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Täter zeigt sich unbelehrbar

Der heute 24-jährige Spanier, der 2018 bei einer Schlägerei einen anderen Mann verletzt hat, ist der versuchten schweren Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Er muss ins Gefängnis und wird für fünf Jahre des Landes verwiesen.

Ein feucht-fröhlicher Abend in der Kreisel-Bar endete für das Opfer im Spital (Symbolbild). Keystone
Sarah Grandjean
 
Brutal, feige, respektlos, hinterhältig: So beschrieb Gerichtspräsidentin Elisabeth Ochsner die Art und Weise, wie im April 2018 ein damals 21-Jähriger einen anderen Mann mit Tritten gegen den Kopf traktierte. Die Schlägerei passierte in der Lysser Kreisel-Bar in einer Samstagnacht gegen drei Uhr morgens. Der Beschuldigte war mit einem Kollegen im Ausgang. Als dieser in einen Streit mit dem stark betrunkenen späteren Opfer geriet, ging der Beschuldigte dazwischen. Die beiden wurden handgreiflich und stürzten über einen Barhocker zu Boden. Der Beschuldigte stand auf, sein Opfer blieb reglos liegen. Er versetzte dem Wehrlosen zwei heftige Tritte gegen den Kopf, ehe er von jemandem weggezogen wurde. Das Opfer erlitt ein Schädel-Hirntrauma mit Gehirnerschütterung. Es hat keine bleibenden Schäden davongetragen.
 
Gestern hat das Regionalgericht Berner Jura-Seeland den mutmasslichen Täter der versuchten schweren Körperverletzung schuldig gesprochen. Der Pflichtverteidiger des Beschuldigten, Marc Wollmann, hatte auf einfache Körperverletzung gepocht. Es sei nicht erwiesen, worauf die Gedächtnislücke des Opfers zurückzuführen sei, argumentierte er. Bei dessen Alkoholkonsum hätte es auch ohne Gewalteinwirkung zu einem Filmriss kommen können. Zum Tatzeitpunkt hatte das Opfer gemäss Anklageschrift zwischen 1,88 und 3,03 Promille Alkohol intus.
 
Ausserdem sei unklar, ob die Gehirnerschütterung auf die Fusstritte oder aber auf den vorangegangenen Sturz zurückzuführen sei, so Wollmann. Da der Kopf des Opfers auf dem Boden lag, sei er einigermassen vor den Tritten von oben geschützt gewesen. Schlimmer wären laut ihm seitliche Schläge gegen den Kopf gewesen.
 
Täter ist wenig geständig
 
Während die Staatsanwaltschaft 24 Monate Freiheitsstrafe forderte, plädierte Wollmann für die Hälfte. Das Gericht ging jedoch sogar weiter als die Staatsanwaltschaft und verurteilte den Beschuldigten zu 32 Monaten Gefängnis. Davon muss er sechs absitzen, die übrigen 26 Monate sind bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. Ausserdem wird der gebürtige Spanier für fünf Jahre des Landes verwiesen. Er muss die gesamten Gerichtskosten tragen und dem Opfer 6000 Franken Genugtuung zahlen.
 
Gerichtspräsidentin Ochsner sagte, der Beschuldigte habe sich nicht wirklich geständig gezeigt. Er habe während der Ermittlungen mehrere Varianten über die Art und Weise der Fusstritte zu Protokoll gegeben. Zuerst habe er von nur einem Tritt in den Bauch gesprochen. Erst, als ihn die Aussagen von Zeugen belasteten, habe er einen zweiten Tritt gestanden, blieb aber dabei, dass er den Bauch getroffen habe. Wegen des Alkohols wisse er nicht mehr genau, was er gemacht habe. «Wenn man weiss, wie man den ersten Tritt gemacht hat, weiss man auch, wie man den zweiten gemacht hat», sagte Ochsner. Dass er sein Opfer in den Bauch getreten habe, sei nichts weiter als eine Schutzbehauptung des Beschuldigten. Ferner war dieser deutlich weniger betrunken als sein Opfer: Er hatte 0,48 bis 1,55 Promille Alkohol im Blut. Auch wären solch heftige Tritte laut Ochsner gar nicht möglich gewesen, wenn der Beschuldigte tatsächlich so betrunken gewesen sein sollte, dass er später einen Filmriss hatte.
 
Tritte waren sicher heftig
 
Nicht erwiesen ist, ob die Verletzung am Hinterkopf des Opfers durch den Sturz oder durch die Tritte verursacht wurde. Das Gericht geht anhand von Fotos der Wunde davon aus, dass sie eher dem Sturz zuzuschreiben ist. Das Opfer hatte aber auch Verletzungen am Vorderkopf. «Für uns ist klar, dass diese von den Fusstritten kommen», so Ochsner. Zwar waren keine Sohlenabdrücke erkennbar, aber der mutmassliche Täter trug Sneakers, deren weiche Sohle nicht unbedingt Abdrücke hinterlassen. Ausserdem wurde an seinem Schuh Blut des Opfers gefunden. Wie heftig die Tritte waren, lässt sich nicht beweisen. Während der Beschuldigte im Verfahren von «leichten Tritten» sprach, beurteilte diese der DJ, der an dem Abend Musik auflegte, auf einer Skala von eins bis zehn mit einer Zehn. Über die Beurteilung könne man streiten, sagte Ochsner, aber wenn sie dem DJ solchen Eindruck gemacht hätten, seien es mit Sicherheit heftige Tritte gewesen. Das Argument, der Kopf des Opfers sei auf dem Boden liegend geschützt gewesen, liess das Gericht nicht gelten. 
 
Schlecht für den Beschuldigten wirkt sich aus, dass der Grund für die Schlägerei eine Nichtigkeit gewesen sein dürfte, an die sich offenbar nicht einmal jemand erinnern kann. Auch kommt ihm nicht gut zu stehen, dass er vor besagtem Vorfall bereits in eine andere Schlägerei vor der Lysser Kufa verwickelt war, die mit Eingreifen der Polizei endete. «Das zeigt eine gewisse Unbelehrbarkeit», sagte Ochsner. Zudem habe der mutmassliche Täter nicht wirklich Reue gezeigt: Während des Verfahrens hätte er Gelegenheit gehabt, sich beim Opfer zu entschuldigen. Das hat er jedoch verpasst.

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