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Twann

Weiss und fruchtig muss er sein

Wieder einmal heisst es für das Seeland: Kisten auspacken und ab in die Reben. Der Läset hat letzte Woche begonnen. Doch wie viel Wein gibt es nach diesem nassen Sommer überhaupt?

Bild: Peter Samuel Jaggi

Hannah Hermann

Die Anfahrt zum Weinbau der Familie Soland in Twann ist steil. Das Auto kämpft lautstark, der Lärmpegel gleicht dem eines Traktors. Nach der Überwindung des Berges, bei der alle Anwesenden froh sind, dass das Auto nicht den Geist aufgegeben hat, geht es eine kleine gewundene Strasse entlang. Noch eine letzte Kurve, dann liegt das Weingut der Solands vor einem.

Der grosse Hof ist leer. Der Wind rauscht durch die Blätter der umliegenden Bäume. Das grosse Haus der Solands gehörte ursprünglich einem Kloster. Der innerste Teil des Hauses ist bereits 400 Jahre alt, das lässt einen ehrfürchtig werden. Aufgrund dieses hohen Alters wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

Doch schon seit 1823 ist das Anwesen im Besitz der Familie, «seit dreizehn Generationen», verrät Theo Soland stolz. Der 52-Jährige führt das Familienrebgut. Seit fast 30 Jahren ist er Winzer. «Man ist sein eigener Herr und Meister», das gefalle ihm an seinem Beruf so. Auch die Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit würden dafür sorgen, dass es nie langweilig wird. Und natürlich auch die vielen Gäste, die das Gut besuchen. Denn im Kapfgut wird nicht nur angebaut, sondern auch Gastronomie betrieben. Vor allem das alljährliche Treffen zum Treberwurstessen im Winter ist beliebt. Beim Geniessen von Essen und Wein kann man sich auch gleich über die Herstellung der Wurst belehren lassen.

Über den Wolken

Herzlich begrüsst wird man bei der Ankunft nicht nur vom Familienoberhaupt. Auch Chiara, die Familienhündin, möchte alle Neuankömmlinge gebührend Willkommen heissen. Die kommende Streicheleineinheit scheint sie schon erwartet zu haben. Auf Schritt und Tritt ist sie von nun an dabei und kontrolliert, dass keine bereits gepflückte Traube die gelben gestapelten Kisten verlässt.

Der Blick über die Reben hinweg verschlägt einem den Atem. Die Sonne hat sich mittlerweile hervorgetraut und bricht aus den Wolken heraus. Der Bielersee beginnt zu glitzern und man vergisst fast den kühlen Wind, der einen versucht, die Jacke auszuziehen. 536 Meter über dem Meer liegt das Weingut. «Wenn es klares Wetter hat, kann man auch die Alpen erblicken», sagt Theo Soland.

Die Lage sorgt nicht nur für schöne Ausblicke, sondern hat der Familie dieses Jahr sogar Glück gebracht: Durch die Exposition blieb das Kapfgut vom diesjährigen Hagel grösstenteils verschont. «Unten in Twann gab es grössere Verluste, von 60 bis 80 Prozent», sagt Sohn Lukas Soland.

Doch ganz von Petrus begnadigt wurden auch die Solands nicht. Der überdurchschnittlich nasse Sommer liess den Oechsle-Wert der Trauben sinken. Dies ist die Masseinheit für das Mostgewicht, genauer gesagt: den Zuckergehalt der Trauben. Durch diese Zahlen kann die Qualität der Trauben und des daraus produzierten Weines bestimmt werden. Je höher der Zuckergehalt, desto mehr Alkohol entsteht schliesslich bei der Gärung.

Die Reben hätten diesen Sommer mehr Sonne und Hitze gebraucht. Davon sei in den letzten drei bis vier Jahren genügend da gewesen. Oftmals auch zu viel, sodass es letzten Herbst viel zu heiss für die Trauben geworden war. «Langsam ist der Klimawandel wirklich zu spüren», so Lukas Soland. Deshalb falle auch im Seeland immer mehr die Entscheidung, südlichere Rebsorten anzubauen. Bis jetzt sei das ein Erfolg, so der Junior.

Durch den anhaltenden Regen machten sich auch Krankheiten breit: der echte und falsche Mehltau. Diese befallen die Pflanzen und machen sie unbrauchbar für die Weinlese im Herbst. Auf dem Kapfgut geht man davon aus, dass insgesamt etwa 15 bis 20 Prozent des Ertrags weggefallen sind. Die genauen Zahlen weiss man spätestens, wenn die Vinifikation beginnt.

Auch beim Läset letzte Woche macht das Wetter nicht, was es machen soll. Es fängt immer wieder zu regnen an. Dann muss das Ernten gestoppt werden, sonst leidet die Qualität der gepflückten Trauben. Nur langsam können sich also die acht Helfer und Helferinnen fortbewegen. Jede Traube wird dieses Jahr genau angeschaut und geprüft. Das braucht seine Zeit.

Favoriten eines Winzers

Hündin Chiara wartet oben vor dem Hauseingang schon ungeduldig. Dass es mittlerweile angefangen hat zu tröpfeln, scheint sie nicht zu stören. Sie wälzt sich lieber genüsslich im Gras.

Die dunklen Wolken ziehen langsam über die 3,2 Hektar Weinreben. Der Gewürztraminer, der an diesem Nachmittag gepflückt wird, muss sich erneut vertrösten lassen. Er ist eine der Spezialitäten, die die Solands anbieten. Früher durfte der Gewürztraminer nur mit einer speziellen Lizenz angebaut werden. Auffällig ist dieser Wein vor allem durch seinen starken Rosenduft.

Die Hälfte des Anbaus auf dem Kapfgut ist mit Pinot Noir bestockt. Den zweitgrössten Teil nimmt der Chasselas ein. Dieser ist passenderweise auch der Lieblingswein von Theo Soland. Jeder Wein sei auf seine eigene Weise gut, aber der Chasselas passe einfach zu allem, so der Winzer.

Für die Zukunft gibt es auch schon gewisse Pläne: Sobald Lukas Soland in das Familiengeschäft einsteigt, wolle man sich wieder mehr auf den Rebbau konzentrieren. Dies habe man in den letzten Jahren etwas vernachlässigt und mehr die Gastronomie ausgebaut, erzählt Theo Soland, während hinter ihm die Sonne den Himmel wieder erhellt.

Und auf das 200-jährige Jubiläum in zwei Jahren würde man sich natürlich freuen. Doch für jetzt hofft man erst einmal, dass der Läset dieses Jahr gut beendet werden kann.

Mit diesen Worten wird Chiara noch ein letztes Mal über den Kopf gestreichelt und mit einer Flasche «Sous la Roche», dem hauseigenen Chasselas, geht es wieder auf den Rückweg, auf Schlängelfahrt den Berg hinab.

Stichwörter: Wein, Läset, Twann

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