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Oberstufe

Studener Schüler überzeugen mit Initiative

Hautnah miterleben, wie Politik funktioniert – und gleich selber politisieren. Das war während der Projektwoche «Schulen nach Bern» möglich. Mit dabei: Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums Studen.

Bild: zvg

Ursina Remund

Was direkte Demokratie bedeutet, haben die Schülerinnen und Schüler der 9. Sekundarklasse des Oberstufenzentrums Studen in der vergangenen Woche hautnah miterlebt. Als Fraktion «gleich reisten sie am 7. November in die Bundeshauptstadt, um am einwöchigen politischen Planspiel «Schulen nach Bern» teilzunehmen (siehe auch BT vom letzten Donnerstag). Im Gepäck ein politisches Anliegen, das polarisiert: die Initiative «Ehe und Familie für alle». Die Forderung: Gleichgeschlechtliche Paare erhalten das Recht auf Ehe, Adoption und Zugang zur Fortpflanzungsmedizin.

Die von den Schülerinnen und Schülern im Vorfeld der Projektwoche gesammelten Unterschriften wurden am Dienstagmorgen von der Fraktionschefin, Julia Tiefenbach, bei der Bundeskanzlei eingereicht. Auch der Bundesrat bezog in einer Botschaft Stellung zur Initiative. Mit der Befürchtung, das Anliegen könne an der Urne nicht mehrheitsfähig sein, empfahl er dem Parlament, die Initiative abzulehnen und dem Volk stattdessen eine Light-Version vorzulegen, die nur eheähnliche Rechte und Pflichten für Homosexuelle vorsieht.

Besser zwei Mütter?

Auch vier andere Fraktionen (Schulklassen) aus der Deutschschweiz und der Romandie nahmen an der Projektwoche teil. Ihre Forderungen reichten von einer Zukunft ohne Rauchen über politische Rechte für alle bis zu einem Importverbot von Rohstoffen und Waren, die unter menschenunwürdigen Bedingungen gewonnen oder produziert wurden.

Die zuständigen Kommissionen, bestehend aus Jugendlichen aller Fraktionen, prüften die Initiativen auf Herz und Nieren. «Was entstehen für Nachteile für heterosexuelle Paare, wenn gleichgeschlechtliche auch heiraten dürfen?», brachte eine Schülerin aus Le Mont-sur-Lausanne in der Kommissionssitzung in die Diskussion ein. «Die Ehe ist doch für Mann und Frau vorgesehen», erwiderte ein Junge, dem der Gegenvorschlag des Bundesrats mehr zusagte.

Aber Staat und Kirche seien doch getrennt, meinte ein Mädchen aus dem Thurgau. Die Kommissionsmitglieder der Studener Fraktion setzten sich vehement für ihr Anliegen ein. «Besser zwei Mütter oder zwei Väter als gar keine Eltern!», argumentierte Jaëlle Bohren aus Schwadernau. Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative überzeugten die Skeptiker. Die Initiative wurde in der Kommission mit 17 zu 1 Stimmen angenommen. Sie empfiehlt diese somit der Bundesversammlung zur Annahme. Der Donnerstagnachmittag war für Mia Brönnimann und Romano Schär das Eindrücklichste: Die Jugendlichen debattierten im Nationalratssaal über die fünf Initiativen. Die Nervosität war gross, sprachen doch alle Nationalrätinnen und Nationalräte einmal am Rednerpult zum Parlament. Nicolas Weber, der frischgebackene Nationalratspräsident aus Le Mont-sur-Lausanne führte durch die Sitzung. Unterstützt wurde er durch Alt-Nationalrat, Yves Christen. Andreas Koellreuter, ehemaliger Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, übernahm die Rolle der Bundesratsvertretung. Die Fraktion gleich konnte nach der Session auf ihren politischen Erfolg anstossen. Die Initiative «Ehe und Familie für alle» wurde vom Parlament fast einstimmig gut geheissen.

«Der Höhepunkt des Projekts war für uns die Fragerunde mit Nationalrat Urs Gasche», so Fiona Maurer und Muriel Bohren. Es sei spannend gewesen, einmal jemanden aus dem Parlament persönlich kennen zu lernen. Gasche nahm die Anliegen der Jugendlichen ernst. Zur Freude der Klasse will er eines ihrer Argumente in zukünftigen Diskussionen zum Thema «Gleichstellung homosexueller Paare» einfliessen lassen. «Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch der deutschen Botschaft», meinen Yannick Leiser und Joel Weilenmann.

Es hat sich gelohnt

Die Jung-Nationalrätinnen und Nationalräte erlebten nicht nur Höhepunkte. Sie empfanden den Sitzungsmarathon und die damit verbundenen langen Tage als anstrengend. Es habe sich aber trotzdem gelohnt, da sie nun die politischen Zusammenhänge viel besser verstehen, sind die Studener Schülerinnen und Schüler überzeugt. Ob sie denn nun mit 18 Jahren ihr Wahl- und Stimmrecht wahrnehmen werden? «Ja!», meint die Klasse einstimmig.

Info: Die Autorin ist Lehrerin am OSZ Studen.

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