Sie sind hier

Abo

Grenchen

Wenn zum 100. Geburtstag 
die Kavallerie auftaucht

Über 1000 Tage standen Walter Bigler und sein Pferd Ellengard im Dienst der Schweizer Kavallerie. Zum Fest seines 100. Geburtstags hat ihm eine Dragonerdelegation die Ehre erwiesen.

Bild: Margrit Renfer

Margrit Renfer

Im Jahr 1939 wurde Walter Bigler vom Allmendhof, der heute seinen 100. Geburtstag feiern kann, in Grenchen in der Solothurner Dragonerschwadron 14 vereidigt. Dass ihm acht Jahrzehnte später eine Dragonerdelegation der «Schweizerischen Kavallerieschwadron 1972» zum vorgezogenen Geburtstagsfest die Ehre erweisen würde, damit hat Bigler nicht gerechnet.

Mit fünf Pferden, in voller Montur und dem gleichen Banner, mit dem er damals vereidigt worden war, ritt die Delegation bei der Glutzhütte ob Grenchen vor. Beneidenswert flink zog es Walter Bigler zu den Pferden. «Das weckt so viele Erinnerungen, ich finde keine Worte», war das Einzige, was er mit leuchtenden Augen herausbrachte.

 

Direkt in den Aktivdienst

Walter Bigler war 1939 in die Rekrutenschule in Aarau zu den Dragonern eingerückt. Er ersteigerte sein Kavalleriepferd Ellengad am Tag der Mobilmachung und musste nach der Rekrutenschule direkt in den Aktivdienst einrücken.

Es war eine harte Zeit, der folgende Winter bitterkalt. Mann und Pferd spürten die Versorgungsknappheit. Den Pferden wurde Zellulose unter das Futter gemischt. Die Schwadron, in der Walter Bigler eingeteilt war, musste auf verborgenen Pfaden entlang der Grenze patrouillieren. Einmal knickte Ellengard in einem Graben ein und Walter Bigler bemerkte erst viel später, dass er seinen Säbel verloren hatte. Die Pflicht zur vollständigen Ausrüstung liess ihn den beschwerlichen Weg zurückreiten und er fand den Säbel. Ellengard war wahrscheinlich vom Ereignis geprägt. Später scheute er den Wassergraben beim Concoursreiten.

Im Frühjahr 1940, kaum entlassen, folgte die zweite Mobilmachung. Sie ritten von Oensingen via Holderbank ins Baselbiet. Der Hauptmann verlas den Kriegsbefehl. Geblieben ist: «Ja nicht kapitulieren». Er habe nie zuvor so viele voll beladene Autos von reichen flüchtenden Baslern gesehen wie während einer Nachtwache zu dieser Zeit, erinnert sich Bigler.

Insgesamt hat Walter Bigler mit seinem Pferd über 1000 Diensttage geleistet. Seinen letzten mit 50 Jahren, in dem Jahr, als seine jüngste Tochter geboren wurde. Das Pferd Ellengard wurde jahrelang auf dem Landwirtschaftsbetrieb eingesetzt. Viele Male hat es die Milch von der Allmend in die Käserei gebracht.

 

Eine einzige grosse Familie

Geprägt vom einfachen Leben in seiner Jugendzeit in der Grossfamilie hat Walter Bigler die Zeit im Aktivdienst mit nur einer Erkältung gut überstanden. Zuhause führten sein Vater und dessen Bruder den Hof. Während des Dienstes an der Grenze gab es für die Soldaten keinen Sold und keinen Lohnausgleich. Es war jedoch klar, dass Walter Bigler den Betrieb auf der Allmend weiterführen würde.

1947 heiratete er Helene Schmutz aus Bettlach. Gemeinsam hatten sie vier Kinder. Die Familie lebte und arbeitete zusammen mit den Eltern und der Familie des Bruders mit fünf Kindern auf dem Hof. Der einzige Wasserhahn habe sich in der Küche befunden, ein Badezimmer gab es nicht, dafür wurde ab und zu der Betontrog im Keller mit heissem Wasser gefüllt.

Die beiden Ehefrauen hätten abwechslungsweise je eine Woche für alle gekocht. Einmal hatte Bigler einen schweren Unfall mit dem Zuchtstier. Der Arzt habe zwar keinen Schädelbruch festgestellt, doch die Rekonvaleszenz dauerte. Erst nach einem Jahr erhielt er die vier Goldkronen für die verlorenen Zähne.

 

Mehrere Schicksalsschläge

Ein Schicksalstag ereignete sich für die Familie Bigler am 14. März 1964: Der Bauernhof brannte. Stall, Scheune und Wohnhaus wurden komplett zerstört. Ungeklärt blieb die Brandursache, man vermutete jedoch Brandstiftung. Der Brand war der vierte in einer Serie von Bränden in Grenchen.

Nach dem Wiederaufbau verlief das Leben der Familien zwar noch immer gemeinsam, doch die Haushalte wurden separat geführt. Wie auch heute noch, wo wiederum mehrere Generationen gemeinsam auf dem Allmendhof leben und arbeiten und Walter Bigler sein Zuhause mit der Familie der Tochter Daniela geniesst. Schicksalschläge wie der Verlust der Tochter Verena und den Tod seiner Frau nach 60 Jahren Ehe lassen sich gemeinsam besser ertragen.

Walter Bigler hat sich bis vor vier Jahren noch eigenständig um seine Zuchtschweine gekümmert. Die Schweine wurden verkauft und er hat mit dem Jäten des Gartens und Überwachen der Hühner neue Aufgaben gefunden. Er hofft, dass ein Enkel bald einmal den Betrieb übernimmt, und glaubt, dass sein solides und zufriedenes Leben ihm das goldene Alter beschert hat. In den letzten 30 Jahren habe er nur selten einen Arzt besucht. Tabletten nehme er keine.

Nachrichten zu Seeland »