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Biel

«Natürlich sorge ich mich um meine Stelle»

Der Brexit-Entscheid beschäftigt nicht nur die Briten im eigenen Land, sondern auch jene in der Schweiz. Das BT hat mit drei Briten aus dem Seeland gesprochen. Die Unsicherheit ist gross.

Weht bald eine Fahne weniger? Die britische und europäische Fahne im Garten der britischen Botschaft in Bern. Keystone

Esthy Rüdiger

Gerade einmal vier Wochen sind vergangen. Noch ist der Brexit-Entscheid nicht verdaut, die Zukunft des Insel-Königreichs ungewiss – für die Briten im eigenen Land, die direkt vom Entscheid betroffen sind, aber auch für die Briten im Ausland. Rund 1700 Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs leben im Kanton Bern. Wie viele davon im Seeland ansässig sind, ist statistisch nicht erfasst.

Bereits seit mehr als 100 Jahren formieren sich im Seeland wohnhafte Briten zum English Club Biel/Bienne, einem der ältesten Clubs seiner Art in der Schweiz.

Rund 50 aktive und 30 passive Mitglieder zählt der Club – unter ihnen finden sich jedoch nicht nur Briten, sondern Englisch sprechende Personen jeglicher Nation, wie es auf der Webseite heisst. Club-Präsidentin Sylvia Jakob selbst ist Britin.

Überrascht vom Entscheid

Lange bevor das Referendum debattiert wurde, sei der Brexit in den britischen Medien bereits breit diskutiert worden, sagt Jakob. «Zeitweise hatte man das Gefühl, es gebe keine anderen Themen mehr.»

Sie selbst habe sich vor der Abstimmung nicht gut informiert gefühlt, obwohl sie regelmässig «BBC» und «Radio 4» konsumiere. «Es war sehr kompliziert – und es gab so viele Meinungen.»

Ähnlich sah es auch Martin Brown*, der seit fünf Jahren bei einer Uhrenfirma in der Region arbeitet. Es sei schwierig gewesen, sich aus der Ferne eine Meinung zu bilden. «Wirtschaftlich gesehen war der Fall für mich aber schnell klar», so Brown Er tauschte sich regelmässig mit seiner Familie und Freunden in seiner Heimatstadt Newcastle aus. «Viele stimmten gegen den Austritt, einige meiner Freunde haben aber ‹leave› gestimmt.» Der Entscheid sei für ihn dann doch überraschend gewesen. «Ich hätte es mir anders gewünscht. Die Folgen sind nicht absehbar», so Martin Brown.

«Verstehe Aufregung nicht»

Sylvia Jakob, die schon bedeutend länger in der Schweiz lebt, bekam von der Stimmung in Grossbritannien wenig mit: «Mit meinen Leuten in England pflege ich nur noch ein- bis zweimal im Jahr Kontakt.» Wie deren Reaktion auf den Brexit-Entscheid sei, könne sie deshalb kaum beurteilen. Jason Miller*, ein Mittzwanziger aus dem Seeland, hat die Abstimmung im Gegensatz zu seinen Landsleuten «nur sporadisch» mitverfolgt. Als Künstler betreffe ihn das politische Geschehen wenig.

Wie auch Brown will er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, nicht im politischen Kontext. «Die Aufregung um den Brexit verstehe ich nicht», sagt er trocken. Den Willen, die EU zu verlassen, könne er aber schon nachvollziehen. «Für mich und auch für die meisten meiner Freunde in der Schweiz war der Entscheid sehr überraschend», sagt Sylvia Jakob. Die «Remain»-Fraktion habe sehr sicher über den Ausgang der Abstimmung gewirkt. «Niemand von uns dachte je an die Möglichkeit, aus der EU auszutreten.»

Sowohl Martin Brown wie auch Sylvia Jakob sind sich einig: Nun gilt «wait and see» – abwarten und sehen, was passiert. In erster Linie denkt Jakob da an die neue Premierministerin Theresa May. «Ein wichtiger Aspekt auf dem weiteren Weg von Grossbritannien.» Für Jason Miller hat sich seit der Abstimmung nicht viel verändert. Das Thema werde ihn auch weiterhin nicht gross beschäftigen: «Wenn es Veränderungen geben wird, die auch mich betreffen, kommen sie noch früh genug», sagt er.

Noch ist das Vertrauen da

Mehr Bedenken hat Martin Brown. Er besitzt keinen Schweizer Pass, ist erst seit wenigen Jahren in der Schweiz. «Natürlich sorge ich mich um meine Arbeitsstelle, sollte der administrative Aufwand für die Firma zu gross werden.» Noch habe er aber Vertrauen, dass genügend Zeit bleibe, den Austritt sauber vorzubereiten.

Bedenken, die Sylvia Jakob nicht teilen muss. Durch ihre Heirat besitzt sie nebst dem britischen auch einen Schweizer Pass. «Und ich kann mir nicht vorstellen, auch nur einen der beiden aufzugeben.»

* Richtige Namen der Redaktion bekannt.

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