ungeheuer. Aber ein Handy brauche ich nicht, ich kann ohne leben.

Wie feiern Sie Ihren Geburtstag?

Im engeren Rahmen. Den 90. und den 95. Geburtstag haben wir gross gefeiert. Doch jetzt wünsche ich mir eigentlich nicht mehr allzu viel Rummel. Der Lärm, viele Kinder und 50 bis 60 Personen am Fest würden mir Mühe bereiten. Wir feiern mit der Familie.

 

Hans Brechbühl

  • Geboren am 31. Mai 1916 in Feldbrunnen (SO). Bereits sein Vater und sein Grossvater waren Hufschmiede. Seine Mutter kam aus Oberwil und führte einen kleinen Laden. In den 1920er-Jahren ist die Familie nach Frick (AG) gezogen, wo er eingeschult wurde. Später lebte er bei seinen Grosseltern in Oberwil. 1928 kaufte sein Vater ein Haus in Leuzigen. Brechbühl wurde hier konfirmiert und lernte Hufschmied.
  • 1942 heiratete er. Seine Frau starb vor 17 Jahren. Er hat zwei Töchter, fünf Enkel und sechs Urenkel. bal

Kommentare

webec5

Alles gute zu ihrem biblischen geburtstag


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