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Lengnau

Steine des Anstosses

Ob die Skulptur «Ein Stück Triumphbogen in Leng-now» im Zentrum von Lengnau fertig ist oder nicht, darüber herrscht Uneinigkeit. Jetzt wird sie nochmals bearbeitet.

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Andrea Butorin
Vor zwei Jahren schenkte der Kunstverein Lengnau der Gemeinde eine Skulptur. Die Gemeinde Lengnau ist mit dem Resultat aber nicht zufrieden und findet, die Skulptur sei mit den beiden stützenden Streben gefährlich gesichert. Nun hat der Gemeinderat dem Schaffer des Kunstwerks Andreas Eschenmoser einen Folgeauftrag vergeben:Die Skulptur soll besser gesichert und «fertiggestellt» werden. Der Kunstverein ist wütend über die Gemeinde.

Flair von Paris
Angefangen hat alles 2010. Der Kunstverein organisierte damals ein Seifenblasen-Festival mit dem Thema «Kunst und Buch». Eines von verschiedenen Projekten war die Erschaffung einer Skulptur unter dem Motto «Ein Stück Triumphbogen in Leng-now». «Wir wollten damit das Flair von Paris nach Lengnau holen», sagt Christine Andres, Präsidentin des seit 35 Jahren existierenden Kunstvereins. Die Idee war, eine Skulptur in einer Art Performance während den beiden Festivaltagen zu schaffen, als Momentaufnahme. Sie soll den Eingang der Begegnungszone markieren.
Beauftragt wurde der Bieler Künstler und Steinbildhauer Andreas Eschenmoser, Mitglied des Kunstvereins. Bei der Umsetzung vor Ort halfen auch Urs Brönnimann und Konradin Furrer mit.
Der Kunstverein schenkte den Triumphbogen anschliessend der Gemeinde Lengnau.   Diese hatte vorgängig von Eschenmoser eine Skizze erhalten und war mit der Idee einverstanden. Dennoch kam es schon zu diesem Zeitpunkt zu Unstimmigkeiten zwischen Kunstverein und Gemeinde.
Der Kunstverein hatte vorgängig von Lengnau 5000 Franken Unterstützungsbeitrag für das Festival verlangt, jedoch nur die Hälfte davon erhalten. «Wir hatten damals wie vorher schon des Öfteren Schwierigkeiten mit dem Verein, weil sie nie ein gutes Budgtet präsentieren und immer kurzfristig für Geld fragen», sagt Gemeindepräsident Max Wolf. Andres kennt diesen Vorwurf und sagt darauf: «Ich bin ein spontaner Mensch mit durchaus mal spontanen Ideen». Man müsse beachten, dass sie sich ausschliesslich in ihrer Freizeit für die Kunst engagiere und viel Geld und Zeit investiere.

Die störenden Streben
In der zweiten Septemberhälfte 2010 bauten Eschenmoser und seine Helfer die Skulptur in zwei Tagen auf. «Das war ein Riesenchrampf», erinnert er sich, «wir verbauten fast 1000 Kilo Stein.»
Da die Idee der Organisatoren darin bestand, die Skulptur in zwei Tagen zu erstellen, wusste Eschenmoser im Vorfeld selber nicht, wie weit sie damit kommen würden: «Plötzlich waren wir recht hoch unterwegs, und es wurde eine statisch gewagte Sache.»
Wegen der mangelnden Statik wurden zwei Streben dranmontiert, welche die Skulptur bis heute stabilisieren. Da der Künstler auch ein Gitter nicht so wie ursprünglich geplant angebracht hat, erhielt die Skulptur ein anderes Gesicht als auf der vorgängig angefertigten Skizze. «Für uns ist die Skulptur deshalb nicht fertig», sagt Gemeindepräsident Max Wolf.
Eigentlich findet er die Skulptur eine gute Sache, aber die Streben stören ihn:«Sie sind gefährlich und gehören weg.» Letztendlich hafte die Gemeinde nämlich für die Sicherheit.
In den Augen der Gemeinde ist der Lengnauer Triumphbogen also nicht fertig. Anders sieht das der Kunstverein. «Das in einer Performance erstellte Kunstwerk ist fertig, und die stützenden Streben gehören dazu», sagt Präsidentin Andres. Und was sagt der Künstler dazu? «Man kann geteilter Meinung sein, ob es fertig ist oder nicht», sagt Eschenmoser.

