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Streifen am Himmel werfen Fragen auf

Während von Flugzeugen verursachte Kondensstreifen bei manchen Betrachtern Fernweh auslösen, befürchtet ein Himmelbeobachter aus Lyss, der Flughafen Genf benütze den Luftraum über dem Seeland als Warteraum.

Kondensstreifen und Vögel: Der Luftraum über dem Seeland wird je nach Höhe von ganz anderen Flugobjekten genutzt. Copyright Matthias Käser / Bieler Tagblatt

von Peter Staub

«Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein», sang der deutsche Liedermacher Reinhard Mey vor über 40 Jahren. Seither hat sich das exklusive Vergnügen des Fliegens zu einem Massentrend entwickelt, sodass auch dort Staus auftreten: Allein von 2010 bis 2015 ist gemäss Bundesamt für Statistik die Zahl der Flugreisen in der Schweiz um 43 Prozent auf 0,83 Reisen pro Person und Jahr gestiegen. Wobei auch die Strecke pro Flugreise auf 7160 Kilometer zulegte.

Auf die Bevölkerung im Seeland bezogen heisst dies: Die 173000 Menschen, die in den Verwaltungskreisen Biel und Seeland wohnen, legen statistisch gesehen pro Jahr über 1, 5 Milliarden Kilometer in einem Flugzeug zurück. Das entspricht der Strecke zum Mars, allerdings drei Mal hin und zurück. Oder anders gerechnet: Die Bewohner im Einzugsgebiet des BT buchen pro Jahr insgesamt mehr als 140 000 Flüge. Das ergibt mehr als eine Viertelmillion Starts und Landungen. Kein Wunder also, dass Kondensstreifen am Himmel bei manchen Beobachtern Fernweh auslösen.

Emotionen gehen hoch

Was sich seit Meys Flughymne nicht oder nur unwesentlich geändert hat: Das Fliegen ist eine höchst emotionale Angelegenheit. Die einen lieben es, zu fliegen, den anderen graust davor. Ähnlich emotional gehts beim Lärm zu und her. Während der Traum vom Fliegen seit Ikarus die Fantasie der Menschen beflügelt, weiss man spätestens seit Aufkommen des Rock ‘n’ Rolls, der von traditionsbewussten Musikliebhabern auch schon mal als «organisierter Lärm» bezeichnet wurde, dass die Schönheit des Klangs im Ohr der Zuhörenden zu suchen ist.

Und wenn dann Lärm und Fliegen in Kombination daherkommen, gehen die Emotionen besonders hoch. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Fluglärmgegner in Vereinen organisieren, um gemeinsam für möglichst wenig Überflüge zu kämpfen. Während für Besucher vonFlugtagen, etwa jene in Payerne, die Kampfflieger mit ihrem ohrenbetäubenden Krach gar nicht tief genug über sie hinwegfliegen können.

Die erwähnten rund 280 000 An- und Abflüge, welche die Seeländer Jahr für Jahr erleben, müssen irgendwo stattfinden. Es ist davon auszugehen, dass sich der grösste Teil davon auf den Flughäfen Basel, Belp, Genf und Zürich abspielt. Die Bewohner des Seelands haben das Glück, dass ausser den wesentlich kleineren Flugplätzen Grenchen und Biel-Kappelen, die sich auf dem Gebiet des Seelands befinden, alle Flughäfen so weit entfernt liegen, dass sie nichts vom Lärm der Starts und Landungen mitbekommen.

Belp als nächster Flugplatz mit Linienflügen liegt immerhin 33 Kilometer Luftlinie von Biel entfernt;bei Genf Cointrin sind es sogar 134 Kilometer Luftlinie. Sodass der gute alte Sankt Florian – «Verschone mein Haus, zünde das andere an» – für einmal nicht bemüht zu werden braucht.  

Fünf Jets gleichzeitig

Könnte man meinen. Nun aber hat Heinrich Anker aus Lyss die BT-Redaktion aufgeschreckt. Auf der Website «flightradar24.com» habe er festgestellt, dass der Flughafen Genf Cointrin die Region Neuenburgersee bis Grenchen als Warteraum benütze, schrieb er. Kürzlich hätten «gleich fünf Jets gleichzeitig, gestaffelt nach Höhe, über unseren Köpfen ihre Warteschlaufen gezogen». Und er fragte, weshalb dieser zusätzliche Lärm über dem dicht bevölkerten Seeland statt beispielsweise über dem Jura stattfinde. Komme dazu, dass «seit einiger Zeit der Flughafen Basel bei Bisenlage auch recht tief übers Seeland anfliegen lässt».

Das BT hat beim Bundesamt für Ziviluftfahrt (Bazl), bei den Gemeinden Biel und Lyss, bei den regionalen Flugplätzen in Grenchen und Kappelen und bei den Fluglärmgegnern nachgefragt, wie sie die Situation einschätzen. Nicole Räz, stellvertretende Leiterin Kommunikation beim Bazl, antwortete auf die Fragen des BTklar und deutlich: Die Warteräume von Flughäfen würden von der Flugsicherung Skyguide definiert. Diese seien auf Flughafenkarten festgehalten und würden vom Bazl geprüft und genehmigt. Die An- und Abflugverfahren und die Warteräume von Genf seien seit Jahren unverändert. «Die definierten Warteräume für den Anflug auf den Flughafen Genf befinden sich nicht in der Grossregion Biel.»

Wenn sich in der Nähe des Warteraumes eine Gewitterzelle befinde, könnten diese allerdings kurzfristig verändert werden. Auch bezüglich Südanflüge zum Airport Basel winkt Räz ab. Diese führten «seit jeher über den Jura bei Balsthal». Daher sei es «eher unwahrscheinlich», dass dies via das Seeland geschehe. 
Weder in Lyss noch in Biel habe es bezüglich Überflügen von Passagierflugzeugen Reklamationen gegeben, liessen die Sicherheitsverantwortlichen André Glauser (Biel) und Thomas Peter (Lyss) verlauten. Auch Ernest Oggier, Direktor des AirportsGrenchen, hat nicht festgestellt, dass das Seeland als Warteraum benutzt würde. Und Robert Seckler, Flugplatzchef in Kappelen, schreibt, dass für ihn Ankers Feststellungen absolut neu seien. 

Guido Frey, Geschäftsführer der Berner Vereinigung gegen Fluglärm, wurden «keine Lärmmeldungen oder ähnliche Beobachtungen gemeldet».  Allerdings hat er einen Verdacht: Ankers Beobachtungen stünden «wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Fluglotsenstreik in Frankreich» der etwa am 9. und 10. Juni dazu führte, dass Flugzeuge den französischen Luftraum nicht nutzen konnten und deshalb auf den Luftraum in der Schweiz auswichen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Überflügen? Geben Sie bitte hier Ihren Kommentar ab:

Kommentare

Arbnor64

Als ob die Flieger in der Hoehe stoeren? Immer nur meckern. Selber fliegt der Herr bestimmt auch. Otto Hugi


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