Sie sind hier

Abo

Walperswil

Schlammschlacht um Kiesgrube

Die Budgetversammlung in Walperswil ist aus dem Ruder gelaufen – aber nicht wegen des Budgets.

Symbolbild: Pixabay
Heinz Kofmel
 
111 Stimmbürgerinn und -bürger haben am Mittwochabend die Mehrzweckhalle Walperswil gefüllt. Fast alle für die Gemeindeversammlung bereitgestellten Stühle waren besetzt. Zwar kam das Thema «Kiesgrube Beichfeld» auf der Traktandenliste lediglich unter «Orientierungen» vor. Doch es war vorauszusehen, dass das Thema wieder für Emotionen sorgen würde. Erst recht nach der vom Kanton im Oktober organisierten Infoveranstaltung. Damals hatte Regierungsrätin Evi Allemann (SP) ausführlich dargelegt, warum der Kanton nun über das Gebiet Beichfeld verfügen und es nutzen will. Ein erstes Projekt hatte die Gemeindeversammlung im Herbst 2019 abgelehnt. 
 
Gemeinderat bleibt bei seiner Meinung
Gemeindepräsidentin Manuela Perny verlas eine Stellungnahme des Gemeinderates, in der dieser seine Position noch einmal bekräftigte. «Der Gemeinderat ist weiterhin vom Projekt Beichfeld überzeugt und unterstützt den Kanton bei der zu erarbeitenden Überbauungsordnung», hiess es darin. Wichtig sei dem Rat, dass das Mitspracherecht für die Gemeinde erhalten bleibt, ergänzte Perny. 
 
Sie machte noch einmal geltend, dass die Gemeinde aus rechtlicher Sicht nichts gegen das Vorhaben des Kantons machen könne. Um anzufügen: «Dass der Gemeinderat bei einer ablehnenden Haltung das Projekt hätte verhindern können, war diesem zu keinem Zeitpunkt bewusst.» Mit diesem Satz kippte die Stimmung im Saal vollends.
 
Aufsichtsrechtliche Anzeige gegen Exekutive
Weiter gab Perny bekannt, dass am 8. November beim Regierungsstatthalteramt eine aufsichtsrechtliche Anzeige gegen den Gemeinderat eingereicht worden sei. Weil es sich um ein laufendes Verfahren handle, könne darüber sonst noch nichts gesagt werden. 
Derweil treibt der Kanton das Planungsverfahren weiter. Im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens sind beim Kanton etwa 30 Eingaben gemacht worden. Diese werden jetzt ausgewertet. Die öffentliche Auflage inklusive Informationsanlass in Walperswil plant der Kanton für Herbst 2022. 
 
Sperrfeuer von Beschuldigungen
Die anschliessende Frage- und Antwort-Runde endete in einem endlosen Hickhack von Beschuldigungen, Anklagen und Antwortversuchen der Gemeinderäte. Die Prüfung einer Strafanzeige gegen den Gemeinderat sei zu erwägen, und der gesamte Rat sei abzuwählen, war von Versammlungsteilnehmern zu hören. 
 
«Wir müssen nicht gegen den Kanton vorgehen, sondern gegen den jetzigen Gemeinderat, denn dieser hat den Volkswillen missachtet», erklärte Franz Erler, Initiator und Kopf der «IG Beichfeld ohne Grube». Auch wurden die Gemeinderatsmitglieder aufgefordert, zu erklären, wie sie persönlich zum Projekt stehen. Oder es wurde verlangt, dass die Protokolle der Gemeinderatssitzungen zu diesem Thema offengelegt werden. Die Ratlosigkeit am Ende der Debatte war gross. Zur Mässigung aufrufende Stimmen waren nur vereinzelt zu hören.
 
Liegenschaftssteuer im Visier
Das Budget 2022 genehmigte die Versammlung bei zwei Gegenstimmen. Auf Antrag aus der Versammlung muss der Gemeinderat aber bis im kommenden Jahr darlegen, wie sich eine Halbierung der Liegenschaftssteuer auf die Gemeindefinanzen auswirken würde. 
Ebenfalls ins Visier geraten ist die prallgefüllte Kasse der Spezialfinanzierung Solarkraftwerk. Auch hier muss der Gemeinderat über die Bücher. Soll das Reglement für diese Spezialfinanzierung aufgehoben und die in den letzten Jahren angesammelte halbe Million Franken in die ordentliche Gemeindekasse überführt werden? Ein entsprechender Antrag wurde von der Versammlung mit deutlicher Mehrheit angenommen. Zur finanziellen Situation der Gemeinde erklärte der Rat, dass diese trotz drohender Defizite immer noch als gut anzusehen sei.
 