Den Stapler holen
Wolf sagt, es habe im Gemeinderat zwei Anträge gegeben: «Entweder man holt den Stapler und schafft die Skulptur weg, oder aber man macht sie fertig.»
Kunstvereinsmitglied Eschenmoser befindet sich nun «zwischen Stühlen und Bänken»,  wie er sagt, denn die Gemeinde hat ihn beauftragt, die Skulptur fertigzustellen. Das heisst, er soll sie so abändern, dass die Streben entfernt werden können. Aus Angst, dass die Skulptur weggeschafft oder vernichtet wird, hat er zugesagt.
Eschenmoser legte der Gemeinde nach Beratung mit einem Ingenieur erneut eine Skizze vor und plant, die Änderungen in Kürze vorzunehmen. Er will am Sockel des Triumphbogens mehr Steine hinzufügen. Ausserdem plant er aus ästhetischen Gründen, den Bogen um rund einen Meter zu verlängern, denn im Volksmund wurde der Triumphbogen – wohl wegen dem zuwenig erkennbaren Bogen – bereits «Galgen» genannt. Am Bogenende sollen kleinere Steine angehängt werden.
Die Gemeinde ist mit diesen neuen Plänen einverstanden und zahlt dem Künstler einen Betrag von 10'000 bis 15'000 Franken dafür. Das wiederum ruft Kunstverein-Präsidentin Andres auf den Plan. «Die geplanten Steine laden zum Herumklettern ein, was nicht die Idee war», und ergänzt: «Die Skulptur war ein Geschenk an die Gemeinde, und die darf sie nicht einfach abändern.» Gemeindepräsident Wolf sieht das anders: «Wenn ich einen Picasso kaufe und ihn mit der Schere zerschneide, so ist das meine Sache.»
Andres ist brüskiert:«Wieso hat die Gemeinde plötzlich so viel Geld für die Kunst? Unserem Verein hat der Gemeinderat den Unterstützungsbeitrag gestrichen.» Wolf wiederholt, dass ihm und dem Gemeinderat der Triumphbogen eigentlich gefalle. Auf den gestrichenen Beitrag angesprochen sagt er:«Irgendwie müssen wir die Aktion mit der Skulptur ja bezahlen.»
Andres hat die Gemeinde schriftlich aufgefordert, die geplanten Arbeiten zu unterlassen, doch diese verharrt auf ihrem Standpunkt. Nun will Andres einen Kunstrecht-Experten beiziehen, um abzuklären, ob an einem bestehenden Kunstwerk etwas geändert werden darf oder nicht, und wie sich die Sache mit dem Urheberrecht verhält. Allerdings muss sie sich beeilen, denn Eschenmoser will mit seinem Auftrag bereits morgen beginnen. Im Gegensatz zu Präsidentin Andres nimmt für ihn und für Gemeindepräsident Wolf die Geschichte damit ein gutes Ende.

Die Skulptur «Leng-now»
• Die Skulptur «Ein Stück Triumphbogen in Leng-now» wurde von Andreas Eschenmoser und zwei Helfern anlässlich des Seifenblasen-Festivals 2010 erstellt.
• Auftraggeber war der Kunstverein, der sie der Gemeinde schenkte.
• Laut Präsidentin Christine Andres gab der Kunstverein 5800 Franken für Gage und Material aus.
• 21 Personen beteiligten sich als Sponsoren.
• Die Skulptur hat einen Wert von 23'000 Franken.
• Insgesamt hat der Kulturverein der Gemeinde Lengnau bereits fünf Skulpturen im Wert von 150'000 Franken geschenkt.  

 

Stichwörter: Lengnau, Skulptur, Kunstverein

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