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Lyss möchte die Reserven anzapfen können

Die Zeiten, als die Jahresrechnung in Lyss für Zündstoff sorgte, sind vorbei: Die Rechnung 2017 stösst bei den Parlamentariern auf Zufriedenheit. Derweil schmiedet die Finanzabteilung Pläne für eine Gesetzesrevision.

Die Jahresrechnung 2017 der Gemeinde Lyss schliesst mit einem Gewinn. Bild: Matthias Käser/a

von Andrea Butorin


Die Zahlen sind aus Perspektive der Gemeinde Lyss erfreulich:Anstelle des budgetierten Defizits von 870000 Franken erwirtschaftete der Allgemeine Haushalt Gemeinde einen Gewinn von 879947 Franken (das BT berichtete). Das Budget 2017 wurde zu 98,7 Prozent eingehalten. «Noch vor ein paar Jahren hatten wir harte finanzielle Zeiten», sagt Gemeindepräsident Andreas Hegg (FDP), «jetzt sind wir solide unterwegs.»
Die grösste Abweichung in Bezug auf das Budget besteht bei den Investitionen:Während knapp 15 Millionen Franken Investitionen budgetiert waren, wurden lediglich 7,8 Millionen Franken investiert. Der Grund liegt in Verschiebungen von Investitionen um ein Jahr oder daran, dass gewisse Ausführungen günstiger getätigt wurden als geplant.
 

Die Steuerkraft sinkt
Lyss hat letztes Jahr mehr Steuern eingenommen. Aber:«Bei den natürlichen Personen ist die Steuerkraft leicht sinkend», sagt Finanzverwalter Bruno Steiner. Dieser Trend sei seit drei Jahren festzustellen, die Differenz betrage aber lediglich bei 0,07 bis 0,8 Prozent.
Anders bei den juristischen Personen, also den Firmen:Hier ist ein Wachstum zu verzeichnen. Während Bruno Steiner die Einnahmen bei den natürlichen Personen jeweils nahezu punktgenau budgetiert, geht er bei der Einschätzung der Einnahmen bei den juristischen Steuern bewusst defensiver vor:«Der Zustand einer Firma kann sich rasch und ohne Einfluss der Gemeinde verändern», sagt er weiter.
In den nächsten Jahren stehen in Lyss etwa mit der Sanierung der Schule Stegmatt einige grosse Brocken an:Konkret sind laut Bruno Steiner in den nächsten fünf Jahren Investitionen im Umfang von 75 Millionen Franken geplant. Was positiv ist:«Wir können jedes Jahr 8 Millionen Franken investieren ohne Neuverschuldung.» In diese Planung sei auch bereits die allfällige Unternehmenssteuerreform III des Kantons Bern, die noch ansteht, miteinberechnet. Die Schulden reduzieren sich kurzfristig um 10 Millionen Franken auf 32 Millionen Franken.
 

Lyss sucht das Gespräch
Als «Piece de Résistance» bezeichnet Bruno Steiner die finanzpolitische Reserven. Diese hängen mit dem veränderten Umgang mit den Abschreibungen nach Harmonisiertem Rechnungslegungsmodell 2 (HRM2) zusammen:Früher wurden die Abschreibungen degressiv vorgenommen, nach HRM2 nun linear. «Das hat zur Folge, dass die Gemeinden tiefere Abschreibungen verbuchen», sagt Steiner.
Wenn, wie im Fall von Lyss, die Differenz zwischen den Investitionen und den effektiven Abschreibungen im Plus liegt, dann muss dieser Gewinn laut dem Gesetz in die finanzpolitische Reserve eingelegt werden. «Die Idee dahinter ist, dass die Gemeinden über eine gesunde Selbstfinanzierung verfügen und nicht plötzlich die Steuern senken, bloss weil sie wegen des neuen Systems weniger Abschreibungen machen können», sagt er.
In Lyss umfasste der Topf der finanzpolitischen Reserve rund 1 Million Franken. Wegen des letztes Jahr erzielten Gewinnes hat sich diese Summe nun fast verdoppelt. Wann darf Lyss auf dieses Geld zugreifen? Um das zu erklären, muss Steiner etwas technisch werden:Die Gemeinde dürfe diese Gelder erst dann beanspruchen, wenn der Anteil des Bilanzüberschusses am Gesamtfiskalertrag, der sogenannte Bilanzüberschussquotient, bei unter 30 Prozent liege. In Lyss aber liegt dieser Wert bei 60 Prozent. Die Gelder könnten also erst verwendet werden, wenn sich der Bilanzüberschuss um die Hälfte reduzieren würde. «Das wiederum hätte mit Sicherheit zur Folge, dass das Parlament von uns Massnahmen wie eine Steuererhöhung oder einen Leistungsabbau erwarten würde», sagt Steiner.
Somit kann Lyss diese Reserve gar nie anzapfen. «Weil nicht nur wir, sondern alle Gemeinden dieses Problem haben, suchen wir derzeit nach einer neuen Lösung.» Sowohl mit dem kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung als auch mit anderen Gemeinden habe Lyss bereits Gespräche geführt. Als mögliche Lösung sieht Steiner entweder die Erhöhung des Bilanzüberschussquotienten oder aber eine Gesetzesänderung, sodass die Gemeinden ihre Defizite mit den finanzpolitischen Reserven decken können.   
 

