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«Mit dem himmelblauen Auto 
war es himmeltraurig»

Manchmal fährt Barbara Veljiji nach einem Arbeitstag noch privat eine Runde. Diese Freude will sie anderen vermitteln. Die Fahrlehrerin erzählt, warum sie keine Website braucht.

Wenn sie nicht gerade unterrichtet, ist Barbara Veljiji selbser am Steuer. Sie möchte in der Champions League fahren. Bild: Yann Staffelbach
  • Dossier

Aufgezeichnet: Mengia Spahr

Ich sagte einmal: Wenn mir jemand hinten reinfährt, ist es halt passiert, aber wenn vorne ein Schaden entsteht und es meine Schuld ist, bin ich nicht mehr Fahrlehrerin. Meine Schülerinnen und Schüler sollen sich in der Fahrstunde sicher fühlen. Man kann brenzlige Situationen aber nicht immer verhindern.

Einmal sagte ich einer Schülerin, dass wir im Kreisel links fahren. Der von rechts kommende Laster fuhr jedoch weiter ungebremst auf den Kreisel zu. Ich begriff, dass sie rechts blinkte, als würden wir den Kreisel verlassen – und stand auf die Bremse. Seit ich als Fahrlehrerin arbeite, habe ich ein paar gefährliche Situationen erlebt. Ab und zu spende ich etwas – vielleicht hat man dann einen Schutzengel.

Links-Rechtsverwechslungen sind ein Problem, häufiger bei Frauen. Ich selbst bin Meisterin darin. Mein erster Fahrschüler war mein Sohn. Ihm sagte ich immer voller Überzeugung «wir biegen links ab», während ich nach rechts zeigte. Das war vor 14 Jahren.

Am liebsten mag ich Schüler, die etwas Mühe haben. Dann muss ich mir gut überlegen, wie ich vorgehe. Fällt ein Schüler zum dritten Mal durch die Fahrprüfung, muss er seine Reaktionsfähigkeit abklären lassen. Diese Abklärung ziehe ich manchmal vor. Ich gebe doch niemandem 200 Fahrstunden, wenn ich von Beginn an Zweifel an der Fahreignung habe. Der Psychologe führt einen Reaktionstest durch. Wenn er zum Schluss kommt, dass es schwierig, aber möglich ist, bleiben wir dran.

Ich habe viele fremdsprachige Fahrschülerinnen und Fahrschüler, auch solche, die neu in der Schweiz sind. Wenn sich eine Person nicht von klein auf gewöhnt ist, im Auto zu sitzen oder wenn jemand immer geschlafen hat, kann man nicht auf vorhandenes Wissen aufbauen. Da kann es passieren, dass jemand ohne mit der Wimper zu zucken im Gegenverkehr fährt.

Mittlerweile kann ich oft erahnen, was meine Schülerinnen und Schüler für Eigenschaften haben. Lernt man etwas Neues, kann man sich nicht verstellen. Im ersten Tunnel spüre ich sofort, ob jemand Platzangst hat.

Meine Fahrschülerinnen sind oft nicht von Anfang an die Besten, aber vielleicht fahren sie später gerne. Es ist mir wichtig, ihnen Freude zu vermitteln. Bei gewissen bin ich richtig stolz, wenn ich sie später am Steuer sehe und sie sogar die Hand heben können, um zu winken. Aber ich stosse auch ab und zu an meine Grenzen. Es kommt vor, dass es menschlich nicht funktioniert und ich einem Schüler sagen muss, er solle sich eine andere Lehrerin suchen. Das Verhältnis zwischen uns Fahrlehrern und Fahrlehrerinnen und auch die Zusammenarbeit mit den Verkehrsexperten ist gut. Ich bin ja ein spezieller Vogel, aber in Biel fühle ich mich akzeptiert.

Ich habe bewusst keine Website, sonst hätte ich viel zu viel zu tun. Die Leute kommen, weil der Bruder oder die Mutter schon bei mir war. Oft staune ich, wie die Informationen fliessen. Und auf einmal kommt eine Ex-Fahrschülerin und will ein Porträt für das «Bieler Tagblatt» mit mir machen.

