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Meinisberg

«Mir liegen die Menschen am Herzen»

Der Meinisberger Gemeindepräsident Daniel Kruse tritt von der politischen Bühne ab. Er erinnert sich an bewegende Episoden: Wie das Dorf den Transitplatz für Fahrende und ein Bordell gegenüber der Schule abwenden konnte.

Daniel Kruse ein letztes Mal als Gemeindepräsident im Sitzungszimmer. Matthias Käser
von Brigitte Jeckelmann
Ruhige Stimme, überlegte Wortwahl: Daniel Kruse vermittelt den Eindruck eines geerdeten Menschen, im Einklang mit sich und seinem Leben. 30 Jahre hat er für die Meinisberger Politik gegeben. Anfangs als Mitglied zweier Kommissionen, wovon er eine auch präsidierte. Später als Gemeinderat im Ressort Bau. Die letzten acht Jahre war er Gemeindepräsident des Dorfes, das abseits der Achse Grenchen – Biel zwischen Lengnau und Orpund liegt. Kruses Interesse gilt den Menschen. Sie stehen sowohl in seiner Funktion als Politiker als auch in seinem Berufsleben im Zentrum: Der ausgebildete Elektriker hat sich stets im Bereich Arbeitssicherheit weitergebildet und hat seit zwei Jahren den eidgenössischen Fachausweis Arbeitssicherheit in der Tasche. 
 
Viel Arbeit mit grossen Projekten
An diesem regnerischen Nachmittag erinnert sich Daniel Kruse an etliche Ereignisse – erfreuliche und weniger erfreuliche, die er als Gemeindepolitiker erlebt hat. Wohl ein letztes Mal sitzt er im Sitzungsraum des Meinisberger Gemeindehauses am massiven Holztisch und schaut zurück. Denn ab morgen ist seine Zeit als Gemeindepolitiker vorüber, die vorgeschriebene maximale Amtszeit verstrichen. 
«Die letzten Jahre als Gemeindepräsident waren für mich sehr intensiv», sagt er. Die Projekte Erweiterung Schulraum und Neubau der Gemeindeverwaltung sowie die Neuausrichtung des Kiesabbaus in der Grube am Büttenberg gaben und geben viel zu tun; und noch sind sie nicht abgeschlossen. Es sind Projekte, die Meinisberg zum Teil schon seit Jahrzehnten beschäftigen. Beispiel Schulraum: Wie in anderen Gemeinden auch, wird er langsam knapp, zumal die Gemeindeverwaltung auch noch im Schulhaus untergebracht ist. Zudem sind manche Gebäude energietechnisch veraltet. Etwa der Kindergarten, der in den 70er-Jahren als Provisorium errichtet worden war. Bis heute sei man damit nicht weitergekommen, sagt Kruse und lacht. Das zeige, dass die Meinisberger Gemeindepolitiker nicht leichtfertig mit Steuergeldern umgehen. Nicht nur die Schule braucht mehr Platz, auch die Gemeindeverwaltung benötigt ein neues Dach über dem Kopf. Entsprechende Projekte wurden an die Urne gebracht – und verworfen. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. 
 
