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Seeland

Warum die Pausenfrüchte verschwunden sind

2500 Kinder in der Region verzehrten täglich die Pausenfrüchte von René Bircher, 23 Leute stellte er dafür ein. Seit den Sommerferien ist das Angebot verschwunden. Zu viele hätten sich eingemischt und zu wenige bezahlt, sagt er.

René Bircher beliefert heute nur noch Unternehmen - dafür in der halben Schweiz, wie er selbst sagt. Bild: Olivier Gresset/a

Esthy Rüdiger


«Es war mein Baby, eine Herzensangelegenheit», sagt René Bircher. Es sei für ihn emotional, darüber zu reden. Darüber, was mit seinem einstigen Erfolgsprojekt «Pausenfrüchte» passierte. Seit Sommer essen die Kinder auf den Pausenplätzen der Region keine schön aufbereiteten Früchte von Bircher und seinem Team mehr. Er hat seine Dienste an den Schulen gänzlich eingestellt. Was ist passiert?

Die Idee kam ihm vor gut drei Jahren. Er las in der Zeitung, dass jedes zehnte Kind in der Schweiz übergewichtig sei und wie teuer dies das Gesundheitssystem zu stehen komme. Seit Jahren führte er das Unternehmen Firmenfrüchte in Aegerten, belieferte damit die halbe Schweiz, wie er sagt. Er wollte das Konzept, gesunde und schön zubereitete Früchte als Znüni zu liefern, auf die Schulen übertragen. «Das Konzept stand in drei Monaten», so Bircher:  Eine Frucht pro Kind für einen Franken pro Znüni. Er begann, die ersten Schulen zu beliefern. In drei Jahren waren es über 20 in der ganzen Region, 2500 Kinder nutzten zuletzt täglich Birchers Angebot.


Projekt hat nicht rentiert
Doch zunehmend sei ihm dreingeredet worden, so der Unternehmer. So wurde gefordert, biologisch abbaubare Becher zu verwenden oder es sei kritisiert worden, dass die Früchte nicht immer saisonal seien. «Dann waren die Holzspiessli zu gefährlich und die Früchte sollten für jene Kinder mit Zahnspange doch bitte in Würfel geschnitten werden», berichtet René Bircher. Schwierig sei die Konstellation der involvierten Parteien: Zielklientel seien Kinder, bezahlen müssen deren Eltern, Ansprechpartner ist die Schule, die aber keinen Auftrag zur «richtigen» Ernährung ihrer Schüler hat, und die Verantwortlichkeit obliegt letztlich den Gemeinden und der Stadt.

«Ich habe sehr viel Engagement in das Projekt gesteckt. Rentiert hat es aber nicht», sagt Bircher. Er habe sich bei der Stadt und bei Gemeinden gemeldet, hoffte auf Unterstützung: «Ohne Zusammenarbeit zwischen Politik und Dienstleistern funktioniert so etwas nicht.» Bei der Stadt Biel weiss man von nichts: «Ich habe keine Kenntnis von einer Anfrage von Herrn Bircher», sagt Reto Meyer, Leiter Schule und Sport. Ohnehin habe man keine Ressourcen, dies zu unterstützen. Gesunde Ernährung für die Schüler sei wichtig, «die Verantwortung dafür liegt aber bei den Eltern», so Meyer.

René Bircher wandte sich auch an das Bundesamt für Gesundheit. Dieses habe ihm gar Subventionen in Aussicht gestellt – wenn der Dienst der Pausenfrüchte auch einen Theorieteil über gesunde Ernährung in der Schule beinhalte. «Meine Motivation war jedoch, dass die Kinder direkt vor Ort davon überzeugt werden und nicht als Theorie vermittelt bekommen, was sie schon zig mal gehört haben», erklärt Bircher.


40 Prozent bezahlten nicht
Auch die Zahlungsmoral der Eltern habe dazu beigetragen, dass Birchers Projekt in Schieflage geriet: «40 Prozent haben ihre Jahresabonnements nicht vollständig bezahlt. Die Kinder haben jedoch monatelang noch Pausenfrüchte geholt», moniert der Unternehmer. Summiert mit dem zunehmenden Mehraufwand für die Zubereitung und die gewünschte Abwechslung stiegen die Kosten pro Znüni bald schon auf 1.50 Franken. Bircher und seine Frau, mit der er das Unternehmen führte, legten pro Znüni somit 50 Rappen aus der eigenen Tasche drauf. Über Monate lebten sie vom eigenen Ersparten – bis es irgendwann nicht mehr ging. Die Folge: Bircher hat sein Geschäft mit den Pausenfrüchten in den vergangenen Sommerferien zurückgezogen. Die 23 Angestellten musste er sukzessive entlassen. Fünf davon stellte er beim Unternehmen Firmenfrüchte ein, das er zuvor alleine geführt hatte.

Die Schulen und die Eltern erreichte ein Infobrief, in dem Bircher seinen Rückzug mit einer «zu geringen Nachfrage» begründete, wie Daniel Schär mitteilt. Er leitet die Schule Bellmund und war vom Angebot der Pausenfrüchte überzeugt, hätte auch Subventionen befürwortet. «Ich wusste, dass René Bircher privat viel Geld in das Projekt gesteckt hatte.»

Dieser habe dem Kollegium anlässlich einer Pause die genauen Beweggründe erläutert. Dass die Zusammenarbeit beendet wurde, bedauert Schär. «Das Konzept hat uns insofern überzeugt, als dass es für die Lehrpersonen mit einem minimalen Aufwand verbunden war.» Dass es zu einem solch abrupten Ende gekommen ist, sei schade. Eine Anschlusslösung gebe es nicht. Reto Meyer, Vorsteher der Abteilung Schule und_Sport, gibt an, die Stadt Biel organisiere weiterhin die Aktion Pausenapfel.


Geschäft mit Firmen läuft gut
René Bircher konzentriert sich seither wieder gänzlich auf sein Unternehmen Firmenfrüchte. «Wir haben jede Woche mehr Kunden.» Er betont, dass die beiden Unternehmen vollständig unabhängig waren.
Auf das gescheiterte Projekt Pausenfrüchte blickt er mit Wehmut zurück: «Wir haben jeden Tag 12 Stunden gearbeitet. Und dann wird man nur noch kritisiert.» Er ist sich sicher: «Wir würden heute noch damit weiterfahren, wenn all diese Einmischungen von aussen nicht gewesen wären.»
 

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