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Seeländer

Von Schlampen und 
ihren Eltern

Bei uns zu Hause gibt es schätzungsweise zehn "dumme Kinder", fünf "Schlampen", drei "Scheissopfer" sowie diverse "Affen" - eine ganz normale Konversation unter zwei eigentlich ganz anständigen Kindern.

Theo Martin Redaktor

Meine ich wenigstens. Aber sagen Sie jetzt bloss nicht, dass das bei Ihnen komplett anders tönt. Das glaube ich Ihnen nämlich nicht...

Was wäre die Welt ohne Beleidigungen und Schimpfworte? Die Vorstellung ist irgendwie irreal, oder? Obwohl einem solche Worte überhaupt nicht gefallen, gehören sie nun mal in unseren Alltag und sind allgegenwärtig. Es ist die Selbstdefinition und die Identitätsfindung der Jugendlichen, die diesen Jargon nur unter Gleichaltrigen sprechen. Je krasser, desto besser.

Wir waren es nicht, die solche Wörter in Umlauf gebracht haben – ich schwöre es. Auch wenn die Eltern immer wieder darauf hinweisen, dass es so nicht geht, und selber garantiert nicht so sprechen – die «moderne Jugendsprache» hat uns voll krass im Griff. Wenn ich das Internet konsultiere, bin ich sogar ganz froh, dass es bei uns noch einigermassen gesittet tönt. Da gibt es kein «Arschfotzengesicht», kein «Behindikind» und auch keinen «Dünnschissgurgler». Gut, Affen hat man auch schon ausserhalb des Zoos zu Gesicht bekommen, vor allem im Strassenverkehr. Aber das ist ein anderes Thema…

Hier geht es um die Jugendsprache, die sich ständig weiter entwickelt. Was gerade noch als «cool» oder «geil» bezeichnet wurde, ist plötzlich eher «porno» und dann schon wieder out. Jede Generation hat ihre ganz eigene Jugendsprache. Es gibt nicht den richtigen Slang. Vielmehr begegnen wir ganz verschiedenen Jugendsprachen, die sich natürlich nicht nur von Generation zu Generation, sondern auch von Region zu Region oder sogar von Gruppe zu Gruppe unterscheiden.

Bleibt noch die Frage, ob Eltern die aktuelle Jugendsprache erlernen und auch sprechen sollten? Kinder wollen sich doch in erster Linie abgrenzen. Sie verwenden deshalb Wörter, die vorab andere provozieren sollen. Mitmachen bringt nichts und ist sogar der falsche Weg. Denn was in solchen Fällen passieren kann, zeigt das Beispiel Facebook, das vom Jugendkanal zum Erwachsenen-Spielzeug mutiert ist, dem die heutigen Jungen mit unverhohlener Freude fernbleiben.

Beruhigend ist doch, dass die Wortbedeutungen meist viel harmloser sind als vermutet. Die «Schlampen» haben wir wohl früher einfach als «Tüpfi» abgekanzelt. Das ist nichts anderes als seinen Unmut zu äussern und zu motzen.

Und da muss ich jetzt wirklich «Lol» («laughing out loud» oder laut herauslachen).

Theo Martin

 

 

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