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Aegerten

Senioren-WG belebt Dorfzentrum

Die Alters-Wohngemeinschaft in der Villa Verena in Dotzigen braucht mehr Platz. Ein altes Bauernhaus in der Dorfmitte von Aegerten wird ihr neues Zuhause.

Amanda Staudenmann (links) und ihre Mutter Rosmarie (rechts) erfüllen sich mit der Renovation der VIlla Verena einen Traum. Bilder: Peter Samuel Jaggi

Brigitte Jeckelmann

Frau M.* sitzt in ihrem Zimmer auf dem Bett. Der Fernseher läuft. Dicht an sie gekuschelt liegen zwei schlafende Katzen auf der gelb-orange karierten Bettdecke. Donnerstagnachmittag, 14 Uhr, im ersten Stock der Villa Verena in Dotzigen. Frau M. ist eine von acht Frauen und Männern, die in der Wohngemeinschaft für Senioren leben. Im dreistöckigen Haus an der Bürenstrasse betreibt Rosmarie Staudenmann seit elf Jahren gemeinsam mit ihrer Tochter Amanda ein Zuhause für Menschen, die in Gesellschaft leben möchten.

Weshalb eine Alters-WG? Rosmarie Staudenmann: «Ich träumte davon, betagten Menschen einen Platz bieten zu können, wo das Personal genug Zeit hat, die Bewohner mit Liebe und Wertschätzung betreuen und umsorgen zu können.»

Mutter und Tochter ein Team

An Erfahrung fehlte es ihr nicht: Rosmarie Staudenmann ist ausgebildete Pflegefachfrau mit diversen Weiterbildungen als Pflegedienstleiterin und Heimleiterin. In dieser Eigenschaft hatte sie zuvor schon andere Pflegein-stitutionen für ältere Menschen geführt. Und dabei immer wieder unter Zeitmangel und Spardruck gelitten. Staudenmann: «Das machte es mir oft schwer, die Menschen so zu betreuen, wie es meinen Vorstellungen entspricht.»

In der Villa Verena kann sie ihren Traum leben – und hat Tochter Amanda mit ihrer Begeisterung angesteckt. Sie ist gelernte Physiotherapeutin mit einem Master in Neurologischer Physiotherapie. «Auf einmal hat es mich gepackt», sagt sie. Sie steckt derzeit in der Ausbildung zur Heimleiterin und will nach und nach in die Fussstapfen ihrer Mutter treten, die das Pensionsalter bereits erreicht hat – eigentlich.

Doch die Freude an der Arbeit mit älteren Menschen treibt sie an, weiter zu machen. Besonders jetzt, wo die Zukunftsaussichten rosig sind: Weil die Villa Verena «aus allen Nähten platzt» haben sich Staudenmanns lange vergebens nach einem geeigneten Objekt umgesehen, wo sie sich vergrössern können. Jetzt haben sie ihr Traumhaus gefunden: das alte Kessi-Haus in der Dorfmitte von Aegerten. Ein riesiges Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, oder noch älter, mit Garten und Wiese. Rosmarie Staudenmann will die Alters-WG in Aegerten auf zehn Personen ausweiten.

Leben ins alte Haus

Szenenwechsel. Donnerstagabend, 17 Uhr, im Kessi-Haus in Aegerten. Es ist eiskalt, der Nebel kriecht durch die Kleider. Rosmarie Staudenmann leuchtet mit der Taschenlampenfunktion ihres Mobiltelefons in die Räume: Grosszügige Zimmer, Holzböden knarren, manche Böden sind aus Stein.

Ab dem nächsten Herbst ziehen die Senioren hier ein. Derzeit läuft das Baubewilligungsverfahren. Rosmarie Staudenmann freut sich wie ein Kind auf Weihnachten: «Hier haben wir genug Platz», sagt sie. Jeder Bewohner bekommt sein eigenes Zimmer. Es wird einen Aufenthaltsraum geben für das Personal, ein Fernsehstübli, ein Spielstübli und einen Physio-Therapieraum für Tochter Amanda. Sie plant, hier Patienten zu behandeln.

Für Aegertens Gemeindepräsident Stefan Krattiger ist es «ein Glücksfall», dass Staudenmanns das Haus erwerben konnten. Das denkmalgeschützte Kessi-Haus habe «jahrelang vor sich hingegammelt». Umso mehr freut sich Krattiger jetzt «über die sinnvolle Nutzung, die wieder Leben in das alte Haus bringt». Dass Staudenmanns das Haus in der Dorfmitte umfassend renovieren lassen, «wertet den Dorfkern auch optisch auf», freut sich Krattiger.

Bewohner stehen im Zentrum

Die Bewohner der Villa Verena bekommen eine professionelle Pflege. Das bestätigt Jacqueline Revaz Frey, Hausärztin in Dotzigen. Sie betreut die Schützlinge der Staudenmanns als Heimärztin. Revaz Frey: «Hier stehen die Bewohner wirklich im Zentrum, das ist nicht nur ein leeres Wort.» Das Leben in diesem kleinen Heim im Sinne einer Grossfamilie bezeichnet Revaz Frey «als etwas Tolles, für jene Menschen, die das wollen».

Die Senioren profitierten zudem davon, dass sie in tägliche Aktivitäten miteinbezogen seien: Sei es bei der Mithilfe beim Kochen oder beim Einkaufen. Bei einer leicht dementen Bewohnerin habe sie gestaunt, dass diese beim Besuch in der Praxis immer genau Bescheid über Tag und Datum wisse. Revaz Frey: «Die Dame schreibt jeden Tag die Menupläne, das ist auch eine Art Therapie.»

Für ältere Menschen kann das Leben in einer Wohngemeinschaft viele Vorteile haben. Amanda und Rosmarie Staudenmann leben ihren Traum auch in Zukunft weiter. Aber jetzt feiern sie erst einmal Weihnachten, zusammen mit den Bewohnern der «Villa Verena».

* Name der Redaktion bekannt

Link: www.villaverena.ch

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Villa Verena

  • • 18 ausgebildete Fachleute, darunter 5 Lernende, betreuen die Senioren rund um die Uhr.
  • • Im umgebauten Kessi-Haus in Aegerten wird Platz sein für zehn Pensionäre.
  • • Die Institution nimmt auch Menschen mit Ergänzungsleistungen auf.
  • • Die Wohngruppe ist eine Alternative zu den herkömmlichen Pflegestationen und hat den Vorteil einer überschaubaren, familiären Struktur.

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