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Katastrophenhilfe

Mit Kriegsmedizin Elend lindern

Dreckig, heiss und staubig - so fasst der Bieler Arzt Bernhard Thomann seinen Einsatz in Nepal zusammen. Er tut sich solches gerne an. Immer und immer wieder.

Der Arzt Bernhard Thomann schätzt das Zuhause in Biel. Er war schon in Katastrophengebieten rund um die Welt im Einsatz. Copyright: Matthias Käser/Bieler Tagblatt

von Bernhard Rentsch

Es liegen bereits einige Wochen dazwischen, die Erinnerungen sind aber noch sehr wach. Der Bieler Bernhard Thomann erzählt von seinem zweiwöchigen Einsatz als Notfall-Arzt im Mai im Erbebengebiet in Nepal. Kriegschirurgie sei das, und gar nicht vergleichbar mit der Arbeit in der Schweiz. «Man arbeitet unter viel einfacheren Bedingungen. Ausserdem behandelt man Verletzungen, die es so bei uns gar nicht gibt. Fast jeder Fall ist ein Einzelfall.» Dies, weil typischerweise wie in Nepal viele der Knochenbrüche oder Kopfverletzungen bereits einige Tage alt sind. Die Menschen hätten sich dann irgendwie ins Spital geschleppt.

Einsatzort in stark verwüsteten Nepal war die kleine Stadt Gorkha mit gut 30 000 Einwohnern. Die alte Königsstadt liegt im Zentrum des Landes, rund 18 Kilometer vom Epizentrum entfernt. «Damit waren wir zwar nicht ganz am Ort der grössten Schäden. Dahin konnten wir aus logistischen Gründen auch gar nicht vordringen. Wir waren aber nahe genug, um den vielen verletzten Menschen zu helfen.»

Im Regionalspital in Gorkha, von welchem rund die Hälfte der Infrastruktur einsturzgefährdet und unbrauchbar war, das aber grundsätzlich funktionierte, machte Bernhard Thomann nur positive Erfahrungen: «Es entwickelte sich eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem lokalen medizinischen Personal.» Als Schweizer Arzt sei er nach anfänglicher Skepsis sehr schnell integriert worden.

Dies sei auch einer der grossen Unterschiede zu seinem letzten grossen Einsatz in einem Krisengebiet nach dem Erdbeben 2010 in Haiti gewesen: «Vor fünf Jahren waren wir auf uns alleine gestellt. Wegen der totalen Zerstörung konnte von den Einheimischen niemand mehr arbeiten. In Nepal war jedoch das ganze Personal anwesend.»

Als Schweizer Arzt war Bernhard Thomann wenige Tage nach dem Unglück im Land. Die Einsatzleitung der Humanitären Hilfe des Bundes innerhalb des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hatte nach dem Erdbeben rasch entschieden, dass die Schweiz Hilfe entsendet. Der erste Voraustrupp fand dann in Gorkha auch einen sinnvollen Einsatzort. «Dann geht es für uns in diesem Krisen-Interventionsteam schnell.» Rund 24 Stunden nach der Telefonanfrage sass Thomann bereits im Flugzeug. Dank eines sehr guten Teams an Mitarbeitenden kann er dabei jeweils in der Schweiz alles stehen- und liegenlassen und abreisen. «Den Ärger mit den Patienten, deren Termine verschoben werden müssen, haben dann halt leider andere zu ertragen.»

Bernhard Thomann war schon als junger Arzt im Ausland im Einsatz: «Die ersten Erfahrungen machte ich als Assistenzarzt im Sudan. Damals war ich dann aber derart überfordert, dass ich zuerst einiges in die eigene Aus- und Weiterbildung investierte.» Mittlerweilen sei er ein erfahrener Orthopäde, der gut mit solchen Stresssituationen umgehen könne. Medizinisch sei die Arbeit gut zu bewältigen. «Mehr Mühe habe ich zuweilen auf der menschlichen Seite. Man sieht so viel Elend und so viele traurige Schicksale, dass die Verarbeitung nicht immer einfach ist.» Das «Helfersyndrom in mir drin» sei dann aber immer wieder stärker.

Er gehe solche Aufgaben immer mit Respekt, nie mit Angst an. Aber natürlich stehe die Vorsicht im Vordergrund: «Man hält sich an die Weisungen der Statiker. Das eigene Zelt stellt man weit weg von einsturzgefährdeten Gebäuden auf. Und bei Nachbeben ist der kürzeste Fluchtweg nach draussen immer im Augenwinkel.» Man komme jeweils stark «geerdet» nach Hause: «Wer mit den Einheimischen am Brunnen für Trinkwasser ansteht, weiss Vieles wieder zu schätzen.»

Bernhard Thomann bezeichnet sich als Mensch, der Abwechslung brauche. Mit einer Praxis in Burgdorf, mit Halbtageseinsätzen in Lyss und mit dem Operieren in Bern sei sein ganzer Alltag unruhig. «Ich will und brauche das.»

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