 
**********************************

«Die Anzeige trifft mich»

Interview: Beat Kuhn

Gemeindepräsidentin Manuela Perny verteidigt die Haltung des Gemeinderates zum Projekt Kiesgrube Beichfeld, für welche dieser an der Versammlung massiv kritisiert wurde.
 
Manuela Perny, wie geht es Ihnen nach all den Anwürfen, mit denen der Gemeinderat an der Gemeindeversammlung eingedeckt worden ist?
Manuela Perny: Die haben mich betroffen gemacht, das muss man erst einmal verdauen.
 
Welcher hat Sie am meisten geschmerzt?
Die aufsichtsrechtliche Anzeige trifft mich. Andererseits wird die Regierungsstatthalterin jetzt klären, ob die Vorwürfe gerechtfertigt sind oder nicht. 
 
An der Versammlung wurde dazu aufgerufen, den gesamten Rat abzuwählen.
Ein Rücktritt kann aus rechtlicher Sicht nicht verlangt werden. Die Wahlberechtigten können ihren Willen erst bei den nächsten Wahlen wieder äussern. 
 
Die Gemeinderatsmitglieder wurden aufgefordert, ihre persönliche Meinung zum Projekt Beichfeld offenzulegen.
Alle haben bekräftigt, dass die Exekutive geschlossen hinter dem Projekt steht.
 
Am Infoabend im Oktober hatte Regierungsrätin Evi Allemann gesagt, dass der Kanton das neue Projekt ohne Zustimmung des Gemeinderates nicht aufgegleist hätte.
Der Antrag für das neue Projekt wurde von der Firma Hurni an den Kanton gestellt. Dass die positive Haltung des Gemeinderats der ausschlaggebende Punkt dafür war, dass der Kanton dieses Projekt gemäss Kantonaler Überbauungsordnung (KUeO) überhaupt in Angriff genommen hat, war dem Gemeinderat zu keinem Zeitpunkt bewusst. Das Baugesetz sieht nicht vor, dass der Gemeinderat sich zu einer KUeO äussern kann. Zudem: Ganz grundsätzlich kann der Kanton eine KUeO auch ohne Zustimmung des Gemeinderates oder der Gemeindeversammlung einleiten und umsetzen. 
 
Aber jetzt ist die Kirche nicht mehr im Dorf. Sollte der Gemeinderat nicht auf seinen Entscheid zurückkommen? Er soll ja das Volk vertreten.
Der Gemeinderat hat Verständnis für den Unmut von Stimmberechtigten, die kritisieren, dass mit der KUeO – vermeintlich – ein kommunaler Entscheid umgestossen werde. Ein Zurückkommen würde am Entscheid des Kantons aber nichts ändern. Das neue Projekt bringt entscheidende Verbesserungen – vor allem bei der Verkehrsführung. Diese war an der Gemeindeversammlung von 2019 stark kritisiert worden. 
 
Ein sogenannter Bodenumschlagplatz soll erlauben, den Aushub aus der Kiesgrube für die Aufwertung sanierungsbedürftiger Böden zu nutzen.
Der Gemeinderat ist überzeugt, dass unsere regionalen landwirtschaftlichen Böden durch nachhaltig unterstützende Massnahmen geschützt werden müssen. Der Bodenumschlagplatz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und es gibt viele Einwohnerinnen und Einwohner, die für das neue, verbesserte Projekt sind. 
 
Bringt die befürwortende Haltung der Gemeinde denn etwas?
Ja, so werden wir in die weiteren Schritte involviert und können mitreden. Denn nun wird der Kanton das Projekt durchziehen, das hat er uns gegenüber klargemacht. Im Laufe des Frühjahrs 2022 wird der Kanton die rund 30 Eingaben prüfen, die im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens eingereicht worden sind. Dann wird das Projekt öffentlich aufgelegt und Einspracheberechtigte können Einsprache einlegen.
Stichwörter: Kiesgrube, Walperswil

Nachrichten zu Seeland »