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Rapperswil

Von der Schulbank ins Wirteleben

Die Schulklasse 9b der Oberstufe Rapperswil übernimmt für einen Abend das Restaurant Hirschen in Frauchwil. Mit einem 4-Gang-Menü wird aus dem Projektunterricht eine Lektion fürs Leben.

Die Jugendlichen der Klasse 9b freuen sich darauf, im Restaurant Gäste zu empfangen. Vor und hinter den Kulissen gibt es viel zu tun. copyright: Raphael Schäfer

Nandita Boger


Die Zeit drängt. Wenn am Abend des 11. September das Restaurant Hirschen öffnet, stehen hinter der Türe die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe Rapperswil bereit, um ihre Gäste zu verwöhnen. Knapp eine Woche vor dem Ereignis wird den Jugendlichen erst richtig bewusst, welche «Mise en Place» noch auf sie zukommt.
Klassenlehrer Daniel Zitterli beobachtet und unterstützt, aber wo notwendig übernimmt er auch die Rolle des Antreibers. «Über Enthusiasmus verfügt die Klasse im Überfluss, vieles entsteht spontan.» Was noch fehle, sei organisatorisches Denken. Das Dekorationsteam hätte zum Beispiel am liebsten das ganze Restaurant umgestaltet. Unterdessen sei man zu einer guten Lösung gelangt, erklärt das Team, es solle eine Tischdekoration mit Dromedaren aus Papier geben, orientalische Teelichter und Servietten mit Schweizerkreuzen darauf. Das klingt vielversprechend, und passt zum Menü.


Richtiges Servieren will gekonnt sein
Die Jugendlichen haben sich selber in vier Gruppen aufgeteilt: ein Küchenteam, ein Serviceteam, eine Administration und eine Gruppe für die Erstellung und den Unterhalt der Website. Dass im Serviceteam die Mädchen dominieren würden, und im Managementteam die Jungen, sei Zufall, wird eine entsprechende Frage nach Rollenbildern entkräftet. «Am Anfang waren wir alle im Serviceteam», erzählt eine junge Frau, «aber dann haben wir gemerkt, dass es doch noch mehr Aufgaben gibt, als am Abend die Gäste zu bedienen.»
Richtiges Servieren bedeutet nicht nur, dem Gast den Teller hinzustellen. Die Arbeit beginnt schon, bevor die ersten Gäste eintreffen, und ist noch lange nicht fertig, nachdem die letzten Gäste das Restaurant verlassen haben. «Das Hauptziel des Anlasses ist das Erlebnis», sagt der Lehrer. «Wenn ich in Zukunft bei gewissen Themen im Unterricht an die Projektwoche erinnern kann, wie zum Beispiel bei einer Erfolgsrechnung, ist das natürlich toll.» Die Gruppe wird bei einem Grossverteiler alle Zutaten frisch in der selbst berechneten Menge einkaufen. «Wir müssen nur die Kosten für die Lebensmittel mit dem Preis für das Menu hereinholen», sagt der Einkaufschef. Den Preis für das 4-Gang-Menü haben sie bereits festgelegt. Der Abend soll für eine vielköpfige Familie erschwinglich sein. Deshalb essen Kinder gratis und Jugendliche bezahlen einen reduzierten Preis.
Was am Abend für 25 Franken in den Töpfen schmoren wird, steht fest. Die Schüler werden rüsten, raffeln und reiben, bis ihre Finger wund sind, um Tomatensuppe, Älplermaccaroni und Tajine zu zaubern. «Eine Tajine muss stundenlang schmoren, damit sie schmeckt», weiss das Küchenteam. Die Gäste können zwischen Rindfleisch und vegetarisch wählen. Zum Dessert gibt es einen Lava Cake aus zerfliessender Schokolade. «Nein, Alkohol dürfen wir nicht ausschenken», sagt das Serviceteam ohne Bedauern. Man werde einen sehr feinen Tee anbieten. In schwarze Jeans und weisse T-Shirts gekleidet, wird das Serviceteam den Gästen die Wünsche von den Augen ablesen. «Insgesamt haben wir 55 Plätze» erklärt Michel Staub, der von der Klasse zum Kommunikationsbeauftragten gewählt wurde. Obwohl sie keine Werbung machen würden, seien bereits zahlreiche Anmeldungen auf der eigens erstellten Website eingegangen.


Gastronomische Feuertaufe für die Berufswahl
Andreas Bangerter-Möri ist Küchenchef und führt mit seiner Frau Elisabeth in der dritten Generation Bangerter das Speiserestaurant Hirschen in Frauchwil. Er nimmt sich an diesem Montagnachmittag Zeit, um mit dem Küchenteam die Vorbereitungen und die Durchführung zu besprechen. «Zitterli hat mir eine SMS geschickt, ob ich das Restaurant Hirschen zur Verfügung stellen würde», erinnert sich Bangerter. Wenn das Restaurant geöffnet sei, erwarteten die Gäste eine saisonale, regionale Speiseauswahl und hätten wenig Verständnis, wenn ihr Lieblingsmenü nicht verfügbar wäre. Aber der Dienstag sei Ruhetag, und somit sei dies ein Freizeitprojekt für seine Frau und ihn. Nun zerbricht er sich den Kopf, wie er die vier Schüler des Küchenteams in einer Blitzlehre zu Jungköchen ausbilden soll. In den engen Gängen zwischen den Chromstahltheken, umhüllt von Dampfschwaden und mit Schweiss auf der Stirne werden die Jugendlichen eine volle Prise echtes Wirteleben nehmen können. Und das gleich zweimal, denn am Dienstag findet das Probekochen statt. Dass es hektisch wird, trotz perfekter Vorbereitung, ist zu erwarten. Die Ansprüche des Küchenchefs sind hoch: «Das Essen muss perfekt sein, und alles rechtzeitig fertig». Nach der Projektwoche bis Ende Schuljahr sollten die Jugendlichen herausfinden, wohin es sie zieht. Sechs haben bereits eine Lehrstelle, eine junge Frau möchte Elektronikerin werden, eine andere Medizintechnikerin. «Hoffentlich können sich durch dieses Experiment noch einige für den Beruf Koch begeistern», hofft Bangerter. Falls ein Gewinn entsteht, dürfte die Klasse das Geld behalten. Auf die Frage, was sie damit machen würden, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: «Wir machen einen Filmeabend mit der ganzen Klasse, mit Pizza und Getränken.»
Doch bis es soweit ist, braucht es den vollen Einsatz. Zitterli ergreift das Wort. «Alle mal herhören! Team Küche zu Herrn Bangerter. Team Doku und Management ins Schulhaus. Team Service zu Frau Bangerter. Wir haben viel zu tun!»

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