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Rüti

«Meine Kunden weinen manchmal»

Sandra Moyo malt Hundeporträts. Exakt, schwarz-weiss, mit Ölfarbe und feinen Pinseln. Für die Kunden sind Moyos Bilder mehr als Kunst: Sie sollen den Charakter ihrer Vierbeiner widerspiegeln – besonders dann, wenn diese bereits verstorben sind.

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Aufgezeichnet: Hannah Frei

Vor fünf Monaten hat sich mein Leben verändert: Die holländische Schäferhündin Malu kam zu uns. Seither wohnen wir zu viert in Rüti, ich, meine Partnerin und unsere beiden Hunde. Die bald 14-jährige Joyce, die ältere der beiden Hündinnen, hört nicht mehr so gut. Manchmal bleibt sie einfach liegen, wenn ich nach ihr rufe. Das ist bei Malu anders. Sie fordert uns, will, dass immer etwas läuft.

Die Morgen verbringe ich hauptsächlich in der Natur. Ich gehe mit den Hunden der Aare entlang. Die Spaziergänge können schon mal zwei Stunden dauern. In der Natur, nahe am Wasser, in Begleitung meiner beiden Hunde, dort gefällt es mir am besten.
Nach den Spaziergängen setze ich mich meist hin und male Hundeporträts, manchmal bis tief in die Nacht. Für ein Bild brauche ich im Schnitt etwa sechs Stunden. Mir ist wichtig, dass ich eine Beziehung zu den Kunden und auch den Hunden aufbauen kann. Schliesslich will ich mit meinen Bildern nicht einfach ein Foto kopieren, sondern den Charakter des Hundes einfangen und zeigen, auf meine eigene künstlerische Art und Weise.

Nach Rüti kam ich vor zweieinhalb Jahren per Zufall. Mir hat diese Wohnung gefallen, auch das Dorf, diese Ruhe. Zuvor wohnte ich in Brügg, direkt neben der Hauptstrasse. Dort war es mir zu laut. Früher wohnte ich in Winterthur, mitten in der Stadt. Heute könnte ich mir dies nicht mehr vorstellen. Ich brauche die Ruhe und die Nähe zur Natur.

Aufgewachsen bin ich im Kanton Bern. Ich absolvierte die Handelsschule und arbeitete danach im Asylwesen. Aber meine Vergangenheit ist düster. Diese möchte ich hinter mir lassen. Auch deshalb habe ich einen neuen Nachnamen gewählt, einen Künstlernamen. Das Malen war bereits als Kind eine Überlebensstrategie für mich. Aber auch eine Ressource, was bis heute so geblieben ist. Nun will ich nach vorne schauen. In eine Zukunft, in der ich mich traue, das Vergangene zu verarbeiten und mit meiner Kunst ein neues Kapitel aufzuschlagen. Denn das Malen gibt mir Sicherheit, Halt und Freude.

Den ersten Hund malte ich vor zirka einem Jahr. Ich weiss gar nicht mehr recht, wie es dazu gekommen ist – und weshalb erst so spät. Schliesslich male ich schon seit meiner Kindheit, meistens Tiere, eine Zeit lang porträtierte ich auch ältere Frauen und stellte Skulpturen her. Auch aufgrund meiner Hündin Joyce wäre es naheliegend gewesen, Hundeporträts zu malen. Sie ist etwas ganz Besonderes für mich, mein Seelenhund. Sie war aber nicht der erste Hund, den ich gemalt habe. Davor habe ich mich lange gedrückt. Ich befürchtete, ihren Charakter auf dem Bild nicht gut einfangen zu können. Das passiert mir manchmal. Dann, wenn es beim Malen einfach nicht laufen will. Manchmal mache ich dann einen Tag Pause, kümmere mich um andere Dinge. So ist das wohl bei jeder Künstlerin und jedem Künstler.
Für meine Hundeporträts habe ich eine eigene Technik entwickelt. Ich arbeite mit Ölfarben, feinen Pinseln und verschiedenen Formen von Radiergummis. Manche Hunde sind für mich schwieriger zu malen. Beispielsweise, wenn es wenig Kontraste gibt. Aber bisher habe ich es noch immer hingekriegt. Im letzten Jahr habe ich mehrere Dutzend Hundeporträts erstellt. Und ich bin es längst nicht leid. Jeder Hund hat etwas Einzigartiges, auch die Rassenhunde, die für manche auf den ersten Blick aussehen wie viele anderer auch.

Für mich ist diese Arbeit oft sehr emotional. Besonders dann, wenn ich das Porträt eines bereits verstorbenen Hundes male. Es ist eine Ehre für mich, zu wissen, dass meine Bilder für die Menschen mehr sind als Kunst. Sie sind Erinnerungen an ihre Liebsten, oder ganz besondere und persönliche Geschenke. So kommt es auch manchmal vor, dass die Kunden vor lauter Rührung anfangen zu weinen, wenn sie ihr Bild erhalten. Diese Momente machen meine Arbeit zu etwas ganz Besonderem.

In Zukunft möchte ich gerne vermehrt auch aktiv Vernissagen veranstalten und Projekte mit Tierschutzvereinen durchführen. Letzteres ist bereits in Planung. Zudem möchte ich andere Menschen dazu animieren, so wie ich etwas zu finden, was ihnen bei der Selbstreflexion helfen kann. Und ich möchte ihnen zeigen, dass man alles erreichen kann - auch wenn man die Hoffnung schon fast aufgegeben hat.

Info: www.sandramoyo.ch

Stichwörter: Hunde, Porträt, Zeichnen, Rüti

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