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Justiz

Seeländer muss mit seinem Erbe Sozialhilfegelder zurückzahlen

Lange Zeit musste der Mann auf jeden Rappen schauen, weil er auf Sozialhilfe angewiesen war. Dann erbte er. Nun muss er einen grossen Teil des geerbten Geldes dem Staat zurückzahlen.

Symbolbild: Keystone

Hans Ulrich Schaad

Der Mann aus dem Seeland musste lange untendurch. Während über 20 Jahren war er auf Sozialhilfe angewiesen. Auch als er 2019 das Pensionsalter erreichte, konnte er keine grossen Sprünge machen. Neben der AHV-Rente erhielt er Ergänzungsleistungen zugesprochen.

Das Blatt schien sich erst im Sommer 2020 zu wenden. Er erhielt im Rahmen einer Erbteilung einen schönen Betrag ausbezahlt, rund 261 000 Franken. So korrekt, wie er war, liess er den Sozialdienst von diesem Erbe wissen.

Die Antwort kam postwendend. Der Sozialdienst forderte die wirtschaftliche Hilfe für die Jahre 2010 bis 2019 zurück, gut 200 000 Franken. Der Mann wehrte sich gegen diese Rückforderung, zuerst beim zuständigen Regierungsstatthalter, danach beim Verwaltungsgericht. Dieses hat nun die Beschwerde abgewiesen, wie aus einem gestern publizierten Entscheid hervorgeht. Die Forderung des Sozialdienstes sei rechtens.

 

Selbstständigkeit sei keine Eingliederungsmassnahme

Der Mann machte in seiner Beschwerde geltend, dass er von 2010 bis 2019 einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Handwerker nachgegangen sei. Der Sozialdienst habe diese Tätigkeit als «soziale Integration» anerkannt. Diese Arbeit sei bei der Rückzahlungspflicht angemessen zu berücksichtigen oder eine teilweise Befreiung zu prüfen, argumentierte er.

Der Sozialdienst hielt dem entgegen, dass es sich bei der Selbstständigkeit um keine eigentliche berufliche Wiedereingliederung gehandelt habe. Es sei im Rahmen einer Ausnahme darum gegangen, die soziale Integration wegen seiner fehlenden Vermittlungsfähigkeit sicherzustellen. Jedenfalls so lange, wie die Tätigkeit nicht defizitär war.

Das Gericht stellt sich in seinem Urteil hinter den Sozialdienst. Dieser habe keine Zusicherung gegeben, dass die Erwerbstätigkeit als Integrationsmassnahme zähle und dass die während dieser Dauer bezahlte Sozialhilfe nicht der Pflicht zur Rückerstattung unterliege.

Die Frage in diesem Fall war auch, ob allenfalls ein Härtefall vorliege. Der Mann legte dar, er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen und von sich aus auf die Erbschaft hingewiesen. Er sei stets gesprächsbereit gewesen.

Er wies zudem darauf hin, dass er weiterhin auf Ergänzungsleistungen angewiesen wäre, falls er die Sozialhilfe rückerstatten müsste. Überdies seien seine Schulden von gut 53 000 Franken zu berücksichtigen.

 

Er wollte mit dem Geld eine Wohnung kaufen

Es sei die gesetzliche Pflicht, dass jemand einen Vermögenszuwachs melde, betont das Verwaltungsgericht in seinem Urteil. Und es stehe wiederum nicht frei, ob jemand wegen einer Erbschaft seiner Rückzahlungspflicht nicht nachkommen oder auf Ergänzungsleistungen verzichten wolle. Der Mann mache auch nicht geltend, dass die Rückforderung ihn in eine Notlage bringen würde.

Das Gericht berücksichtigte auch die Schulden nicht. Denn der Mann habe nicht beabsichtigt, mit einem Teil des Geldes seine Schulden zu tilgen. Vielmehr habe er erwähnt, dass er gedenke, die Erbschaft in Wohneigentum zu investieren.

Selbst bei einer Schulden-
tilgung hätte das keinen Einfluss auf die Höhe der Rückforderung gehabt, hält das Gericht fest. In diesem Fall hätte die Sozialhilfe indirekt Schulden übernommen. Und die Befreiung von der Rückforderung würde den Gläubigern zugutekommen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Stichwörter: Seeland, Sozialhilfe, Erbe, Geld, Pension

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