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Aarberg

Nun ist das Modell durchlässig

Der Schulverband Aarberg passt sein Schulmodell an. Betroffen sind acht Gemeinden, für die der Wechsel unterschiedliche Folgen hat.

Künftig werden mehr Schülerinnen und Schüler die Oberstufe in Aarberg besuchen. Bild: zvg

Stephanie Jungo

Es hat mehrere Anläufe gebraucht. Nun rücken bald auch in Aarberg Schülerinnen und Schüler von Sek und Real näher zusammen.

Aarberg gehört zu den wenigen Schulen im Kanton Bern, die ein undurchlässiges Modell anwenden. Sprich: Sek- und Realklassen erhalten getrennt Unterricht. Es ist ein Modell, das seit Ende der 90er-Jahre immer mehr verschwindet.

Acht Gemeinden gehören dem Schulverband Aarberg an. Sie schicken ihre Jugendlichen in die Oberstufe nach Aarberg. Einige von ihnen unterrichten die Realklassen noch selbst. Das ändert sich. Aarberg führt ein durchlässiges Modell ein, womit künftig alle Schülerinnen und Schüler in Aarberg unterrichtet werden.

Gemeinde für Gemeinde stimmte dem Wechsel in den vergangenen Monaten zu. Einzig Kallnach entschied, aus dem Verband auszutreten.

 

Der Widerstand

Rosmarie Steffen (SP) ist Gemeinderätin in Aarberg und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Bildungsthemen. Ein Urgestein, wie sie sagt. «Wir haben hier schon mehrere Anläufe unternommen, um ein durchlässiges Modell einzuführen.»

Das Unterfangen sei bisher immer am Widerstand der kleineren Gemeinden gescheitert. «Es entstand vielleicht das Gefühl, dass Aarberg ihnen etwas wegnehmen wolle. Dabei geht es uns nur um die bessere Förderung der einzelnen Schüler.»

Steffen ist überzeugt, dass ein durchlässiges Schulmodell zeitgemäss ist. Auch wenn dadurch mehr Schülerinnen und Schüler in Aarberg unterrichtet würden und dies tendenziell grössere Unruhe mit sich bringt. Dafür sei das Schulangebot vor allem in den Freifächern grösser, und es gebe Möglichkeiten, neue dorfübergreifende Freundschaften zu schliessen. «Das Gefüge in einer grösseren Gruppe bringt den Kindern mehr.»

Rund 60 Schulkinder mehr werden ab 2024 die Oberstufe in Aarberg besuchen, insgesamt 350. Das Schulhaus ist zudem sanierungsbedürftig, und auch das Unterrichten nach Lehrplan 21 erfordert mehr Platz. Es gibt also noch einiges zu tun.

 

Die Alternative

Als eine der letzten Gemeinden stimmte Kappelen dem Wechsel im Januar zu. Vor der Abstimmung gab es Bedenken, etwa dass der Verlust der Oberstufe den Schulstandort Kappelen schwächt. Skeptisch war auch Schulleiter Beat Marti. «Besuchen die Jugendlichen die Oberstufe in Aarberg, schwindet die Identifikation mit dem Dorf.» Der Schritt an eine andere Schule trage zwar zur Entwicklung der Jugendlichen bei, sagt Marti. Eine grössere Schule habe aber auch Nachteile. «Die Anonymität ist grösser, Jugendliche fallen eher durch das soziale Netz.» Eine eigene Oberstufe in Kappelen wäre für ihn durchaus eine Alternative gewesen. Dabei wäre auch ein durchlässiges Modell zum Zug gekommen. «Das war nie bestritten.» Darüber hinaus hätte es wohl Mehrjahrgangsklassen gegeben. Die seien wieder im Trend. «Die Kinder müssen ihre Rolle im Gefüge finden und übernehmen Verantwortung. Mehrjahrgangsklassen ermöglichen zudem einen integrativen Unterricht und einen konstruktiven Umgang mit Vielfalt.»

Dazu wird es nicht kommen. Eine deutliche Mehrheit des Stimmvolks sprach sich im Januar für den Verbleib im Schulverband Aarberg aus. Ein Ergebnis, das Beat Marti akzeptiert.

 

Die Abspaltung

Anders entschied im August Kallnach. Die Gemeinde wird aus dem Schulverband austreten und eine eigene Oberstufe führen. Das hat verschiedene Gründe.

Aktuell ist die Oberstufe auf drei Schulstandorte verteilt. Das geht auf die Fusion mit Golaten zurück. Die Jugendlichen aus Golaten besuchen die Oberstufe im freiburgischen Kerzers. In Kallnach selbst wird die Real unterrichtet, die Sekschülerinnen und -schüler gehen nach Aarberg.

Das wollte die Gemeinde ändern. Die Variante, alle nach Aarberg zu schicken, fiel durch. Der Schulweg wäre für die Jugendlichen aus Golaten nicht zumutbar gewesen. Es blieb eine Lösung: eine eigene Oberstufe in Kallnach, ebenfalls mit einem durchlässigen Modell. Die Durchlässigkeit sei nie umstritten gewesen, schreibt Schulleiter Lukas Reinhard. «Der Trend dazu ist seit geraumer Zeit vorhanden. Ich glaube, man hätte eine Chance vertan, wenn man den Zeitpunkt nicht genutzt hätte.»

So wird es künftig auch in Kallnach durchmischte Stammklassen geben. Mindestens die Hälfte der Lektionen in den Hauptfächern absolvieren die Schüler in Halbklassen, die nach Niveau aufgeteilt sind. «Den Halbklassenunterricht sehe ich als grossen Vorteil, um die Schülerinnen und Schüler individuell zu unterstützen und zu begleiten.»

Diese Variante entspricht keinem der bestehenden Modelle im Kanton Bern. «Wir mussten eine Variante finden, die zukunftsfähig ist und den Bedürfnissen der Kinder entspricht.» Insofern habe es nur diese Möglichkeit gegeben.

 

Das Abwägen

Schulweg. Anzahl Schulkinder. Pädagogische Gründe. Identifikation mit dem Dorf. Wenn es darum geht, wie eine Gemeinde ihre Schule organisiert, spielen viele Faktoren eine Rolle. Die meisten Gemeinden im Schulverband Aarberg priorisierten eine grössere Schule im Nachbardorf. Andererseits kann ein durchlässiges Modell durch den Zusammenzug von Sek und Real die Möglichkeit bieten, eine eigene Oberstufe zu führen und damit den Schulstandort zu stärken. Es ist ein Abwägen. Oft in mehreren Anläufen.

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