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Weltreise

«Was machen zwei nackte Schweizer im Regenwald?»

Schmuggler im Blickfeld und vermeintliche Banditen im Rücken: Bei Bruno und Renate Furer war zuletzt allerhand los.

Der Lastwagen von Furers im Urwald, Bild: zvg
  • Dossier

Letztmals war an dieser Stelle vom Thema Sicherheit die Rede. Wie weit aber unsere Vorstellung von der Realität entfernt sein kann, davon handelt dieser Bericht.

Wir sind im Amazonasgebiet von Brasilien unterwegs und werden auf einem Ponton zuerst einige Nebenflüsse und danach den Amazonas überqueren, um 36 Stunden später nach Macapa zu gelangen. Von hier aus geht es über eine der letzten noch nicht total abgeholzten Urwaldpisten hoch an die Grenze zu Französisch-Guayana.

 

Die Überfahrt

Ein Fluss bildet die Grenze. Eine Brücke gibt es noch keine. Bleibt also wieder nur eine primitive Fähre, um die andere Seite zu erreichen. Immerhin haben wir Glück und können die Kosten von 400 Euro für die fünfminütige Überfahrt mit einem anderen Fahrzeug teilen. Der Preis ist nicht verhandelbar. Wer hier oben mit dem Lastwagen herumfährt, ist dem Prinzip Angebot und Nachfrage schonungslos ausgeliefert. Immerhin sind wir danach wieder in Europa.

 

Der freundliche Zöllner

Haben wir uns noch kurz vorher am brasilianischen Zoll in einer einfachen Holzhütte mit den nötigen Papieren herumgeplagt, sitzen wir nun vor einem französischen Zöllner, der uns in Europa freundlich willkommen heisst. Temporäre Einfuhrbewilligung oder Migration braucht es nicht. Immerhin erhalten wir nach längerem Drängen doch noch einen Stempel in den Pass. Als Souvenir.

Freundlich wird uns abgeraten, die Nacht an der Grenze zu verbringen, weil Schmuggler zwischen Brasilien und Französisch-Guayana die nahe Flussumgebung unsicher machen. Zudem sollten wir nachts die Strasse in die Hauptstadt Cayenne meiden. Die Scheinwerfer würden Wegelagerer anlocken.

 

Der lauschige Platz

Dann gehts weiter. Fünf Kilometer hinter der Grenzortschaft überqueren wir auf einer wackeligen Brücke einen Fluss – und nun eröffnet sich uns eine grandiose Filmkulisse. Eine Familie mit zwei Kindern ist im Fluss am Baden. Wir dürfen also davon ausgehen, Krokodile oder grössere Anakondas hier eher nicht anzutreffen. Bei knapp unter 40 Grad und 98 Prozent Luftfeuchtigkeit ist es eine Entscheidung von Sekundenbruchteilen: Hier bleiben wir. Da wir in der Nacht sowieso ohne Licht schlafen, droht uns auch keine Gefahr von Überfällen.

Wir verbringen einen tollen Tag und ziehen uns bei Einbruch der Dunkelheit in unseren Wagen zurück. Fenster weit geöffnet, gut geschützt durch Moskitonetze, liegen wir splitterfasernackt im Bett und versuchen trotz grosser Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit zu schlafen.

 

Die rasche Flucht

Um 2 Uhr morgens setzt plötzlich heftiger Regen ein. Es schüttet wie aus Kübeln. Renate steht auf, um die Fenster zu schliessen und bemerkt, dass zwei Ruderboote gerade am Flussufer anlegen. Auf unsere Seite stehen schon einige Männer, die immer wieder mit ihren Taschenlampen unser Auto anleuchten. Schmuggler. Anscheinend sind sie aber an uns wenig interessiert. Sollen wir bleiben oder wegfahren? Wir entschliessen uns, kein Risiko einzugehen. Ich starte den Lastwagen und fahre sofort los, natürlich noch immer nackt. So auch Renate, die sich zu mir nach vorne in die Kabine setzt, um die nächsten Schritte zu beraten, während wir durch den dunklen Urwald rollen.

 

Die geplante Attacke

Schnell ist klar: Weit dürfen wir nicht fahren. Unsere Scheinwerfer würden die vom Zoll angekündigten Banditen relativ schnell mobilisieren. Also suchen wir im dichten Urwald einen geeigneten Platz für unseren Lastwagen, was sich als nicht so einfach erweist.

Plötzlich tauchen hinter uns Scheinwerfer auf. Wir werden verfolgt. Was ist zu tun? Die Strasse ist recht eng. Lange kann ich unseren Verfolger mit meiner Schlangenlinie am Überholen wohl nicht hindern.

Da kommt mir eine Idee wie aus 007 – schliesslich habe ich die Bond-Filme alle mehrmals gesehen. Wenn die überholen und auf unserer Höhe sind, mache ich es wie der britische Agent: Ein kurzes Drehen am Lenkrad, und ich dränge die Typen in den Urwald. Die sind wir danach definitiv los. «Genau so machen wir das», sage ich zu Renate.

 

Die Kardinalfrage

Kurz danach wird die Strasse etwas breiter. Der Typ hinter mir, genervt durch die kilometerlange Kurvenfahrt, setzt nun tatsächlich zum Überholen an. Kurz bevor ich das Lenkrad herumreissen will – die Stelle wäre ideal, der würde voll in den Palmen hängen bleiben, denke ich – setzt meine natürliche Hemmschwelle ein und ich fahre geradeaus weiter. So viel zu James Bond und 007 ...

Nun kann ich aber das Fahrzeug sehr gut erkennen. Angeleuchtet durch meine Scheinwerfer, sehe ich auch: Die Banditen sind sogar angeschrieben. «Douane Française» steht da gross in weissen Buchstaben.

Einige Kilometer weiter haben sie eine Strassensperre errichtet. Und wir haben nun einiges zu erklären. Fragt uns doch der Beamte: «Was zur Hölle haben zwei nackte Schweizer um 2 Uhr in der Nacht mitten im französischen Urwald verloren?»

Bruno und Renate Furer

www.pepamobil.ch

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