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Gastronomie

Unfreiwillig als Einzelkämpferin angetreten

Stéphanie Zosso vom «Schüpbärg Beizli» hat am Wettbewerb Goldener Koch den zweiten Platz und den Publikumspreis abgeräumt. Dabei standen die Vorzeichen für sie alles andere als gut.

Bild: zvg

Carmen Stalder

Seit gestern dürfen Restaurants ihre Innenbereiche wieder für die Gäste öffnen. Zwar zufälligerweise, aber irgendwie doch als passendes Symbol zu werten, fand gestern im Kursaal in Bern die Schweizerische Kochkunst-Meisterschaft Goldener Koch statt. Wie zum Beweis, dass sie in den letzten Wochen und Monaten keineswegs tatenlos zuhause herumgesessen sind, zauberten drei talentierte Jungköche und eine Jungköchin Gerichte auf Platten und Teller, die zum Essen eigentlich viel zu schön sind.

Der Kochwettbewerb hätte eigentlich bereits im Februar stattfinden sollen – vor einem Publikum aus 1200 Gästen mit vielen bekannten Gesichtern aus der Gastroszene. Der Anlass, der von den Organisatoren als renommiertester und wichtigster Kochwettbewerb der Schweiz bezeichnet wird, ist nicht zuletzt ein Sehen und Gesehen-Werden der hiesigen Koch-Elite. Aber wie so vieles auch, kam es anders als geplant und der Goldene Koch musste gestern ohne Publikum ausgetragen werden. Stattdessen konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer dem Wirken der vier Finalisten bequem von zuhause aus via Livestream zuschauen.

 

Commis mit Corona

Unter den ambitionierten Köchen sind zwei im Seeland tätig: Die 23-jährige Stéphanie Zosso ist Chef de Partie im «Schüpbärg-Beizli» bei Schüpfen und der 36-jährige Euloge Malonga ist stellvertretender Küchenchef im Restaurant Ambiance im Wohnguet Täuffelen. Mit 23 Jahren war Stéphanie Zosso gestern die jüngste Finalistin – und die einzige Frau. Das Mitglied der Jugend-Nationalmannschaft musste allerdings unter erschwerten Bedingungen teilnehmen: Erst am Freitag hatte sie erfahren, dass ihr Commis aufgrund eines positiven Corona-Tests nicht am Wettbewerb teilnehmen kann. Ohne ihren Assistenten zu starten, mit dem sie monatelang jeden Handgriff bis zur Perfektion einstudiert hat, bedinge den allergrössten Respekt, sagte Florian Bettschen. «Das ist, als ob man jemandem den Arm abnehmen würde», so der Gastronomie-Leiter des Casino Bern, der den Fernsehmoderator Sven Epiney während des Livestream mit seinen kulinarischen Kenntnissen unterstützte.

Das Finalreglement des Goldenen Kochs sah für den Fall von Stéphanie Zosso eine Zeitgutschrift von drei Stunden für diejenigen Aufgaben vor, die ihr Commis am Wettbewerb verrichtet hätte. Weiter erhielt sie einen Ersatzcommis zur Seite gestellt, der ihr jedoch nur bei bestimmten Aufgaben helfen durfte. Für Zosso also alles andere als gute Voraussetzungen für den Wettbewerb, für den sie so lange trainiert hatte.

 

Kreative Kreationen

Die vier Finalisten mussten innerhalb von fünfeinhalb Stunden ein Fischgericht aus Zuchtlachs zubereiten, das mindestens zwei verschiedene Garmethoden verwendet, sowie ein Fleischgericht aus Rind und Ochsenschwanz. Die relativ freie Vorgabe verleitete die Köche zu äusserst kreativen Kreationen (siehe Infobox). Eine von Franck Giovannini vom renommierten Restaurant Hôtel de Ville in Crissier präsidierte Fachjury kam anschliessend in den Genuss, die Gerichte zu degustieren. «Die Qualität nimmt jährlich zu. Es wird immer schwerer, ins Finale zu kommen», sagte Giovannini, der den Goldenen Koch als einziger Teilnehmer bereits zweimal (2006 und 2010) gewonnen hat.

