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Mai-Hochzeit

Vier Schimmel brachten sie 
zur Kirche

Als Käthi und Friedrich Thomke vor 50 Jahren heirateten, regelte ein Polizist den Verkehr. Denn der Pferdeliebhaber, die Braut und ihre Gäste fuhren in acht Kutschen zur Kirche in Sutz.

Katharina und Friedrich Thomke leben noch immer in seinem Elternhaus an der Seevorstadt. Bild: Peter Samuel Jaggi

Mengia Spahr

An einem langen Tisch sitzt Friedrich Thomke und raucht Pfeife. An den tapezierten Wänden hängen zahlreiche Pferdebilder, auf einer Kommode stehen gerahmte Fotos von den Kindern, Enkeln und Enkelinnen. Die Villa an der Seevorstadt wurde in den 1860er-Jahren erbaut. Sie ist Friedrich Thomkes Elternhaus. Käthi Thomke bewohnt sie seit 50 Jahren.

Am 15. Mai 1971 war die Villa der Ausgangspunkt eines Hochzeitsumzugs, über den sogar die Presse berichtete. Denn als der damals 26-jährige Friedrich Thomke und die zwei Jahre jüngere Käthi heirateten, fuhren acht Kutschen vor. Vier Schimmel zogen das Gefährt, in welchem die frisch Vermählten sassen, während die Hochzeitsgäste in Zweiergespannen Platz nahmen. «Da fährt man mit Zylinder», sagt Käthi Thomke, während sie im Hochzeitsalbum blättert.

Damit der Festumzug ungehindert über Nidau und anschliessend am See entlang nach Sutz gelangen konnte, mussten die Lichtsignale geregelt werden und auf dem Salzhausplatz stand ein Polizist. Trotz allem sei plötzlich ein Trolleybus dazwischen gefahren, erzählt Friedrich Thomke kopfschüttelnd. Bei der Zeremonie in Sutz mussten sich Pfarrer und Ehepaar dann kurz fassen, damit die Pferde nicht ungeduldig wurden. Auch für einen ausgiebigen Fototermin sei keine Zeit geblieben. Zu den acht Kutschen sei vor der Kirche noch ein Pferdespalier gekommen und zu den geladenen Gästen hätten sich Schaulustige gesellt.

Weiter ging es dem Kanal entlang nach Hagneck, wo das Festmahl eingenommen werden sollte. «Die Brücke bei der Schleuse klapperte», sagt Käthi Thomke. «Das waren damals Holzlatten», erklärt ihr Gatte. Er habe immer wieder über den See geschielt, wo ein schauriges Gewitter niedergegangen sei. «In Ligerz und Twann hagelte es. Ich befürchtete die ganze Zeit, dass es zu uns kommt.» Doch weder die Hochzeitsgäste noch die Pferde wurden an diesem Tag nass. Gerne erinnert sich Käthi Thomke daran, wie sie und ihr Mann mit der letzten Kutsche – mit der Viktoria Chaise – nach Hause chauffiert wurden.

Ihr Mann sei «halt ein Rösseler», sagt sie. Er habe sämtliche Reitkollegen für den Umzug angefragt und alle hätten mitgemacht. Friedrich Thomke erzählt, wie er und seine Kollegen während drei Wochen alles vorbereiteten, die teils alten Kutschen flickten und den Pferden das Ziehen lernten. «Das war die grosse Herausforderung – die Pferde aneinander zu gewöhnen.»

Die Liebe zu den Pferden begann bei Friedrich Thomke mit einer Geburt. Seine Nachbarin, Fräulein Neuhaus, deren Wohnung heute im Neuen Museum Biel besichtigt werden kann, hielt eine Stute. Eines Tages habe Friedrich Thomkes ältere Schwester ihn, der sich bis zu diesem Zeitpunkt vor Pferden fürchtete, gerufen: Er solle unbedingt zur Nachbarin kommen. Und so sah der kleine Friedrich Thomke, wie die Stute ein Fohlen gebar. «Der Stall lag auf meinem Schulweg. Alle anderen hatten Angst vor dem jungen Pferd, aber mir frass der Kerl aus der Hand.» Friedrich Thomke wurde Dressur-, Military- und Springreiter. Seinen ersten eigenen Hengst hat er 1969 einem Bauern aus Orvin abgekauft, der ihn metzgen wollte.

Er und Käthi Thomke lernten sich an der Hochzeitsfeier ihrer Schwester kennen. Denn deren Bräutigam war ebenfalls ein «Rösseler», der seine Reitkollegen zum Fest einlud – darunter Friedrich Thomke. Als Käthi und er dann heirateten, hatte er soeben sein Veterinärmedizinstudium abgeschlossen und im Elternhaus eine Praxis eröffnet. Von dort aus rückte er fortan zu Pferden, Kühen und anderen Grosstieren in der Umgebung aus. Käthi Thomke kümmerte sich um die Büroangelegenheiten. «Ich selber bin keine Rösselerin», sagt sie. Sie habe auch nie richtig Reiten gelernt. Aber: «In diesen 50 Jahren seit wir verheiratet sind, spielten Pferde immer eine Rolle.» Wenn Friederich Thomke Turniere ritt, habe sie ihre drei Töchter und den Sohn ins Auto gepackt und sei mit ihnen zu den Concours gefahren, um den Vater anzufeuern. Die Töchter ritten bald selber und heute schauen Friederich und Käthi Thomke manchmal den Grosskindern beim Voltigieren zu.

Wenn sie wieder heiraten würde, würde sie es noch einmal genau gleich machen, sagt Käthi Thomke: «Vielleicht unternehmen wir wieder einmal so eine Kutschenfahrt zu zweit?» – «Das machen wir diesen Sommer», sagt ihr Gatte.

 

Drei Liebesgeschichten mit Hochzeit im Mai

  • Ein russisches Sprichwort warnt vor Hochzeiten im Mai. Es lautet: «Im Mai heiraten – sich das ganze Leben lang quälen.» Bei uns gilt der Wonnemonat Mai hingegen traditionell als Heiratsmonat.
  • Hier die dritte von drei besonderen Liebesgeschichten um eine Heirat im Mai.
  • Haben auch Sie eine spezielle Mai-Hochzeitsgeschichte zu erzählen? Dann melden Sie sich doch unter bkuhn@bielertagblatt.ch. bk
Stichwörter: Hochzeit, Ehe, Sutz

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