Sie sind hier

Abo

Landwirtschaft

Und wieder werden weniger Rüben angepflanzt

Trotz verlängerter Unterstützungsmassnahmen und höherer Rübenpreise sind erneut Bauern aus dem Geschäft ausgestiegen – auch im Seeland. Ein Hoffnungsschimmer für die Schweizer Zucker AG bleibt.

Der Anbau von Zucker-rüben ist für Landwirte im Seeland kaum mehr ein
einträgliches Geschäft.
 Bild: Carole Lauener/a

Manuela Habegger

Die Zahlen sind alarmierend: Zwischen 2014 und 2021 haben sich rund 1700 Schweizer Landwirte vom Zuckerrübenanbau zurückgezogen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurden im vergangenen Herbst Massnahmen wie eine Preiserhöhung ergriffen. Wie die Zahlen der Schweizer Zucker AG zeigen, ist die erhoffte Kehrtwende jedoch ausgeblieben. Demnach haben sich 2021 nochmals 200 Landwirte und Landwirtinnen vom Rübenanbau verabschiedet. Die rund 500 Hektaren fehlen hauptsächlich im Westen, wie Mediensprecher Raphael Wild präzisiert – also auch im Seeland.

Beim Verband der Schweizer Zuckerrübenpflanzer (SVZ) ist man enttäuscht: «Wir haben uns erhofft, dass unsere Produzenten dank den Massnahmen wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken können», sagt Präsident Josef Meyer. So hatte das Parlament im November der Verlängerung der Unterstützungsmassnahmen wie den Zoll und den Flächenbeitrag gutgeheissen. Zudem hat es höhere Richtpreise für den Rübenanbau durchgewunken.

 

Beträchtliche Schäden

«Womöglich kam der Entscheid zu spät», sagt Josef Meyer. Die Vorbereitung der Felder für das Folgejahr beginne jeweils nach der Ernte im Sommer. Der Entscheid kam im November. Man sei daher zuversichtlich, die positiven Effekte der besseren Rahmenbedingungen im nächsten Jahr zu sehen.

Laut Ueli Brauen von der Rüben GmbH in Suberg sorgen auch Schädlinge dafür, dass sich immer mehr Landwirte vom Rübenanbau zurückziehen. Der einstige Geschäftsführer des Rübenrings sät, erntet und transportiert seit 37 Jahren Rüben von Seeländer Landwirten und ist daher mit vielen in Kontakt: «Die Ausfälle waren wegen der Krankheiten im letzten Jahr teilweise so hoch, dass sie bei den betroffenen Betrieben nicht durch die Preiserhöhung zu kompensieren sind», sagt er.

Die von Frankreich herkommenden Insekten befallen immer weitere Teile der westlichen Schweiz. Laut Landwirt Urs Zumbach aus Büren sind es neben den grünen Blattläusen vor allem Zikaden. «Die Schädlinge wandern jedes Jahr zehn Kilometer. Letztes Jahr haben sie das Seeland erreicht. Nun verbreiten sie sich weiter ins Solothurnische», erklärt er. Die Schädlinge stechen in die Blätter und verteilen Bakterien, die einerseits das Wachstum behindern und andererseits den Zuckergehalt stark reduzieren. «Das eine führt zu kleineren Ernten, das andere zu Abzügen auf den Lieferungen wegen des tiefen Zuckergehalts», sagt Zumbach. Büren war im letzten Jahr erstmals stark betroffen, weil sich die Zikaden gern in Flussnähe ausbreiten. Im letzten Jahr konnte Zumbach auf einer Hektare wegen der Schäden nur noch 70 Tonnen Rüben ernten. In normalen Jahren sind es um die 100 Tonnen. Gleichzeitig sank der Zuckergehalt von 18 Prozent auf 13,4 Prozent.

Unter dem Strich hat er auf seinen Rübenfeldern damit noch gerade mal die Hälfte von dem verdient, was er normalerweise einnehmen würde. «Wir sind alle auch Unternehmer. Unter diesen Umständen rentiert der Anbau nicht mehr», sagt er. Und: Die nun gesprochene Preiserhöhung wirke nur dann, wenn man auch etwas abliefern könne. In der Konsequenz hat er bei der Schweizer Zucker AG für dieses Jahr nur die Hälfte der üblichen Fläche eingereicht, viereinhalb anstatt neun Hektaren: «Ich versuche es mit einer neuen Sorte. Wenn das nicht funktioniert, höre auch ich auf», sagt er.

 

Neue Rübensorten

Die Hoffnung liegt nun also auf Xerus und Chevrolet. Diese Rübensorten sollen resistenter sein, sie können trotz eines Befalls durch Zikaden einen ansprechenden Zuckergehalt entwickeln. In der Fachsprache heisst die durch Zikaden ausgelöste Krankheit Syndrome Basses Richesses (SBR). «Wir hoffen darauf, dass die neu gezüchteten Sorten, die den Zuckergehalt vielleicht auf 16 Prozent steigern können, zusammen mit dem höheren Gelderlös die Rüben wieder von den anderen Kulturen abhebt. Dann kommen die Flächen zurück», sagt Ueli Brauen. Wenn dies nicht eintrifft, wird der Zuckerrübenanbau laut Brauen in einigen Gebieten verschwinden.

Damit würde auch die Rentabilität der Zuckerfabrik in Aarberg erneut sinken. Der Betrieb kämpft seit Längerem mit einer tiefen Auslastung. Im letzten Jahr war die Fabrik nur an 68 Tagen ausgelastet, dies auch weil wetterbedingt die Ernte schlecht ausfiel. Eine gute Auslastung wären mindestens 90 Tage. Rund 45 000 Tonnen Rüben wurden aus weiter östlich liegenden Gebieten, sprich aus dem Einzugsgebiet der Fabrik in Frauenfeld, in Aarberg verarbeitet. So hat man die Schwankung ausgleichen können.

Die Anbaufläche für Rüben sinkt seit Jahren, weil die Zuckerrübenpreise zusammen mit den EU-Preisen eingebrochen sind. Wurden 2014 auf noch mehr als 21 000 Hektaren Rüben angebaut, waren es im letzten Jahr rund 16 000 Hektaren.

Nun sorgen seit zwei Jahren auch noch Schädlinge dafür, dass sich der Anbau nicht mehr lohnt. «Gegen die Blattläuse gibt es zwar seit letztem Jahr neu zugelassene Mittel. Um diese auszubringen, braucht es jedoch drei Überfahrten mehr», sagt Urs Zumbach. Andere Kulturen müssten weniger stark bewirtschaftet werden. Viele Landwirte stellen daher auf Mais, Raps oder Eiweisserbsen um. Urs Zumbach will jetzt zusätzlich Spinat anpflanzen.

Nachrichten zu Seeland »