Sie sind hier

Abo

Wahlen

Rechtsaussen spannen zusammen – die CVP will wieder Fuss fassen

Ein Comeback unter listigem Namen, eine Bundesratspartei, die sich aufrappelt und ein bisher erfolgloser Kandidat: Die Freie Liste Biel-Seeland, die CVP und die Schweizer Demokraten wären zufrieden, wenn sie überhaupt einen Sitz im Grossen Rat zu erobern.

Alt Gemeinderat Jürg Scherrer (Autopartei) aus Biel meldet sich zurück: Auf der Freien Liste Biel-Seeland ist er der Spitzenkandidat. Copyright Matthias Käser / Bieler Tagblatt
  • Dossier

Peter Staub

Während sich die kleinen Parteien in der Mitte und Linksaussen mit originellen Ideen und national bekannten Personen in Szene zu setzen versuchen (das BT berichtete), sehen die Strategien der Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), der Schweizer Demokraten und der Freien Liste Biel-Seeland anders aus. Wobei gerade die CVP ein besonderer Fall ist. Die Bundesratspartei ist in 21 Kantonen in der Regierung vertreten. Im Kanton Bern jedoch verfügt sie seit vier Jahren nicht einmal mehr über einen Sitz im Grossen Rat. Im Seeland ist dieSituation nicht anders, auch hier ist die CVP bloss eine kleine Partei.

Die neuformierte Freie Liste Biel-Seeland und die Schweizer Demokraten, die vor acht Jahren ihren letzten Sitz imGrossen Rat verloren haben, treten fast ausschliesslich im Wahlkreis Biel-Seeland an. Alle drei Gruppierungen gingen Listenverbindungen ein, sodass  eine Sitzgewinn möglich ist. Bei allen drei Gruppierungen wäre ein solcher jedoch eher eine Überraschung.

Stramm rechtsbürgerlich

Mit der Wahl ihres Listennamens hat die Freie Liste Biel-Seeland einen Coup gelandet. Vor 32 Jahren eroberte die Grüne Freie Liste im Kanton Bern praktisch aus dem Stand heraus zwei Regierungsratssitze und stellte dann zeitweise zehn Grossräte. Mit dieser grünliberalen Organisation hat die neue Freie Liste im Seeland aber nichts zu tun. Im Gegenteil: Das zeigt sich bereits am Spitzenkandidaten. Der ehemalige Bieler Gemeinderat Jürg Scherrer (Autopartei) ist völlig unverdächtig, grünes oder gar linkes Gedankengut zu vertreten. Und die Listenverbindung mit den Rechtsparteien SVP, EDU und Schweizer Demokraten zeigt deutlich, wo  die Liste politisch positioniert ist.

Scherrer glaubt nicht, dass seine Kandidatur die Politlandschaft im Seeland verändern wird: «Eine einzige Person kann dies nicht tun», sagt er. Aber er sei eine Persönlichkeit, die man kenne. «Und ich bin einer, der sagt, was er denkt und übrigens auch denkt, was er sagt.» Er habe eine klare Linie, die von den Wählern geschätzt werde. Falls er gewählt würde, wäre er abber doch bloss einer von 160 Grossräten. «Und einer alleine kann in Bern die Politik nicht umkehren.» Das weiss er aus Erfahrung. Er sass bis vor acht Jahren im Grossen Rat. «Ich sagte mir damals, es reicht», erzählt er.

Von sich aus hätte Scherrer nicht mehr kandidiert, auch weil es die Autopartei in Biel nicht mehr gibt. Er sei von der EDU, der Eidgenössisch-Demokratischen Union, angefragt worden, auf einer speziellen Liste mit EDU-Mitgliedern mitzumachen. Wobei die EDU auch mit einer eigenen Liste antritt. Als Partei mit Fraktionsstärke wird sie im BTseparat vorgestellt. Mit der Freien Liste ist die EDU eine Unterlistenverbindung eingegangen.

