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Bolivien

Nur bei den Javel-Tabletten hat er kurz zur Waffe gegriffen

Die Grenze von Bolivien nach Brasilien zu über-queren kann komplex und zeitraubend sein. Vor allem wenn es um die Beschaffung von Diesel geht.

Bild: zvg
  • Dossier

Ausgerüstet mit der neusten Landkarte von Bolivien machen wir uns auf den Weg über Santa Cruz, San Javier, Conception, San Ignacio de Velaco, San Miguel, San Rafael zur Grenze nach Brasilien. Wir wollen ins Pantanal.

Es sind Jesuiten-Missionen, die erste wurde 1690 gegründet. Dabei wurde mit grosser Kelle angerichtet, zwölf Jahre wurde gebaut und eine Prachtshütte hingestellt, da ist das Berner Münster nur was für arme Leute, wenn wir bedenken, dass diese Kirchen im Urwald stehen! Und damals hatten die keinen 4x4 wie wir heute, die sind ja alles zu Fuss gelaufen.

Aber zuerst müssen wir noch Diesel tanken! In San Ignacio gibt es eine Tankstelle, die hat aber keinen Diesel mehr und wir werden nach San Miguel verwiesen. Dort gab es einmal eine Tankstelle, aber da es die nicht mehr gibt, gibt es auch keinen Diesel. Aber in San Rafael sollte es kein Problem sein, also nichts wie hin, doch auch hier, von Diesel weit und breit keine Spur. Langsam begreife ich auch, wieso die im Jahre 1690 noch alles zu Fuss gelaufen sind, vermutlich hatten die schon damals die gleichen Probleme. Die nächsten 200 Kilometer fahren wir durch Urwald vom Feinsten, was unsere Durchschnittsgeschwindigkeit auf 15 km/h fallen lässt; unterwegs drei Ortschaften, bestehend aus zwei bis drei Hütten. Dort werden wir bestaunt wie Marsmenschen, aber wir sind definitiv auf dem richtigen Weg. Hier wird uns auch erstmals bewusst, dass wir uns im Amazonas-Becken aufhalten.

 

Unterarmdicke Schlangen

Neben der feuchtheissen Witterung und der Flora ist es vor allem die Fauna, die unsere Aufmerksamkeit wach hält. Ich sehe Vögel mit einer Spannweite eines A300 Airbusses, Schlangen, über vier Meter lang und dick wie mein Oberarm (meine Version, Renates Kommentar: «Dies war doch nur eine grössere Blindschleiche!»)

Und in San Matias, zu guter Letzt finden wir eine Tankstelle, ich bekomme sogar Diesel. Doch bei 100 Litern stellt der Tankwart die Säule ab. «No mas, du fährst nach Brasilien», wir dürfen keinen billigen Boli-Diesel nach Brasilien mitnehmen. Weder Renates Augenaufschlag noch ein Bestechungsversuch bringt den gewünschten Erfolg, mehr gibt es nicht.

Wir fahren also weiter, sieben Kilometer sind es noch bis zum Zoll. Doch vorher kommt noch eine Militärkontrolle und alles wird in sehr wichtige Bücher geschrieben, die sowieso nie gelesen werden. Sicherheitshalber frage ich nochmals nach, ob der bolivianische Zoll nicht schon hier in diesen Gebäuden sei. Aber der nette Militär versichert mir, «nein, nein, der kommt erst in zirka zwei Kilometern». Also alles paletti. Und genau so kommt es, genau nach zwei Kilometern stehen viele, schwer bewaffnete, grimmig dreinschauende Zollbeamte und durchsuchen jedes Auto ganz genau. Auweia, so sehen aber nicht die kleinen, gemütlichen, unbewaffneten Bolivianer aus, dies sieht ganz nach Brasilien aus. Der bolivianische Zoll ist in San Matias, wir verziehen uns unter den misstrauischen Blicken der Zöllner und fahren zurück, wie konnten wir den Zoll nur übersehen?

In San Matias fängt das fröhliche Raten an. Nach langem Durchfragen finden wir ein kleines Büro, gleich anfangs des Dorfes, und es sitzen auch zwei Beamte dort, aber sie haben keinen Dienst, Sonntag ist schon um 14 Uhr geschlossen.

Aber eben, die Bolivianer sind sehr nett und so plaudern wir mit ihnen sicher an die 30 Minuten, dabei kommt heraus, dass wir eine Strecke gefahren sind, die vor allem von Drogen-Schmugglern benutzt wird. Wo wir nun schon hier sind, sei es ja blöd, nochmals zu kommen und so nehmen sie auch unsere temporäre Einfuhrbewilligung entgegen und wir können weiter.

In der Stadt sei das Büro der Migration, wir müssen ja noch einen Ausreisestempel in den Pass bekommen. Es sei zu kompliziert es zu erklären, sie würden uns schnell dort hinbringen! Die Bolivianer überraschen uns immer wieder. Leider war auch dieses Büro zu, kein normaler Mensch verlässt Bolivien an einem Sonntag, und wir kommen nicht darum herum, eine weitere Nacht hier zu verbringen.

 

Kein Strom, kein Diesel

Am anderen Morgen profitiere ich natürlich schamlos und fahre wieder die Tankstelle an, versuchen kann ich es ja. Und siehe da, ein grinsender Tankwart füllt unseren Tank, was er alles dazu vor sich hin murmelt, verstehe ich nicht. Dass ich Glück hatte, bemerke ich, als ich noch den Wassertank auffülle, stehen doch plötzlich sehr viele Autos und Lastwagen herum. Kein Strom mehr, also auch kein Diesel. So ist es hier, fliesst der Strom, gibt es keinen Diesel, ist der Diesel endlich geliefert, gibt es keinen Strom.

Wir verlassen also Bolivien mit sehr guten Erinnerungen, ich kann dieses Land nur weiterempfehlen. 30 Minuten später sind wir am brasilianischen Zoll. Zwei immer noch grimmige, schwer bewaffnete Zöllner stürzen sich auf uns und fordern uns auf, sofort alle Türen und Klappen zu öffnen. Ich erkläre ihm zuerst, dass es nichts bringt, so zu hetzen, denn erstens sei ich Schweizer, zweitens aus Bern, da geht es immer etwas langsamer.

Und drittens, ich hätte ja nur einen Schlüssel, ich könnte also nur immer eine Türe oder Klappe öffnen. Dieses Argument hat ihm wohl gefallen, und ich habe ihm gute 15 Minuten alles gezeigt, was er wollte, und nur bei den Javel-Tabletten, die wir zur Desinfektion des Abwassertanks benützen, hat seine Hand kurz zur Waffe gezuckt. Ich hab ihm aber die Kiste unter seinen Riecher gehalten und er war danach überzeugt, dass dieses Zeug wohl nicht zum Fixen taugt.

Die Einfahrt ins Pantanal ist nicht zu übersehen, liegen doch links und rechts der Strasse Kaimane oder Alligatoren zu tausenden faul in der Sonne. Und natürlich wieder Schlangen in der Grösse eines halben Feuerwehrschlauches, oder erheblich grösser. Ich entschliesse mich spontan, meine regelmässigen Pinkelpausen vom Pistenrand in die Pistenmitte zu verlegen.

Link: www.pepamobil.ch

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