Transitplatz und der Chutzen
Auf Höhepunkte angesprochen, kommt Kruse als erstes die Sache mit dem Transitplatz für ausländische Fahrende in den Sinn. Zur Erinnerung: Der Kanton Bern wollte den Platz unmittelbar neben dem Dorf bauen, sogar der Regierungsrat hatte das Neun-Millionen-Projekt durchgewunken. Doch sowohl die Gemeinde als auch das Volk hatten sich geschlossen dagegen gewehrt. In der Folge versenkte der Grosse Rat das Projekt. Für Kruse ist zwar klar: «Das Problem ist damit nicht vom Tisch.» 
Aber der Vermutung, dass die Meinisbergerinnen und Meinisberger womöglich fremdenfeindlich sein könnten, widerspricht er für seine Art ungewöhnlich vehement: «Das kann man so überhaupt nicht sagen.» Die ausländischen Fahrenden brauchen einen Platz, das steht für ihn ausser Frage; doch wegen schlechter Erfahrungen mit einem Teil dieser Menschen habe die Bevölkerung von Meinisberg grösste Bedenken, diese in nächster Nähe zu wissen, «das ist doch durchaus nachvollziehbar». Noch weiter zurück liegt eine andere Geschichte, die Kruse aus seinen Erinnerungen hervor kramt: Es geht um den Chutzen-Komplex mitten im Dorf. Einst waren da eine Bar mit Dancing, ein Restaurant und einige Wohnungen. Auch die Post war dort untergebracht. Das Dancing war in den 80er-Jahren weitherum bekannt und zog zahlreiche Besucherinnen und Besucher an. Doch der Erfolg liess nach, das Lokal verkam zusehends. Kruse: «Aus der Disco wurde ein Nachtklub, in dem dubiose Gestalten verkehrten.» Das habe im Dorf viel zu reden gegeben. Der Gipfel war erreicht, als die damaligen Besitzer 2010 im Chutzen eine Kontaktbar mit Sexgewerbe einrichten wollten – und das gleich gegenüber der Schule. Doch auch hier hatte sich das Volk geschlossen dagegen gestellt. Dem damaligen Regierungsstatthalter Werner Könitzer war es laut Kruse zu verdanken, dass das Vorhaben im Sande verlief. Der alte Komplex ist inzwischen längst abgerissen, derzeit werden dort Wohnblöcke gebaut. 
Doch auch ohne den Chutzen gibt es in Meinisberg noch Restaurants. Da ist zum einen der Baselstab und zum anderen natürlich das Bistro Blitz, ein wichtiger Treffpunkt im Dorf. «Ich bin auch stolz darauf, dass wir einen Dorfladen haben», sagt Kruse. Und mit dem Dorfladen auch die Postagentur. Weniger spektakulär gegen aussen, jedoch für das Dorf von grosser Bedeutung, ist für Kruse noch etwas: die Finanzen. «Defizite gab es kaum, was aus meiner Sicht bei dem hohen Steuerfuss von 1,9 eine nicht zu verachtende Leistung ist.» Meinisberg hat mit rund 1300 Einwohnerinnen und Einwohnern eine noch überschaubare Grösse. Zwar wird rege gebaut, mehrere Überbauungen sind am Entstehen, aber sie werden das Dorf nicht derart explodieren lassen wie zum Beispiel Pieterlen. So käme man mit der Infrastruktur nicht gleich in Bedrängnis. Seit dem Jahr 2000 wächst die Einwohnerzahl sanft, aber stetig. Für Kruse «ein gesundes Wachstum, mit dem wir gut klarkommen». Dennoch: Die neu Zugezogenen bringen einen anderen Wind ins Dorf, dessen «harter Kern» vorwiegend aus Einheimischen besteht. Man spüre das an der Denkweise, sagt Kruse. Etwa bei den Abstimmungen an den Gemeindeversammlungen. 
 
Man kennt sich noch
Die «Neuen», so seine Vermutung, seien Neuerungen wie etwa dem Projekt Schulraum gegenüber eher offen als die Alteingesessenen. Aber ansonsten bezeichnet Kruse die Bevölkerung als gut durchmischt. Es gibt mehrere landwirtschaftliche Betriebe, etwas Industrie – und ein aktives Vereinsleben, weshalb Kruse den Begriff «Schlafgemeinde» energisch zurückweist. Bei Kritik an «seinen» Meinisbergerinnen und Meinisbergern wird er dann doch leicht emotional: «Mir liegen die Menschen hier wirklich am Herzen.» Das Dorf sei ländlich geprägt, was Kruse aber als positiv wertet, «weil sich die meisten Leute hier noch kennen und zueinander schauen».
Nun blickt der 56-jährige Kruse nach vorne: Auf ihn wartet ein neuer Job mit neuen Herausforderungen. Er sagt, er spüre bereits jetzt eine Erleichterung. Denn im Alltag zwischen Erwerbsleben, Familie und Gemeindepolitik blieb bisher nicht viel Zeit für Reflexion. So habe er auch nicht richtig mitgekriegt, wie viel Kraft ihn die Gemeindepolitik trotz aller Hingabe gekostet hat. 
Jetzt kommt er doch wieder auf Erlebtes aus seiner Amtszeit zu sprechen. In seiner Eigenschaft als Gemeindepräsident war er auch Siegelungsbeamter. Wenn jemand gestorben ist, muss dieser das Hab und Gut des Verstorbenen registrieren. Das ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Man kommt mit Familien in Kontakt, die sich im Ausnahmezustand befinden. «Das waren jeweils bewegende Momente, die mich sehr berührt haben.» Momente, die bleiben, wie viele andere auch.

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