«Relativ erfreut»
Am Montag wird das Lysser Parlament über die Jahresrechnung 2017 befinden. Die Finanzverwaltung heimst von den Fraktionspräsidentinnen und -präsidenten viel Lob ein:«Die Rechnung ist tipptpopp», sagt etwa Steve Fuhrer (BDP), «wenn bei einem Budget von 72 Millionen Franken eine Budgetgenauigkeit von 98,7 Prozent erreicht wird, dann wurde sehr gut gearbeitet.»
Daniel Stähli (FDP) lobt nicht nur das Resultat der Rechnung, sondern auch den «umfangreichen und übersichtlichen Controlling-Bericht». Seine Fraktion habe im Gespräch mit dem Finanzverwalter noch einige Fragen klären können, sagt Jürgen Gerber (EVP). «Wir sind froh über die angesteuerte Richtung. Gut ist auch, dass Schulden abgebaut werden konnten», sagt er. Grundsätzlich zufrieden zeigen sich auch Michel Rudin (GLP) und Katrin Meister.
Auch Urs Köchli (SVP) ist «relativ erfreut». Seit der Einführung der Quo-Vadis-Gruppe, als es um die Lysser Finanzen noch alles andere als gut stand, sei «Ordnung geschaffen worden». Einige kritische Anmerkungen zum Budget werde er an der Sitzung sicher noch anbringen. Details wollte er sich keine entlocken lassen.
Info:Die Sitzung findet am Montag um 19.30 Uhr im Saal des Hotels Weisses Kreuz statt und ist öffentlich.

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Jahresrechnung 2017
Gewinn:879947 Fr.
berücksichtigt sind systembedingte zusätzliche Abschreibungen von 870947 Fr.
Aufwand Allgemeiner Haushalt:72,7 Millionen Fr.
Ertrag Allgemeiner Haushalt:72,7 Millionen Fr.
Netto-flüssige Mittel:12 Millionen Fr.
Eigenkapital:75 Millionen Fr.
Bilanzüberschuss Allgemeiner Haushalt:26,39 Millionen Fr. (12 Steuerzehntel)
Bilanzsumme:125 Millionen Fr.
Schulden:42 Millionen Fr.
Nettoinvestitionen:7,8 Millionen Fr.

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Weitere Traktanden
Gewährung eines Baurechts an Bäckerei Burkhard aus Lyss in Industriezone Süd für den Neubau einer Bäckerei mit integriertem Fabrikladen.
Totalrevision des Kurtaxenreglements
Kreditabrechnung Entlastungsstollen Lyss sowie für Rückbau der Sofortmassnahmen für Hochwasserschutz.
Stellungnahme zu Motion der Grünen «Fair Trade Town Lyss» (der Gemeinderat empfiehlt Ablehnung.)
Stellungnahme zum Postulat SP/Grüne:Spielraumkonzept Lyss-Busswil.

Stichwörter: Lyss, Jahresrechnung 2017, GGR

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