Als Motiv für sein politisches Comeback gibt Scherrer an, dass er die rechte Seite stärken könne, da er sicher viele Stimmen hole. Für ihn läuft im Kanton zu vieles verkehrt – «von Biel rede ich schon gar nicht». Das Energiegesetz, das demnächst diskutiert werde, sei «reinste Planwirtschaft», sagt er. Zudem drifte der Kanton immer mehr nach links. «Die Freiheiten des Volkes nehmen laufend ab. Wir sind heute so weit, dass sich die Leute nicht mehr getrauen zu sagen, was sie denken, weil sie sonst als Rassisten oder Sexisten bezichtigt und mundtot gemacht werden», behauptet der 70-jährige Rentner.

Auf den Einwand, dass etwa in Online-Foren Wutbürger radikale Meinungen ungeschminkt posten, meint Scherrer, dass das möglicherweise stimme, er das aber nicht beurteilen könne, da er weder bei Facebook noch bei Twitter mitmache. Ein Beispiel dafür, dass jemand mundtot gemacht wurde, kann er aber auch nicht nennen.
Eine politische Agenda habe er sich für den Grossen Rat bewusst nicht zusammengestellt, sagt Scherrer. Seine Wahlchancen zu beurteilen, sei schwierig. Dass er persönlich viele Stimmen mache, bezweifle aber er nicht. Ihm sei es aber auch recht, wenn dank seiner Kandidatur die EDU oder die SVP einen Sitz mehr machten. Über das Budget der Liste oder seine eigenen Investitionen gebe er grundsätzlich keine Auskunft, sagt Scherrer. 

«Breites Meinungsspektrum»

Philippe de França-Chappatte aus Pieterlen ist Vize-Präsident der CVP Biel und Spitzenkandidat der Liste. Mit ihm nimmt die CVP Biel-Seeland einen neuen Anlauf, um im Seeland Fuss zu fassen. De França war vor Jahren bereits einmal Präsident der CVP Biel, zog sich aber zurück, weil er Schwierigkeiten damit hatte, dass in der Politik die «Wahrheit» nicht immer das oberste Gebot sei. Die Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative im November 2014 bewog ihn dazu, in die Politik zurückzukehren. «Ich habe mich stark für die Annahme der Initiative engagiert», sagt er.

Seine Kollegin Sandra Lo Curto, sie wird als dritte Kandidatin der Liste geführt, ist bei der Einwanderung anderer Meinung. Sie war «entsetzt», dass die Initiative der SVP angenommen wurde. Aber: «Wir sind eben eine Partei mit einem breiten Meinungsspektrum», sagt sie. Mit de França ist sie in einem anderen Punkt einverstanden. «Wenn man etwas macht, soll man sich voll engagieren.» Deshalb war sie froh, dass sich de França im letzten Juli in der Partei zurückmeldete, just in dem Augenblick, als die CVP-Regionalpartei vor der Auflösung stand.

Für den Fall seiner Wahl hat de França klare Ziele. «Ich möchte für jeden Punkt, in dem Entscheidungen anstehen, zuerst Analysen machen», sagt er. Als Ingenieur der Elektrotechnik und Informatik und als Betriebsökonom sei er sich dies gewohnt. Zum Beispiel, bei den Sparmassnahmen: «Man soll nicht überall einfach gleichviel sparen.» Man müsse davon abkommen, Sozialhilfe pauschal zu sprechen. Es sei wichtig, von Fall zu Fall zu entscheiden. Wobei Menschen in Schwierigkeiten auch Hilfe bekommen sollen. «Das sind die Werte der CVP», sagt de França.

Auch die Wirtschaftsförderung ist ihm wichtig: «Wir brauchen mehr Investitionen und mehr Stellen in der Region.» Deshalb bräuchten die KMU mehr Unterstützung des Staates. Auch hier will er seine Kompetenzen als Ingenieur einbringen. Und als Romand sei er geeignet, eine Brücke in die Westschweiz zu schlagen. Auch Lo Curto sieht sich als Brückenbauerin, da sie als Tochter einer italienischen Migrantenfamilie aufgewachsen sei. 

Dass die CVP im Seeland eine kleine Partei ist, sei manchmal ein Problem, sagt Lo Curto. Vor allem wenn es um die Sichtbarkeit in den Medien gehe. «Bei Abstimmungen und Wahlen laufen wir hier unter ‹ferner liefen›», sagt die 58-jährige Inhaberin einer PR-Agentur. Deshalb plane die Partei viele Aktionen, sagt de França, der als Wahlkampfleiter fungiert. Obwohl sie von der Kantonalpartei finanziell unterstützt werden, setzt de França auch ziemlich viel eigenes Geld ein. «Wenn man etwas macht, muss man auch selber etwas investieren», sagt der 56-Jährige.

