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Alaska

Wer einen Nationalpark besucht, braucht schon einmal starke Nerven

Auf einer Bustour wilde Tiere entdecken: Das haben Bruno und Renato Furer im Sinn, als sie in einem Nationalpark einen Ausflug buchen. Aber anstatt Bären zu sehen, erhalten sie eine Lektion in Sachen Sicherheit.

Amerikanische Schulbusse: Es gibt nichts besseres für eine Neun-Stunden-Fotosafari durch den Denali Nationalpark. Copyright Bruno Furer / Bieler Tagblatt
  • Dossier

von Bruno Furer

Wir besuchen den Denali-Nationalpark, ein Höhepunkt auf jeder Alaskareise. Er hat ungefähr die Fläche der Schweiz und eine Population von zirka. 400 Bären, 4'500 Schafen, Elchen, Karibus, Adler und noch so einiges an Kleinvieh. Auf den ersten 90 Kilometer im Park gibt es Zelt- und Camper-Stellplätze, die reserviert werden müssen. Mindestaufenthaltsdauer sind drei Tage. Von hier aus müssen wir mit dem Bus den Park erkunden. Kein Problem, wenn wir nicht in Amerika wären.

«Schöner Tag heute, geht ihr auch bis zum Wonder Lake oder nur bis ins Visitor Center? Also wir kommen übrigens aus Ohio und steigen vermutlich schon beim ersten Zwischenhalt aus. Unsere Freunde hier, sie sind aus Kalifornien, können nicht so lange still sitzen. Ach freuen wir uns, einmal wilde Tiere zu sehen. Wo kommen sie her»? So werden wir an der Haltestelle begrüsst.

 

Die volle Dosis
Es ist noch frühmorgens und wir haben kaum unseren ersten Kaffee getrunken und erhalten schon an der Busstation die volle Dosis. Bevor wir jedoch antworten können, kommt unser Bus. Die nächsten zehn Minuten sind für unsere Sicherheit gedacht. Mandy, so heisst die Busfahrerin, gibt uns Anweisungen, wie wir die nächsten neun Stunden mit ihr ohne schwerste Verletzungen und psychische Traumas überstehen können. Das Abenteuer kann beginnen.

Zwei Kurven später ist der erste Halt. Mandy fährt auf den Toilettenplatz mit Aussichtsplattform. Zehn Minuten Pause. «Das erste Haus ist für Männer, alle anderen sind gemischt. Passt auf, es könnte Bären haben. Zehn Minuten, danach fahren wir weiter, mein Bus hat die Nummer 1020 (wir sind alleine auf dem Platz). Passt auf die Stufen auf und schlagt euch nicht den Kopf an.» Und so weiter.

Nach zirka fünf Minuten macht sie tatsächlich die Türe auf.  Wer also richtig Druck auf der Leitung hat, kommt hier schon arg in Stress. Nach 500 Metern der nächste Halt und wir verrenken uns den Hals, aber wir sehen nichts. Keine Viecher, nur ein Bus, der uns entgegenkommt. Die nächste halbe Stunde geht dies so weiter: Mandy hält, wir schauen, sehen nichts und ein Bus kreuzt uns. Danach klärt uns Mandy auf: Der Bus, der in den Park fährt, muss bei Gegenverkehr anhalten. Sicherheit geht vor. Die Piste ist zwar breit genug, bis auf einige wenige Stellen könnten drei Busse problemlos kreuzen, aber sie muss immer anhalten.

Ich finde es etwas übertrieben und rechne schon einmal aus, wie viele Bremsmanöver ich noch über mich ergehen lassen muss, sind es doch an die 300 Busse die hier jeden Tag durch den Park donnern.

Inzwischen lenkt uns aber ein viel grösseres Problem von unseren Stop-and-go-Trip ab. Für jeden Ami ein Traum, für jeden Europäer ein Alptraum: amerikanische Busse.
Natürlich denkt der Europäer an luftgefederte, bequem gepolsterte, mit Panoramascheiben ausgerüstete Reisebusse, wenn er sich auf neun Stunden Busfahrt einlässt. Amerikaner kennen aber nur ihre geliebten Schulbusse, wenigsten hier im Park. Knallhart, unbequem, laut und Fenster zum Davonlaufen. Was beim Ami nostalgische Erinnerungen an seine Schulzeit hervorruft, verursacht bei uns eine Genickstarre vom Feinsten.
Normalerweise sollten die Fenster im oberen Bereich geöffnet werden können. Unsere klemmen und die Scheiben sind so verkratzt und angelaufen, dass wir fast liegend im Sitz versuchen, etwas von der Parklandschaft zu erhaschen.

 

Kleine weisse Punkte
Mandy reisst einen Stopp und brüllt: «Da, Schafe!» «Wo? Wo?  Wo?», erstmals bricht Panik aus in der Hütte. Alles rennt von links nach rechts, Hälse werden verdreht, man versucht klemmende Fenster zu öffnen. «Auf 14 Uhr», gibt Mandy Auskunft. Ich schaue auf meine Uhr, aber weit und breit keine Schafe zu sehen und zudem zeigt mein Wecker erst knapp 10 Uhr an. Also versuche ich dahin zu schauen, wo die Mehrheit hinguckt und wirklich, super, ganz weit oben im Berg erkenne ich zwei kleine weisse Punkte.

Meine ersten Schafe im Denali. Nach weiteren fünf Minuten tränen meine Augen und mein Nacken zieht leicht nach links. Genug der Schafe. Also setze ich mich wieder in meinen Sitz und warte auf Mandys Sicherheitsanweisungen, ohne diese fährt sie nie los.
Die Amis aber finden Schafe toll und wir verbringen weitere 15 Minuten mit den zwei niedlichen weissen Pünktchen hoch oben im Hügel. Die sind ohne Fernglas übrigens kaum zu sehen, aber das ist egal, Schafe sind Schafe.

Ich lerne schnell. Als es heisst, «Karibu auf 18 Uhr» wandert mein Blick sofort aus dem Fenster und nicht mehr auf das Handgelenk. Ausser Querstreben sehe ich nicht viel. Zwischen 17.30 und 18.45 Uhr gibt es bei mir nur Metallteile und angelaufenes Glas zu sehen, Karibus sehen definitiv anders aus. Im Bus wird um jedes freie oder funktionierende Fenster gekämpft.

Mandy hat hier eindeutig einen Vorteil, als Einzige sitzt sie vor einer Panoramascheibe und muss nicht herumrennen. Die Karibus sind fast eine richtige Augenweide, wer sie entdeckt hat und über viel Phantasie verfügt, kann sie sehr gut erkennen, Schafe sind dies nicht, Schafe sind weiss. Mehr ist vorerst nicht zu sehen. Aber wir sitzen ja erst seit knapp drei Stunden im Bus. Schon ist der nächste Halt angekündigt: Toilettenstopp.

 

Der Keil gibt Aufschluss
Mandy gibt ihre vielversprechenden Hinweise: erstes Haus Pissoir, alles andere gemischt etc. Es dauert nur noch fünf Minuten, bis sie die Türe öffnet. Doch vorher legt sie noch schnell einen Keil hinter das Vorderrad. Der Platz ist leicht abschüssig, der Keil sollte also vor dem Vorderrad sein.
Nach einigem Nachdenken finde ich es plötzlich nicht mehr so schlecht, dass die Busse anhalten müssen, wenn sie kreuzen.

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