Alle zwei bis drei Jahre wechsle ich mein Auto. Ich fahre europäische Marken, denn ich möchte die lokale Produktion unterstützen. Nebst den Funktionen muss mich ein Auto schon auch optisch ansprechen und der Sitz soll bequem sein. Lila oder rosa geht gar nicht. Sonst fahre ich alle Farben. Nur weiss ist mühsam wegen dem Putzen und mit dem Himmelblauen – meinem zweiten Renault – war es wirklich himmeltraurig. Da fuhren mir die ganze Zeit Leute rein. Im Kreisel einmal, und einmal jemand ungebremst. Du meine Güte! Sogar im Stehen sahen sie mich nicht.

Die heutigen Autos sind halbe Computer. Ich kann vor der Stunde jeweils das gewünschte Profil einstellen und schon ist das Fahrzeug eingerichtet. Auf meinem Profil ist zum Beispiel meine Sitzposition gespeichert. Automaten sind die Zukunft. Ich weiss nicht, weshalb man auf diesen Luxus verzichten sollte. Seit letztem Jahr darf man mit der Automatenprüfung auch geschaltete Autos fahren. Doch das funktioniert nicht. Wer nie gekuppelt hat, kann einen Schalter vielleicht in den nächsten Pfosten fahren – falls es einen gibt. Wahrscheinlich kann man aber nicht einmal anfahren. Und wenn jemand das Schalten privat lernt, möchte ich nicht die Kupplung sein. Das kommt teuer.

Ich mag Autos. Die neuste Kampagne der Kantonspolizei mit den Tunern finde ich daneben. Sie bedient Klischees. Schöne Autos haben nicht per se etwas mit schnellem Fahren zu tun. Rasen geht klar nicht. Ich habe schon ein Problem damit, dass es in Deutschland auf der Autobahn keine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. Diejenigen, die den Motor aufheulen lassen, sind nicht diejenigen, die gut fahren. Ein guter Fahrer macht niemandem Angst. Aber letztlich gebe ich Fahrstunden, ich mache keine Charakterbildung.

Privat bin ich immer am Steuer. Ich bin eine unmögliche Beifahrerin und fahre selber viel zu gerne. Am Ende eines Arbeitstags drehe ich manchmal noch eine Runde für mich. Spätestens dann sagt mein Mann: Gehts noch? Mit dem Autofahren ist es wie im Fussball: Viele spielen an Grümpelturnieren, die Champions League ist selten. Ich möchte eigentlich in der Champions League fahren. Wir Frauen fahren sorgfältiger als die Männer, sind weniger risikobereit. Es hat schon seinen Grund, dass wir weniger Versicherungsprämie bezahlen müssen. Ich bremse gerne für andere, aber es sollte wenn möglich niemand für mich bremsen müssen, damit ich heil nach Hause komme. Das ist Berufsstolz. Wenn ich einmal für einen Fussgänger nicht anhalte, habe ich danach drei Tage ein schlechtes Gewissen.

Dass ich Fahrlehrerin geworden bin, verdanke ich meinem Mann. Ich arbeitete, bis ich 40 Jahre alt war, als Vermessungstechnikerin. Für mich war immer klar, dass ich in diesem Alter den Beruf wechsle. Auf Fahrlehrerin wäre ich jedoch nicht gekommen. Mein Mann hat mich zwei Jahre lang bearbeiten müssen und heute bedanke ich mich jeden Tag bei ihm. Einzig die Weiterbildungen werde ich nicht vermissen. Meine Letzte war Traktorfahren.

Ich habe zu meinen Söhnen gesagt: Wenn es bei mir mit dem Fahren einmal nicht mehr geht, müsst ihr mir die Schlüssel wegnehmen – im Wissen darum, dass ich noch einen Reserveschlüssel versteckt habe. Im Ernst, ich hoffe, dass ich trotz Alterssturheit merken werde, wann ich aufhören muss. Für die Zeit danach zähle ich auf den Nachwuchs. Wenn vor meinem Haus ein schönes Auto steht, wird mich meine Enkelin bestimmt gerne damit herumfahren.

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