Die Zusammenstellung der Liste hat weitgehend de França übernommen. «Ich habe mein altes Netzwerk dafür reaktiviert», sagt er. «Wir hätten gern eine grössere Liste gehabt», ergänzt Lo Curto. Aber das sei nicht möglich gewesen. Das Ziel ist konkret: «Wir wollen einen Sitz und den Wähleranteil erhöhen», sagt de França.

Seit 20 Jahren politisch aktiv

Beim Fischereipark in Worben wird zurzeit intensiv gearbeitet; der grosse Weiher wird erneuert. Mitten im trockenen Teichbett steht der Spitzenkandidat der Schweizer Demokraten im Seeland und spritzt das Vlies sauber: Andreas Beyeler ist Besitzer und Gastwirt des Fischereiparks. Zeit für ein Gespräch hat er kaum, zieht sich dann aber für das Foto doch um.Man müsse sich den Wählern entsprechend zeigen, sagt er.

Beyeler ist in der Region bekannt. Nicht weil er politisch besonders erfolgreich war – einen Sitz hat er noch nie gewonnen –, sondern weil er in den letzten Jahren fast immer für ein Amt kandidierte, wenn Wahlen anstanden: fürs Gemeindepräsidium, für den Grossen Rat, für den Nationalrat. «Ich bin politisch aktiv, seit ich 25 Jahre alt bin», sagt der 47-jährige Gastwirt. Damals wurde er Mitglied der Schweizer Demokraten.

Ihn trieb vor allem «das Ausländerproblem» in den 90er-Jahren um. Daher sei er bei den Schweizer Demokraten am richtigen Ort gewesen. Die SVP sei für ihn kein Thema gewesen, da diese nicht ökologisch ausgerichtet und zu wenig sozial sei: «Wir wollen das Bauland begrenzen, keine Steuersenkungen und keine Kürzungen bei der Spitex, bei Behindertenheimen oder gar bei der Bildung», sagt Beyeler.

Die Listenverbindung mit der SVP seien die Schweizer Demokraten vor allem eingegangen, damit keine rechte Stimme verloren gehe. «Mir ist es lieber, die SVP holte einen Sitz mehr, als dass dieser an die Linke geht», sagt er. Falls er gewählt würde, wäre es Beyeler in erster Linie ein Anliegen, die erleichterte Einbürgerung und das Wahl- und Stimmrecht für Ausländer zu verhindern.

Obwohl ihn das Thema der hiesigen Migranten noch immer stark beschäftigt, hatte er in seinem Betrieb mit Ausländern nie Schwierigkeiten: «Gäste sind Gäste. Wenn sie anständig sind, spielt es keine Rolle, woher sie kommen». Deshalb habe er keine Probleme mit den Ausländern, die zu ihm zum Fischen kommen, sagt er. Es gebe aber andere Probleme. Zum Beispiel? Durch die Einwanderung werde die Schweiz immer mehr verbaut, worunter die Lebensqualität der Leute leide, sagt Beyeler. Im Gespräch dringt immer wieder seine soziale Ader durch. Etwa wenn er beklagt, dass die heutigen Rentner zu wenig Geld bekämen. «Ich war für die 70 Franken mehr AHV, ganz klar», sagt er.

Dass die Liste nur drei Kandidaten habe, liege daran, dass er nur Parteimitglieder augenommen habe. Zudem seien die Rechten vielleicht nicht so motiviert wie die Linken. Seine Wahlchancen schätzt er als gut ein: «EinSitz ist das Ziel.» Dann würde er sich auch die Zeit nehmen, um die Arbeit gut zu machen, sagt Beyeler.

Info: Das «Bieler Tagblatt» veröffentlicht Hinweise auf Wahlveranstaltungen. Diese müssen bis eine Woche vor dem Termin eintreffen.
E-Mail:
region@bielertagblatt.ch Stichwort: «Wahlen»

Nachrichten zu Seeland »