Bettschen lobte bei der jungen Köchin, dass sie sehr reduziert und exakt gearbeitet habe. «Man erkennt noch, welche Produkte sie verwendet hat. Für diese Einfachheit braucht es Mut», so der Casino-Küchenchef. Bei Malonga hob er hervor, dass alle Komponenten identisch aussehen, was bei der Jury gut ankomme.

Die Siegerehrung wurde live auf «Blick TV» ausgestrahlt und von Marco Fritsche moderiert. Im Vergleich zum normalerweise mit der grossen Kelle angerichteten Anlass im Kursaal wurde die Sache gestern eher kurz und knapp abgehandelt. Ohne applaudierendes Publikum wollte nicht so recht Stimmung aufkommen. Gleich zu Beginn konnte sich Stéphanie Zosso den Publikumspreis sichern. Sie konnte im Vorfeld via Online-Voting am meisten Stimmen für sich gewinnen. Dass die junge Köchin aus Gunten am Thunersee, deren Herz für die nordische Küche schlägt und die vom eigenen kleinen Restaurant träumt, diesen Preis mehr als verdient hat, konnte sie unter den schwierigen Umständen allen beweisen. Malonga landete auf dem undankbaren vierten Platz. Er habe sein Bestes gegeben, meinte er. «Es gab sehr starke Konkurrenten, wirklich sackstarke Leute.» André Kneubühler, Sous Chef im Restaurant Stucki in Basel, landete auf dem dritten Podestplatz.

Zosso konnte trotz ihres unfreiwilligen Einzelkampfes den zweiten Rang ergattern. «Ich habe sehr gekämpft und bin ans Limit gegangen», meinte sie nach dem Wettbewerb sichtlich erschöpft. Der Fernsehkoch und Kochweltmeister Ivo Adam lobte ihre Bodenständigkeit: «Es ist sehr gewagt, eine Kartoffel einfach so nature zu bringen. Du hast eine klare und ehrliche Küche.»

Sieger des gestrigen Wettbewerbs und damit Goldener Koch 2021 ist der 28-jährige Paul Cabayé vom Restaurant Hôtel de Ville in Crissier. Seinen Titel kann er während zwei Jahren behalten – danach geht das grosse Kochen wieder von vorne los.

 

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Die Menüs der Seeländer Finalisten

Stéphanie Zosso

  • Fischplatte: Lachs in zwei Variationen; Beurre Blanc; Blumenkohl, Bohnen, Haselnuss; Spargel, Erdnuss, veganer Kaviar; Kartoffel, Schnittlauch.
  • Fleischplatte: Sanft gegarter Rindshuftdeckel umhüllt von geschmortem Ochsenschwanz-Pilz-Mantel; Jus, Morcheln; Capuns, Zwiebelcreme, Speck, Alpkäse; Sellerie, Preiselbeere; Kohlrabi, Schmorgemüse.

 

Euloge Malonga

  • Fischplatte: Filet vom Lachs mit Kräutern und Limette, Buttersauce mit Bärlauch-Öl; Lachstatar und Oona-Kaviar; Sauerrahmkrone; Chili-Likör-Gel; konfierte Kartoffel mit Trüffelcreme; Blumenkohl: Flan und Pickled; gefüllte Cherrytomate «Malonga».
  • Fleischplatte: Rind mit Eierschwämmen und Rotweinjus; Ragout vom Ochsenschwanz mit Birnenschnaps, Birnen und Haselnuss; Knusperperle mit Galait; Seeländer Süsskartoffel mit Tropea-Zwiebeln. cst
Stichwörter: Kochen, Region, Wettbewerb, Essen

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