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Winterschlaf

Mehr Mut zur Wildnis

Die Igel sind schon bald reif für den Winterschlaf. Liegengelassene Laubhaufen oder Totholz können für sie überlebenswichtig sein. Eine weitere Folge in der Serie «Wildlebende Tiere im Seeland».

Kranke und von Parasiten befallene Igel haben wenig Chancen, den Winter zu überleben. Tierheime und Igelstationen kümmern sich um sie. zvg

von Heidi Flückiger

In den Gärten ist es still geworden. Das Summen der Bienen ist verstummt, zwitschernde Vögel sind nur noch selten zu hören und Igel trifft man in freier Natur schon bald nicht mehr an. «Igel gehen in den Winterschlaf, wenn die Temperaturen unter fünf Grad Celsius fallen und sie genügend Speck angefressen haben», weiss Bernhard Bader, Geschäftsleiter des Vereins Pro Igel in Russikon. Es sei nichts Ungewöhnliches, auch noch Mitte Dezember Igel auf der Futtersuche anzutreffen, sagt er.

Pro Igel setzt sich für den Schutz und die Förderung des einheimischen Igels ein. Der Verein ist Anlaufstelle bei Fragen über dieses Tier und vermittelt Finder von kranken Igeln an regionale Kontaktstellen weiter. Trifft man Igel während der kalten Winterzeit noch im Freien an, benötigen sie womöglich menschliche Unterstützung.

 

Wichtige Lebensräume

Noch bis vor 60 Jahren besiedelten Igel in grossem Masse das ganze kleinräumig strukturierte Mittelland mit seinen Hecken und Sträuchern. Durch die industrialisierte Landwirtschaft werden die Tiere aber immer mehr aus ihren ursprünglichen Lebensräumen verdrängt und begeben sich in besiedelte Wohngebiete mit geeigneten Gärten und Parkanlagen. Wenn allzu ordnungsliebende Gartenbesitzer aber Grünflächen in Einöden verwandeln, wird es für diese und viele andere Tiere auch dort zunehmend problematisch. Das trifft vor allem auf Gärten zu, wo im Sommer jeder Wildwuchs mit Pestiziden behandelt und im Herbst jedes Laubblättchen mit dem Laubsauger entfernt wird. Dadurch fallen für Igel nicht nur wichtige Nahrungsquellen weg, sondern auch überlebensnotwendige Rückzugsmöglichkeiten. Igel sind Insektenfresser und auf Käfer, Ameisen, Larven, Regenwürmer, Spinnen und andere kleine Kriechtiere angewiesen, die wiederum fast nur unter Dickicht und bei einheimischen Pflanzen zu finden sind. Ein Problem sind Gärten und Parks mit exotischen Sträuchern und Blumen sowie mit Zierrasen. Derartige Gartengestaltungen mögen ein schöner Anblick sein, sind aber für hiesige Tiere und ökologisch gesehen quasi wertlos.

 

Urtümliche Wildtiere

Im Grunde genommen sind Igel keine Hausgartentiere, sondern Wildtiere, die seit Millionen von Jahren auf der Erde unterwegs sind. Damit es ihnen auch weiterhin gut geht, sollten Gartenbesitzer ein wenig Mut zur Wildnis haben. Mit relativ kleinem Aufwand können sie Grosses bewirken. Zum Überwintern benötigen Stacheltiere nämlich Nester, die wärmeisoliert sowie regen- und schneeundurchlässig sind. Um diese Nester herrichten zu können, sind ihnen naturnahe Gärten mit etwas Dickicht, Astschnitten, Totholz und liegengelassenen Baumblättern dienlich.

 

Nicht alle benötigen Hilfe

Damit Igel den Winterschlaf gut überstehen, müssen sie genügend Fettreserven angefressen haben und bei guter Gesundheit sein. Ob ein Igel tatsächlich krank ist, kann anhand seines Verhaltens relativ schnell festgestellt werden. Wirkt er apathisch und kann sich kaum noch bewegen oder nicht mehr einrollen, leidet er womöglich unter Parasiten, Husten, Schnupfen, oder Durchfall.

Aber nicht gleich jeder Igel, der einem zur jetzigen Jahreszeit vor die Füsse läuft oder im Garten herumstreift, muss krank sein. Ihn sofort einzusammeln und bei einer Igelstation oder einem Tierheim abzugeben, wäre unter Umständen verfrüht. Genaues Beobachten, vielleicht sogar über mehrere Stunden hinweg, kann aufklärend sein. Falsch angebrachte Hilfeleistung kann unter Umständen schädlicher sein als gar keine. Deshalb im Zweifelsfall immer den Rat von Fachpersonen einholen.

Auskunft bei Fragen erteilen nebst dem schweizweit tätigen Verein Pro Igel auch regionale Igelstationen und Tierheime wie das Aarebrüggli in Grenchen und das Rosel in Orpund. Bei Igelstationen und Tierheimen werden kranke Igel untersucht, mit Futter aufgepäppelt, gepflegt, von Parasiten befreit und wenn nötig zum Überwintern einquartiert, um sie im Frühling gesund und munter wieder in die Freiheit zu entlassen.

 

Fundstelle merken

Igel sind reviertreue Tiere, deshalb ist es wichtig, sie wenn möglich dort freizulassen, wo sie aufgefunden worden sind. Igelretter sollten sich deshalb die Fundstelle gut merken und diese den Auffangstationen kundtun. Kein geeigneter Lebensraum für den Igel ist der Wald. «Im Wald ist er vielen Greifvögeln ausgesetzt», sagt Ivan Schmid, Leiter des Tierheims Aarebrüggli.

Noch befinden sich nicht allzuviele Igel in Tierheimen und Igelstationen. Im Aarebrüggli hausen momentan 15 Stacheltiere. «Wir haben das ganze Jahr hindurch etwa 80 bis 100 Igel, die zu uns gebracht und wieder in die Freiheit entlassen werden», so Ivan Schmid. Die meisten in Obhut gebrachten Igel würden unter dem Befall von Parasiten leiden und Jungtiere seien fast immer untergewichtig, sagt er.

Die offizielle Igelstation der Region ist das Tierheim Orpund. «Bei uns sind momentan sechs Igel in Pflege, zwei davon befinden sich bereits im Winterschlaf», sagt Melanie Gutmann, Tierpflegerin. Auch in diesem Tierheim werden bis zu 100 Stacheltiere gesundgepflegt, allenfalls überwintert und im Frühling wieder freigelassen. Wie viele es letztendlich werden, könne im Voraus nicht gesagt werden, so Melanie Gutmann.

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