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Ausgewandert

Ungelebtes Leben

In jeder französischen Ortschaft, in jedem noch so kleinen Dorf, steht ein Denkmal, auf welchem die Namen derjenigen Söhne aufgelistet sind, die im Krieg ihr Leben für Frankreich gelassen haben.

Ruedi und Stephanie Baumann, Landwirte in Südwestfrankreich
  • Dossier

Zahlreich sind die Namen der Gefallenen im 1. Weltkrieg (la grande guerre 1914-1918), etwas weniger im 2. Weltkrieg (l’occupation), einzelne beim Algerien- und beim Indochinakrieg.

So viel ungelebtes Leben von jungen Menschen!

Jährlich werden am Jour de l’armistice (Waffenstillstand 1918) die Gefallenen mit einer Kranzniederlegung geehrt. Auch in unserem 80-Seelendörfchen mitten in der Gascogne hält der Maire an jedem 11. November eine kurze Ansprache und liest die zwölf Namen der gefallenen Soldaten unserer Gemeinde vom Denkmal ab. Der Zweite Weltkrieg wird jeweils nur kurz erwähnt, denn niemand erinnert sich gerne daran, dass es in jedem Dorf auch Familien gab, die mit der deutschen Besatzungsmacht kollaboriert haben. Und noch schmerzhafter ist die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte mit all den brutalen Kriegsverbrechen, welche die Franzosen in Nordafrika verübt haben. Trotz dieser unrühmlichen Geschichte akzeptiert die französische Gesellschaft Einsätze der militärischen Streitkräfte im Ausland, wenn es um Friedenssicherung in Krisenherden und um die Abwehr von Terrorismus geht. Die Bilder von mit Fahnen bedeckten Särgen, die aus den Kampfzonen nach Frankreich zurückkommen, lassen jeweils die ganze Nation innehalten und zusammenstehen. Sind gerade deshalb die Französinnen und Franzosen eher bereit als andere Staaten, in das Friedensprojekt Europa zu investieren?

Frankreich hat schon vor Jahren die allgemeine militärische Dienstpflicht abgeschafft, diskutiert jetzt aber die Einführung eines obligatorischen Zivildienstes für alle Jugendlichen, um den nationalen Zusammenhalt zu fördern.

Eine Art Zivil- und Friedensdienst anstelle des Militärdienstes wäre vielleicht auch etwas für die Schweiz. Ein so reiches Land könnte mehr Solidarität zeigen mit den Armen und für den Frieden auf der Welt, statt sich hinter seiner Neutralität zu verstecken, wenn kein finanzieller Gewinn resultiert.

Eine Neutralität, die sofort vergessen geht, wenn lukrative Geschäfte winken mit dem Verkauf von Kriegsmaterial in Länder, die Menschenrechte systematisch verletzen und wo Bürgerkrieg herrscht. Diese neue skandalöse Regelung muss schnellstmöglich korrigiert werden.

Dies war unsere letzte Kolumne. Wir danken dem «Bieler Tagblatt» für das uns gewährte Gastrecht und den Leserinnen und Lesern für ihr Interesse.

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