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Alaska

Wer einen Nationalpark besucht, lernt die kleinen Dinge zu schätzen

Die Furers 
lernen, wie faszinierend ein Krähennest sein kann – und machen sich Gedanken über die «grenzenlose Freiheit» in den USA.

Symbolbild: Keystone
  • Dossier

Wir sind immer noch mit dem Schulbus und Mandy als Fahrerin im Denali Nationalpark unterwegs. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht doch eventuell eine versteckte Kamera im Bus eingebaut wurde. Was hier abgeht, ist Komödie vom Feinsten.

Schreit Mandy 15 Uhr, sehe ich den grossen Hintern von meinem Sitznachbarn, da er jedes Mal aufsteht und mit seinem Smartphone versucht, durch das verkratzte Fenster ein tolles Bild zu machen. Schreit Mandy 9 Uhr, kommt seine Frau ins Spiel. Zwei Riesenbrüste drücken mich in mein Sitzpolster und ich schnappe verzweifelt nach Luft.

Da ich nur schaue und nicht fotografiere, habe ich kein Recht auf meinen Fensteranteil. Ich muss warten, bis Tablett, Smartphone und Filmkamera genügend Megabyte auf der Speicherkarte haben, danach darf auch ich mal.

Gut, ich muss zugeben, mit dem Feldstecher würde ich vermutlich mehr sehen, aber der liegt gut eingepackt im Pepamobil. Ich bin eben noch von der alten Sorte und möchte die Tiere ganz einfach von blossem Auge und vor allem ungestört sehen.

Nach über fünf Stunden Fahrt erreichen wir den «Wonder Lake». Zehn Minuten Pause, Bus immer noch na, ihr wisst es ja, Pissoir, Kopf und Bären folgen, danach dürfen wir raus.

Ich dachte, Mandy hätte ihr Repertoire schon ganz ausgeschöpft, aber die Tante hat es faustdick hinter den Ohren.

Sie zieht sich Handschuhe an und kontrolliert von Hand alle Schrauben der Räder, ob diese noch gut angezogen sind. Danach legt sie sich unter den Bus und schaut sich die Federblätter an. Anscheinend ist alles in Ordnung, wir dürfen wieder einsteigen und alles geht wie gehabt, nur eben in die andere Richtung. Natürlich braucht es auch für die Rückfahrt entsprechende Sicherheitshinweise.

Ein Höhepunkt gab es allerdings noch, und den möchte ich auf dieser abenteuerlichen Fahrt nun wirklich nicht missen. Irgendwo auf der Strecke gibt es eine Brücke und auf einem Brückenpfeiler hat sich eine Krähe ein Nest gebaut.

 

Es ist ja ein wildes Tier
Jeder Bus hält hier an und die Krähe wird gute 10 Minuten ausführlich beobachtet. Mandy macht uns vorher noch darauf aufmerksam, ja schön leise zu sein, damit die Krähe nicht wegfliegt. Sicherheitshalber bleibt sie auch zirka 100 Meter vor der Brücke stehen. Es ist ja ein wildes Tier.

Ist alles im Kasten oder auf dem Chip gespeichert, die Fenster gut geschlossen, donnert der Bus über die Brücke und Papa Krähe steht auf dem Brückengeländer, lässt sich überhaupt nicht stören und wundert sich sicher genau wie ich, wieso eine Krähe in einem Nationalpark so viel Entzückung auslösen kann.

Die Wahrscheinlichkeit, von einem Bus im Park überfahren zu werden, ist übrigens um einiges grösser, als von einem Bären angefallen zu werden. Wer sich über die strengen Sicherheitsregeln im Park wundert, sollte auch noch wissen, dass es in Alaska verboten ist, lebende Elche aus einem fliegenden Flugzeug zu werfen! Es ist erlaubt, einen Bären zu erschiessen, ihn aber aufzuwecken, um ein Foto zu machen, ist verboten. Gut zu wissen ist auch, dass Fischen von Kamelrücken aus verboten ist. Wer sich also an einige normale Grundregeln halten kann, wird auch in Alaska eine schöne Zeit verbringen.

Alaska ist ja nicht gerade dicht bevölkert und trotzdem wird hier viel in den Strassenbau investiert. Baustellen sind also programmiert, zumal die Winter dem Belag zusetzen. Bei jeder dieser Baustellen steht nun ein Mann mit einem Schild «Stopp» und einem Schild «Slow». Wird das Schild auf «Slow» gedreht, dürfte ich fahren. Aber auch hier liegt es im Detail. Bevor ich also meine Latschen auf das Gaspedal drücke, setzt sich ein «Pilot Car» vor mich und führt mich durch die Baustelle. Der Typ hinter dem Steuer macht nichts anderes als den ganzen Tag immer hin und her zu fahren, damit ja keiner auf der Baustelle verloren geht. Und damit ja keiner in der Pampa verschwindet, steht es auch noch gross angeschrieben: «Follow me».

 

Es kann sie ja niemand sehen!
Nach so viel Aufregung haben wir eine Pause verdient. Renate kocht etwas Leckeres, während ich draussen den Tisch decke. Ich gönne mir vorab ein Bier, während der Wein geöffnet auf den Tisch schon etwas festliches Flair verbreitet. Doch lange kann ich mich an der Abendstimmung nicht erfreuen. Unser Nachbar kommt angerannt und brüllt: «Bist du verrückt, willst du in den Knast?»

Ich versteh nur Bahnhof, was haben wir jetzt wieder falsch gemacht? Er klärt mich auf: «Wir sind hier in der Öffentlichkeit, und du hast Bier und Wein auf dem Tisch.» Mein Einwand, wir seien doch aber hier quasi privat auf einem Stellplatz neben unserem Auto, lässt er nicht gelten. «It is an open container.»

Nach dem Gesetz dürften wir nicht einmal im Auto Wein und Bier trinken. Die Polizei ist zwar relativ grosszügig, könnte uns aber büssen, wenn wir mit einer offenen Flasche am Tisch sitzend erwischt werden. Ist die Flasche oder Bierdose aber in einem Papiersack, dürfen wir saufen, bis wir umfallen, es kann sie ja niemand sehen!

Amerika ist definitiv anders gestrickt. Wer hat wohl den Quatsch von der grenzenlosen Freiheit erfunden? Bruno Furer

Link: www.pepamobil.ch

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